BMW will Strafzöllen und dem Brexit trotzen

  20 Januar 2017    Gelesen: 464
BMW will Strafzöllen und dem Brexit trotzen
Die Münchener Autobauer sehen unsicheren Zeiten entgegen. Große Herausforderungen warten auf den wichtigsten Absatzmärkten. Der neue Einkaufsvorstand im Gespräch.
Selten hat der Münchner BMW-Konzern die Auswirkungen der Weltpolitik so zu spüren bekommen wie in dieser Woche. Erst drohte der neue Präsident der Vereinigten Staaten den deutschen Autoherstellern mit Strafzöllen und erwähnte hier die weiß-blaue Premiummarke namentlich, dann formulierte die britische Premierministerin ihre Brexit-Ziele, die auf einen harten Schnitt hinauslaufen und das Mini-Werk der Bayern in Oxford treffen.

Unsichere Zeiten also für den BMW-Konzern und seinen neuen Vorstand Markus Duesmann, der für den Einkauf und das Lieferantennetzwerk zuständig ist. „Zusätzliche Zoll- und Handelsschranken stellen uns immer vor die Herausforderung, dass wir unsere Lieferbeziehungen darauf ausrichten müssen. Wir bemühen uns, im selben Währungsraum einzukaufen, aber natürlich sind nicht alle Lieferanten direkt bei unseren Werken angesiedelt“, sagt der 47 Jahre alte Ingenieur, der das Amt im Herbst vorigen Jahres übernommen hat, in seinem ersten Interview.

Bislang profitieren Autohersteller wie BMW und ihre Zulieferer vom Freihandel. Die von Donald Trump angekündigten Importzölle würden sie ebenso empfindlich treffen wie der von Theresa May in Aussicht gestellte harte Brexit. BMW baut den Kleinwagen Mini in Oxford und hat in die Modernisierung der Fabrik in den vergangenen Jahren fast 2 Milliarden Euro investiert.

Über 5000 Mitarbeiter in Großbritannien
„Es kommt der Zeitpunkt, an dem wir in Oxford maßgebliche Investitionsentscheidungen treffen müssen. Diese werden sich an den dann geltenden Rahmenbedingungen orientieren“, sagt Duesmann. „Aber den Modellzyklus unseres Mini stimmen wir ganz sicher nicht auf den Brexit ab. Und die britische Regierung hat gewiss ein Interesse daran, große Arbeitgeber im Land zu halten.“

BMW beschäftigt auf der Insel nicht nur 4500 Mitarbeiter bei Mini in Oxford, sondern auch noch 1200 bei Rolls-Royce in Goodwood, baut zudem Komponenten in Swindon und Motoren in Hams Hall, die auch an die BMW-Werke in Leipzig und Regensburg geliefert werden.

Überall sind Lieferanten vor Ort eingebunden. Darin unterscheidet sich die Mini-Produktion in England nicht von der deutschen BMW-Produktion. Weil BMW den Mini auch in den Niederlanden bauen lässt, besteht zudem die Möglichkeit, die Produktion stärker auf das europäische Festland – und damit in den EU-Binnenmarkt – zu verlagern. Noch sei es für solche Überlegungen zu früh, sagt Duesmann. Allerdings liefen im Hintergrund Planspiele zu den unterschiedlichen Brexit-Szenarien. Im vergangenen Jahr wurden 211.000 Mini in Oxford gebaut und 87000 im holländischen Born.

Gemeinsame Sache mit Daimler? Kein Problem
Duesmann verantwortet ein wichtiges Ressort, es geht um viel Geld. Ein BMW besteht zu fast 80 Prozent aus Teilen, die von Lieferanten kommen. „Die meisten Innovationen kommen vom Zulieferer. Das lassen wir uns etwas kosten“, sagt er. „Gleichwohl lastet auch auf Entwicklungsleistungen, die wir in diesem Bereich einkaufen, ein hoher Kostendruck.“ Duesmann ist der dritte Einkaufsvorstand, seit der damalige BMW-Chef Norbert Reithofer das Ressort vor 9 Jahren für Herbert Diess geschaffen hatte mit dem Ziel, Milliarden Euro zu sparen.

Unter Diess’ Nachfolger Klaus Draeger lag dann der Schwerpunkt auf höherer Qualität. Duesmann ist verantwortlich für Einkauf, Qualität, Logistik, Kaufteile, Komponentenfertigung und Kostenanalyse. „Der Einkauf ist ein Vierkampf: Wir müssen die Kosten im Blick haben bei gleichzeitig steigenden Qualitätsansprüchen der Kunden. Wir müssen die Lieferfähigkeit sicherstellen und haben den Anspruch, innovativster Autohersteller zu bleiben.“

Keinen Widerspruch sieht er darin, ausgerechnet mit dem Stuttgarter Erzrivalen Daimler gemeinsame Sache zu machen, der denselben Anspruch erhebt: „Wir kaufen mit Daimler ,nicht-wettbewerbsdifferenzierende‘ Umfänge ein, also Reifen, Sitzgestelle, Kühlmittelpumpen und verschiedene Kleinteile wie zum Beispiel Kabelbaum-Stecker.“

„Wir müssen in den nächsten Jahren wesentlich mehr Software kaufen“
Es sind ganze Bauteilefamilien, die BMW mit Daimler abstimmt, um so größere Abnahmemengen und damit bessere Preise bei den Lieferanten zu erzielen. „Das ist sicher noch nicht ausgereizt, es gibt regelmäßig Gespräche, und wir reden jetzt über den gemeinsamen Einkauf weiterer Komponenten.“

Nicht nur in der Entwicklung, auch im Einkauf muss BMW auf die Megatrends in der Automobilindustrie reagieren. „Wir stellen uns im Einkauf neu auf. Automatisierung und Elektrifizierung bedingen neue Prozesse. Wir müssen in den nächsten Jahren wesentlich mehr Software kaufen. Allein für das teilautomatisierte Fahren steigt die Sensorik im Auto gewaltig.“

Mit neuen Technologien kommen auch neue Lieferanten ins Spiel. Jahre hat es gedauert, bis BMW für das erste Elektroauto i3 sämtliche Zulieferer an Bord hatte. Für den wichtigen Batteriezelleneinkauf wählten die Münchner den koreanischen Hersteller Samsung SDI aus. Damit sei aber keine Exklusivität für die künftigen Elektromodelle verbunden, stellt Duesmann klar:

„Wir sind mit allen großen Herstellern im Gespräch und entscheiden von Modellgeneration zu Modellgeneration. Außerdem haben wir eine eigene Batteriezellenforschung, entwickeln die Leistungselektronik und bauen Batterien und Elektromotoren selbst. Damit sichern wir Beschäftigung auch dann, wenn wir langfristig weniger Verbrennungsmotoren herstellen als heute.“

Vor allem geht es BMW darum, sich die Kapazitäten bei den Lieferanten zu sichern. Sobald der Anteil der elektrischen BMW-Modelle nicht mehr wie heute bei unter 4 Prozent liegt, sondern bei bis zu 25 Prozent im Jahr 2025, wird der Konzern ein Vielfaches an Batteriezellen benötigen. Duesmann muss BMW schon heute darauf vorbereiten.

Quelle: F.A.Z.

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