Armenische Terrororganisation Asala: Die Schweiz im Visier von Terroristen

  12 Januar 2017    Gelesen: 1934
Armenische Terrororganisation Asala:  Die Schweiz im Visier von Terroristen
von Markus Häfliger

Vor genau 40 Jahren begann eine weltweite Terror-Serie, die sich bald auch gegen die Schweiz gerichtet hat. Heute stellt sich die Frage, ob ein Berner Pfarrer die Terrorbande mitgegründet hat.

Bombe Nummer 1 detoniert am Sonntag beim Bundeshaus, richtet aber kaum Schaden an. Bombe Nummer 2 verletzt am Montag am Flughafen Zürich fünf Personen und verursacht grosse Zerstörungen. Nummer 3 explodiert am Dienstag in der Damenabteilung eines Lausanner Warenhauses und verletzt 26 Menschen, mehrere davon schwer. Bombe Nummer 4 am Mittwoch am Bahnhof Genf fordert einen Toten. Die vier Bombenanschläge, die sich zwischen dem 19. und 22. Juli 1981 ereignen, sind der Höhepunkt einer beispiellosen Terrorwelle gegen die Schweiz, die heute weitgehend vergessen ist.

Hinter den Anschlägen stehen militante Armenier. Sie treten unter verschiedenen Namen auf, ihre wichtigste Organisation aber ist die Armenische Geheimarmee für die Befreiung Armeniens (Asala). Just im Januar 2015, da Europa vom Terroranschlag auf «Charlie Hebdo» erschüttert wird, jährt sich die Gründung der Asala zum 40. Mal: Im Januar 1975 hat sie in Beirut ihr allererstes Attentat verübt.

Jagd auf Diplomaten

Die treibenden Köpfe bei der Asala sind junge Armenier im Exil, die ihre Heimat in der Osttürkei nur noch vom Hörensagen kennen. Sechs Jahrzehnte sind vergangen seit den türkischen Massakern an den Armeniern im Jahr 1915; fünf Jahrzehnte sind vergangen, seitdem die Grossmächte ihre Versprechen für einen armenischen Staat gebrochen haben. Die Welt hat die Armenierfrage längst verdrängt, und deshalb greift eine junge Generation jetzt zu den Waffen.

Offiziell verfolgt die Asala zwei Ziele: Sie will die Türkei zur Anerkennung des Völkermords zwingen und die ehemals armenischen Gebiete in der Osttürkei in einen armenischen Staat einfügen. Ideologisch bewegt sich die Gruppe im sowjetischen Dunstkreis. Ihr Hauptgegner sind der türkische Staat und all jene Länder, die im Verdacht stehen, mit der Türkei zu kooperieren.

Rund um die Welt macht die Asala ab 1975 Jagd auf türkische Diplomaten; etwa zwanzig von ihnen überleben die Attentate nicht. Im Mai 1976 erreicht der Terror auch die Schweiz, als Bomben das türkische Konsulat und eine türkische Bank in Zürich verwüsten. Am 6. Februar 1980 schiesst ein Attentäter in Bern auf den Mercedes des türkischen Botschafters. Der Mann hat Glück und wird nur leicht verletzt.

Jahrelang operiert die Asala erfolgreich im Untergrund, bis am 3. Oktober 1980 erstmals zwei ihrer Aktivisten ins Netz gehen – ausgerechnet in der Schweiz. Im Genfer Hotel «Beau-Site» detoniert eine Bombe, als eine Armenierin und ein Armenier damit hantieren. Der Mann verliert eine Hand und ein Auge; beide Personen werden verhaftet.

Rache an der Schweiz

Dadurch gerät die Schweiz über Nacht selber ins Visier. Jetzt greifen die Terroristen auch schweizerische Ziele an, um ihre Gefährten zu rächen und freizupressen. Innert Monaten werden die beiden zu bedingten Gefängnisstrafen verurteilt und des Landes verwiesen.

Doch schon wenige Monate später, im Juni 1981, erschiesst ein Armenier in Genf auf offener Strasse einen türkischen Konsulatsangestellten – erneut wird der Täter gefasst. Als Vergeltung starten die Armenier die erwähnte Serie mit vier Bombenanschlägen in vier Tagen. Total gibt es über die Jahre über zwanzig kleinere und grössere armenische Anschläge in der Schweiz oder auf Schweizer Institutionen im Ausland.

Ab Mitte der 1980er Jahre zerfällt die Asala, es kommt zu Spaltungen. 1988 fällt ihr Anführer, bekannt unter dem Kriegsnamen Hagop Hagopian, seinerseits einem Mord zum Opfer.

Schweizer als Mitgründer?

Über die Interna der Asala weiss man wenig Zuverlässiges. Gemäss einer einzigen Quelle war bei ihrer Gründung ein Schweizer armenischen Ursprungs involviert: James Karnusian, eine bekannte Figur in der armenischen Gemeinschaft. Er wurde 1926 in Libanon geboren, war jahrzehntelang reformierter Pfarrer in Gstaad und engagierte sich zeitlebens für die Sache der Armenier. Unter anderem präsidierte er den armenischen Weltkongress.

Kurz nach seinem Tod im Jahr 1998 publiziert die New Yorker Zeitschrift «The Armenian Reporter» ein Gespräch, das sie angeblich elf Jahre zuvor mit ihm geführt hatte – unter der Bedingung, es erst nach seinem Tod zu veröffentlichen. In diesem Gespräch habe Karnusian erklärt, er sei einer von drei Männern gewesen, die die Asala 1975 in Libanon gegründet hätten. Später, als die Asala immer brutaler agierte, habe er sich aber mit ihr überworfen.

Verdienst und Schaden

Nachprüfbar ist dies heute kaum noch; auch der Autor des Artikels lebt nicht mehr. Tochter Manuschak Karnusian sagt, die Familie wisse über eine Verwicklung ihres Vaters bei der Asala nichts. Der Artikel sei «reine Spekulation» und für die Familie damals «aus heiterem Himmel» gekommen.

Zur Bilanz der Asala schrieb Armand Gaspard, ein Westschweizer Journalist mit armenischen Wurzeln, am Anfang habe die «Geheimarmee» durchaus das Verdienst gehabt, die Weltöffentlichkeit für die Armenier-Frage zu sensibilisieren. Später hätten ihre «abscheulichen Exzesse» der armenischen Sache jedoch stark geschadet.

Insgesamt hat die Asala gemäss der amerikanischen Terrorismusdatenbank MIPT weltweit bei 84 Anschlägen 46 Menschen getötet und 299 verletzt. Auch wenn sie längst inaktiv ist, so spielt die Asala in den türkisch-armenischen Propagandaschlachten doch bis heute eine Rolle. Wenn die armenische Seite jeweils über die über eine Million armenischen Opfer des Völkermordes sprechen will, hält ihr die türkische Seite oftmals die Taten der Asala vor.

Quelle:nzz.ch

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