Gottschalk ist wieder auf Sendung

  09 Januar 2017    Gelesen: 3018
Gottschalk ist wieder auf Sendung
Er war der letzte große Showmaster des deutschen Fernsehens. Nun kehrt Thomas Gottschalk zu seinen Anfängen zurück und macht Radio beim BR. Funktioniert das?
„Domian ist weg, Gottschalk is back“: An diesen Spruch müssen wir uns wohl gewöhnen. Präsentiert von einer Möbelkette, kehrt Deutschlands letzter Showmaster zu seinen Wurzeln zurück. Ohne Honorar, für umme, niente, gar nix. Er bringe sogar noch Geld mit. Der Mann macht Radio, weil es ihm Spaß macht, sagt er wenigstens in „Gottschalk – Die Bayern 1 Radioshow“, die am Sonntagabend mit Wetter- und Verkehrsdurchsagen aufwartet und dem typischen, einfach gestrickten Mitklatsch-Rock aus Gottschalks Jugend, überraschenden Anekdoten und einem sehr witzigen Auftritt des Schauspielers Axel Milberg.

An jedem ersten Sonntag im Monat will Gottschalk fortan seine Fangemeinde unterhalten. Dass die mit ihm älter geworden ist und ihn nun bei Bayern 1 hören will, davon geht Gottschalk einfach aus. Also spielt er Golden Earrings „Back Home“, zitiert im Reformationsjubiläumsjahr Luther („Hier stehe ich und kann nicht anders“) und macht sich über die Lebenserwartung öffentlich-rechtlicher Intendanten lustig. Der einstige ZDF-Intendant von Haase werde hundert, „und seine Nachfolgerin Gislava Möser , die mir einige Sünden verziehen hat, erfreut sich auch bester Gesundheit“, witzelt Gottschalk und leitet zu Ozzy Osbournes „Mama, I’m coming home“ über.

In den weiteren Stunden übt sich Gottschalk vor allem in einem: Durch ständige Negation eines Rechtsfertigungszwangs – „Ich habe es gar nicht nötig, mich länger zu rechtfertigen, für meinen Musikgeschmack, mein Alter undsoweiter“ – tut er genau das. Er rechtfertigt sich, sagt permanent, dass es ihn gar nicht interessiere, wenn jetzt so ein Online-Journalist einer großen Zeitung da draußen zuhöre, oder dass er nicht zeigen muss, dass er auch Ahnung von der aktuellen Musik hat. Tut er dann natürlich doch.

Lieder über den Tod, Witze über die Karriere

Außerdem geht es bei Gottschalk immer wieder ums Sterben. Die Vorlage dazu liefern ihm die im vergangenen Jahr verstorbenen Größen der Pop- und Rockwelt. Lieder über den Tod und: Ich lebe noch! Das ist in seiner Trivialität kaum zu überbieten, für Gottschalk ist es ein wichtiges Thema. Man könnte seine Ausführungen dazu in der Rubrik „Gefallsucht“ einsortieren. Lustig sind die Anekdoten, mit denen Gottschalk diesem Verhaltensmuster gerecht wird. Indem er zum Beispiel von dem „Guns`n`Roses“-Sänger Axl Rose berichtet, der in seiner Nachbarschaft in Malibu viel zu lange die Wand angestarrt habe, weil er seine Karriere zu früh beendete. Aber glücklicherweise sehe man sich ja nun im Juni beim Konzert der Band in München.

Seine Villa in Malibu, erzählt Gottschalk, habe er an Miley Cyrus verkauft. Den Berliner Bären, den ihm einst Klaus Wowereit schenkte, habe er heimlich mit der Schubkarre über die Straße ins neue Heim gerettet, begleitet von der ständigen Angst, Mileys Verlobter, der auch gleich ums Eck wohne, könnte die Aktion beobachtet und ihn verpetzt haben. Musikalisch bekommt Gottschalk nach dieser Überleitung auch die Kurve zu Miley Cyrus und spielt ihre Cover-Version von „Lucy in the Sky with Diamonds“.

Ältere Herren hören Country

Im Alter, erfahren wir dann, hat Gottschalk sein Herz für Country-Musik entdeckt. Sagt er, spielt Johnny Cash und plaudert dahin, einige Freunde hätten ihm geraten, er möge doch bitte so in Würde altern wie Cash. Ob ihm das gelingt? Cash hätte im Radio bestimmt nicht erzählt, dass ihm ein Song von Status Quo 1969 über Liebeskummer hinweggeholfen hat. Gottschalk tut es und berichtet von einem Disput mit seinem Techno hörenden Sohn: Er werde niemals erleben, von einer Band vom 17. bis zum 65. Lebensjahr begleitet zu werden, habe er ihm vorgehalten. Das dürfte das Privileg von Gottschalks Generation sein – bei Pop und Rock gibt es die Gnade der frühen Geburt. Am Ende der Sendung liest Gottschalk die Mail eines Hörers vor, der ihm ankreidet, er habe gar nichts von Slade gespielt. Die Band gehöre doch sonst zu seinem Standardprogramm. Kanon muss sein!

So gehen die Stunden dahin, mit Gottschalks Musik und Gottschalks Anekdoten. Er spielt Leonard Cohen und erinnert sich daran, dass er als Jugendlicher seine Chancen, bei einem Mädchen zu landen, auch nach einem Blick in den Plattenschrank taxierte: „Wenn eine Cohen oder, noch schlimmer, Paolo Conte in ihrer Sammlung hatte, war das ein schwieriger Fall.“ Da atmet man als Hörer tief durch und erinnert sich daran, dass Gottschalk auch bei „Wetten, dass ..?“ im ZDF nicht immer die Pointen-Kurve bekam.

„Auf jedem Misthaufen liegt eine Leiche“

In der letzten Stunde kommt der Schauspieler Axel Milberg zu Besuch, der den meisten Hörern als „Tatort“-Kommissar Borowski präsent sein dürfte. Milberg ist ein Anti-Gottschalk. Er versteht sich die Kunst der Verknappung, auch wenn er von Persönlichem erzählt. Als Kind habe er unter dem Sofa einer Eltern Hörspiele genossen, erfahren wir. Milberg legt „Junimond“ von Rio Reiser auf und ringt Gottschalk das Versprechen ab, künftig zwei deutschsprachige Titel in seiner Sendung zu spielen. Um den „Tatort“ und die Krimiflut im deutschen Fernsehen geht es selbstverständlich auch. „In jeder oberfränkischen Kleinstadt gibt es ein eigenes Krimi-Team, und auf jedem Misthaufen liegt eine Leiche“, sagt Gottschalk. „Ja, ja unser Dorf soll schöner werden,“ fällt dem Fernsehkommissar dazu ein.

Milberg darf oder muss dann noch die Wettervorhersage lesen, wünscht sich einen Song von Queen, outet sich als Klassik hörender Popfan, der King Crimson, Emerson Lake & Palmer und The Raven von Alan Parsons Project mag, und plädiert für einen intensiven Umgang mit Songtexten. Das würde er gerne ausgerechnet am Beispiel von Frank Zappas „Bobby Brown“ exerzieren und erläutern, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk schon etwas aus dem Rahmen fällt. Milberg zitiert einige der besonders expliziten Stellen. Gottschalk hält sich währenddessen zu Gute, dass er früher das Lied jahrelang unbeanstandet im BR gespielt habe, bis – eines Tages Frank Zappa zu ihm ins Studio kam und die deutsche Version mitbrachte.

Das würde Gottschalk heute wahrscheinlich kein Programmdirektor mehr ankreiden, sondern hören und sehen, dass Gottschalk bleibt, wie er ist und tut, was er kann: drei Stunden kurzweiliges Programm, mit dem er es wieder einmal nicht allen Recht gemacht haben wird. Doch das darf ihm auch herzlich egal sein. Da steht er drüber. Oder wahrscheinlich doch nicht. Denn gefallen will er dem Publikum schon. Sonst hätte er ja auch seinen Beruf verfehlt. Am Morgen danach berichtet der Bayerische Rundfunk von begeisterten Hörerreaktionen.



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