Wie Kekse beim Abnehmen helfen können

  25 September 2016    Gelesen: 1005
Wie Kekse beim Abnehmen helfen können
Die Runde Joggen am Morgen kann genauso automatisiert werden wie der Griff in die Kekspackung. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Es kann lange dauern.
Der Weg zum Traumkörper führt über einen Teller Kekse, davon ist der Berliner Hausarzt Carsten Lekutat überzeugt. Er will die Menschen dazu bringen, gesünder und glücklicher zu leben – und er ist nicht der Einzige, der zuletzt Strategien entwickelt hat, mit denen es klappen könnte.

Wir alle wären gerne besser: disziplinierter, fitter, konzentrierter, fokussierter. Was uns daran hindert, nennen wir Schweinehund – und der ist ja auch manchmal ganz nützlich, um zwischendurch auszuruhen. Aber wie den Hund dann loswerden, wenn wir ihn gerade gar nicht brauchen können? Um die Frage haben sich die Professorin Sonia Lippke und ihr Team von der Jacobs-University Bremen gekümmert und in diesem Jahr eine Studie dazu veröffentlicht.

Die Forscher wollten herausfinden, inwieweit ein individualisiertes Computerprogramm die Teilnehmer dabei unterstützen kann, täglich fünf Portionen Obst und Gemüse zu essen und fünfmal pro Woche für mindestens 30 Minuten körperlich aktiv zu werden. Für Letzteres genügten Alltagsaktivitäten wie das zügige Gehen zum Bus. Die Teilnehmer waren ehemalige Reha-Patienten, die, so sollte man meinen, nach einem einschneidenden Erlebnis wie einem Herzinfarkt besonders motiviert sind, etwas für ihre Gesundheit zu tun.

Trotzdem waren von den anfangs 790 Teilnehmern nach drei Monaten nur noch 121 übrig. Der Rest ist ausgestiegen. Warum? Lippke vermutet, dass viele Teilnehmer nicht erfolgreich waren und deshalb aufgehört haben. Vor allem wenn die Reha schon eine Weile zurückliegt, ist die Motivation oft nicht mehr so hoch, so die Erfahrung der Wissenschaftlerin: „Viele sind doch eher gemütlich und wollen sich nicht wirklich verändern“, sagt sie.

Lekutat meint, er habe seine gute Figur einem Keksteller zu verdanken
Auch Hausarzt Lekutat hat sich, wider besseren Wissen, jahrelang keine Zeit für Sport genommen, dazu kamen eineinhalb Liter Softdrinks am Tag – und irgendwann ein Gewicht von 89 Kilo bei einer Größe von 1,73 Metern. In seinem Buch „Meine besten Hausarzt-Tipps“ gibt es ein Foto, das ihn mit deutlich sichtbaren Rundungen zeigt. Unter dem Bild steht: „Finden Sie nicht auch, dass mich die Brille etwas dick gemacht hat? Ja, sprechen Sie es ruhig aus: Dr. Lekutat war fett!“

Fett? Die Zuschauer der MDR-Ratgebersendung „Hauptsache Gesund“, die er seit 2015 moderiert, wundern sich jetzt wahrscheinlich. Sie kennen den Fernseharzt als schlank und sportlich. Tatsächlich hat er in eineinhalb Jahren 23 Kilo abgenommen. Statt Softdrinks gibt es Wasser, er joggt regelmäßig von seiner zehn Kilometer entfernten Praxis nach Hause. Dass er das geschafft hat, das hat er dem Keksteller zu verdanken.

Das Leben als Arzt: „Die Gefahr ist groß, dass dieser Beruf einsam macht“
Und weil der Hausarzt möchte, dass es auch andere schaffen, tourt er demnächst durch Deutschland und erzählt in seiner Bühnenshow, wie er das gemacht hat. Oberlehrerhafte Ratschläge oder unverständliches Fachchinesisch muss dabei keiner fürchten. Lekutat verpackt das Ganze als Comedy, „Meditainment“, medizinische Unterhaltung, nennt er das. Am Telefon sagt er: „Etwas für die Gesundheit zu tun ist erst einmal nicht schön. Oftmals bedeutet es, dass wir uns beim Sport anstrengen müssen oder beim Essen auf etwas verzichten.“ Und dann gibt es da auch noch ein Phänomen, das uns die Umstellung zusätzlich erschwert: die Erschöpfung des Gehirns, in der Wissenschaft früher als „maskuline Wochenendstarre“ bezeichnet.

Unser Autopilot muss richtig programmiert werden
Damit wurden Männer beschrieben, die nach einer harten Arbeitswoche am Wochenende nicht mal mehr entscheiden konnten, ob sie lieber Kartoffelbrei oder Pommes essen wollten. Der Mediziner erklärt: Ist die Region im Gehirn, die für Entscheidungen zuständig ist, total erschöpft, schalten wir auf Autopilot. Wir machen entweder das, was wir immer gemacht haben – fettige Pommes essen, obwohl wir eigentlich abnehmen wollten –, oder das, was uns in dem Moment am wenigsten weh tut – auf der Couch liegen statt joggen.

Doch auch dem Autopiloten sind wir nicht hilflos ausgeliefert. Wir müssen ihn nur richtig programmieren. Wenn wir etwas immer wieder tun, wird es irgendwann vom Gehirn übernommen, und wir tun es, ohne nachzudenken, sozusagen automatisch. Das gilt nicht nur für den Griff zur Chipstüte beim Fernsehen, sondern auch für die halbe Stunde Laufen am Morgen. Allerdings braucht man dafür einen langen Atem: „Früher glaubte man, dass man ein neues Verhalten in wenigen Tagen oder Wochen eintrainieren kann. Heute wissen wir, dass es mehrere Monate dauert, zum Teil sogar mehrere Jahre“, sagt Lekutat. Um überhaupt so lange durchzuhalten, ist es entscheidend, dass die neuen Gewohnheiten nicht zu sehr weh tun.

Statt seine Patienten ins Fitnessstudio zu schicken, rät Lekutat ihnen, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren und sich zu steigern, indem sie die Strecke verlängern oder beim Zurückfahren auch mal schneller treten. „Es geht um kleine, machbare Schritte, die wir so lange durchführen, bis das Gehirn auf Autopilot schaltet“, erklärt Lekutat. Für solche Veränderungen braucht es Willenskraft.

Mit dem Keksteller die Entscheidung, „nein“ zu sagen, trainieren
Und hier kommen, endlich, die Kekse ins Spiel, die bei Lekutat den Ausschlag gegeben haben. Den Trick hat ihm ein Patient verraten, und er geht so: Man stellt einen Teller mit Keksen an einen Platz, an dem man mehrmals am Tag vorbeigeht. Ziel ist es, keinen davon zu essen. Dabei treffen wir jedes Mal bewusst eine Entscheidung, nämlich zu dieser Versuchung „nein“ zu sagen. Der Keksteller trainiert und stärkt die Willenskraft und den eigenen Glauben daran. Dieser Glaube an die eigene Kraft lässt sich ein Leben lang verändern. Wir stärken ihn durch die Erfahrung, etwas geschafft zu haben – nämlich dem Teller Kekse zu widerstehen.

Bei den Gesundheitspsychologen der Jacobs-University in Bremen gibt es keinen Keksteller. Stattdessen werden die Teilnehmer an ihre bisherigen Erfolge erinnert, und es werden ihnen Vorbilder gezeigt, die ihr Leben erfolgreich geändert haben. Die Gesundheitspsychologen wissen, dass neben dem Glauben an die eigene Kraft auch Planung wichtig ist, um Gewohnheiten dauerhaft zu verändern. Welche sportlichen Aktivitäten will ich machen? Was mache ich in schwierigen Situationen, um bei meinem Ziel zu bleiben? Solche Punkte sollten vorher durchdacht werden.

Egal, ob man sich vornimmt, gesünder zu leben oder eine unangenehme Aufgabe wie die Steuererklärung zu erledigen – in beiden Fällen gilt: „Wenn ich nicht direkt negative Konsequenzen fürchten muss, wird es mir schwerfallen, mich richtig zu verhalten“, sagt Stephan Förster, Psychologischer Psychotherapeut an der Prokrastinationsambulanz der Uni Münster. Die Aufschieberitis ist weitverbreitet, nur zwei Prozent der Befragten gaben in einer Untersuchung der Uni Münster an, niemals etwas aufzuschieben. Das Problem dabei: Vermeiden wir unangenehme Aufgaben regelmäßig, verfestigt sich dieses Verhalten, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir die nächsten Male ähnlich reagieren. Der Autopilot übernimmt.

Aufschieberitis kann krankhaft werden
Der Fachbegriff für das Aufschieben heißt Prokrastination, vom lateinischen procrastinare (vertagen, auf morgen verschieben). Obwohl wir eigentlich die Zeit hätten, etwas zu erledigen, schieben wir es wiederholt und unnötig auf. Oft entwickeln wir einen richtigen Widerwillen gegen diese Aufgaben. In den sozialen Medien kursiert ein Witz dazu: Ein Plakat mit der Aufschrift: „Procrastinators unite!“ Ein Stück darunter steht: „... Tomorrow“.

Für die Betroffenen ist es dagegen oft wenig lustig, vor allem wenn das Aufschieben krankhaft wird: Sie fühlen sich hilflos, überfordert und leiden zum Beispiel an Verspannungen und Schlafstörungen. Ob eine Behandlung nötig ist, zeigt ein kostenloser Selbsttest, den die Prokrastinationsambulanz auf ihrer Website anbietet. Es ist kein Zufall, dass sich das Angebot der Münsteraner Prokrastinationsambulanz – Beratung und Therapie für chronische Aufschieber – vorwiegend an Studierende richtet: Nach ihrer Erfahrung leidet etwa jeder zehnte Studierende an einer behandlungsbedürftigen Prokrastination.

Doch nicht nur Studierende sind gefährdet, sondern alle, die ihre Arbeitszeit weitestgehend frei einteilen können und bei denen das Aufschieben zunächst keine negativen Konsequenzen hat, zum Beispiel auch Lehrer oder Freiberufler wie Journalisten und Juristen. Ganz anders ist es bei Menschen, die am Fließband arbeiten: Würden sie ihre Arbeit nicht sofort erledigen, würde die ganze Produktion ins Stocken geraten. Die negative Konsequenz wäre sofort spürbar.

Computer ist häufig eine besonders starke Ablenkung von Aufgaben
Auch soziale Medien wie Facebook sind ein Thema: „Prokrastination ist ein aktiver Prozess, bei der man sich eine andere Beschäftigung sucht. Für alle, die ihren Computer zur Arbeit benötigen, ist es eine besondere Herausforderung, sich vor Ablenkungen wie sozialen Medien abzuschirmen“, sagt Förster. Helfen kann zum Beispiel eines der zahlreichen Programme oder eine App zur Selbstkontrolle, die selbstgewählte Websites für eine bestimmte Zeit sperrt. Dann kann man erst wieder auf seinen Lieblingsseiten surfen, wenn die Zeit abgelaufen ist.

Oft wirkt auch sozialer Druck gegen die Aufschieberitis. Studierenden, die normalerweise allein vor ihrer Hausarbeit sitzen, empfiehlt Förster, sich in kleinen Gruppen zusammenzuschließen, in der jeder wöchentlich von den Fortschritten seiner Arbeit berichtet. Hilfreich ist es auch, die Arbeit in kleine Schritte aufzuteilen, diese konkret zu planen und sich hinterher selbst zu belohnen. Man legt zum Beispiel eine Arbeitseinheit von 9 bis 11 Uhr fest und überlegt sich, was man bis dahin erreicht haben möchte. Und zwar so konkret wie möglich: Statt einem schwammigen „mal über den Aufsatz drübergucken“, könnte das Ziel lauten: „Den Aufsatz lesen, das Ergebnis zusammenfassen, Schlagwörter festlegen und offene Fragen notieren.“ Als Belohnung gibt es einen Kaffee oder einen Anruf bei der besten Freundin.

Wem der Einstieg trotzdem schwerfällt, dem hilft vielleicht ein Ritual. Ziel des Rituals ist es, sich auf das Arbeiten einzustimmen und damit die Schwelle zum Einstieg zu verringern. Man kann zum Beispiel das Arbeitszimmer lüften, einmal um den Block gehen oder das Lieblingslied hören. „Ein Student hat sich immer ,Eye of the Tiger‘ angehört, bevor er mit der Arbeit begonnen hat. Für ihn war das das Zeichen: ,Jetzt geht es los!‘“, sagt Förster.

Manchen hilft es auch, sich vorzunehmen, nur zwei Minuten an der Aufgabe zu arbeiten. Zwei Minuten sind keine Hürde, und wenn wir erst einmal angefangen haben, machen wir in der Regel auch weiter. Der Trick funktioniert übrigens auch beim Joggen: Wer so gar keine Lust auf Laufen hat, nimmt sich zumindest zehn Minuten vor. Meist werden es dann ganz von selbst 30 Minuten und mehr. Um die empfohlenen zweieinhalb Stunden Bewegung pro Woche zu schaffen, hält man sich am besten an den Tipp von Hausarzt Lekutat und steckt montagmorgens 15 Zehn-Cent-Stücke in die rechte Hosentasche. Jede Münze steht für zehn Minuten Bewegung, bei der wir außer Atem kommen. Nach jeder Übungseinheit wandert eine Münze von der rechten in die linke Hosentasche – zwei Münzen pro Tag müssen es mindestens sein.


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