Nato-Treffen zu Russland und Syrien

  09 Oktober 2015    Gelesen: 750
Nato-Treffen zu Russland und Syrien
Die Nato findet keine Antwort auf Russlands Großmachtgehabe. Zu erratisch verhält sich der Kreml in Syrien, zu uneins ist der Westen. Nun soll die Stärke der Eingreiftruppe verdoppelt werden. Ein Symbol, mehr nicht.
Was will Wladimir Putin? Das war die Preisfrage beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Sicher scheint nur eines: Russlands Präsident will sein Land als Großmacht positionieren - und das gelingt ihm derzeit vorzüglich. Erst die Annexion der Krim, dann der Krieg in der Ostukraine, jetzt die massive Intervention in Syrien. Putin agiert, die Nato reagiert.

Das sieht dann so aus: Um seine osteuropäischen Mitgliedstaaten zu stärken, stockt das Verteidigungsbündnis seine Eingreiftruppe, die "Nato Response Force" (NRF), auf 40.000 Soldaten auf - "doppelt so viele wie bisher", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag in Brüssel. Ein Teil der NRF soll die sogenannte Speerspitze sein, die als Reaktion auf die Ukrainekrise entstand.

Die rund 5000 Mann starke Truppe soll binnen 48 Stunden mobilisiert werden können und ist inzwischen einsatzbereit. Deutschland werde 2019 die Führung der Speerspitze übernehmen, kündigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Brüssel an. Die Bundeswehr soll nach bisherigen Plänen bis zu 2700 Soldaten stellen.

Zusätzlich werden mehrere Hundert Soldaten zu Ausbildungszwecken in Polen, Lettland, Litauen und Estland stationiert. Neben den USA ist auch hier die Bundeswehr beteiligt - mit derzeit 150 Soldaten in Lettland und 200 in Polen. Sie werden sich nach dem Rotationsprinzip mit Soldaten anderer Länder abwechseln. Großbritannien kündigte an, demnächst ebenfalls Soldaten zu schicken. Auch die Niederlande sollen bereit sein.

Carter: Russland "erratisch, selbstzerstörerisch, unprofessionell"

Doch neben diesen eher symbolischen Schritten tut sich die Nato äußerst schwer, eine strategische Antwort auf Russlands Verhalten zu finden. Zur Frustration der westlichen Strategen ist im Kreml-Kurs keinerlei Muster zu erkennen. Moskau agiere "erratisch und selbstzerstörerisch", sagte US-Verteidigungsminister Ashton Carter am Donnerstag in Brüssel. Den Ukrainekonflikt etwa scheint Moskau "vor 14 Tagen abgestellt zu haben", so ein westlicher Diplomat. Das zeige zwar eindrucksvoll, wie gut Putin den Konflikt beherrschen könne. Was aber seine Absichten sind, wird dadurch nicht klarer.

Ähnlich verwirrend ist die Lage in Syrien. Russland kündigte an, dort den "Islamischen Staat" (IS) zu bekämpfen, bombardiert nun aber offenbar vor allem die syrische Opposition. "Wenn am Ende nur noch Machthaber Baschar al-Assad und der IS übrig sind, was dann?", sagt ein Nato-Beamter. "Das ergibt keinen Sinn, wenn Russland in der Region eine politische Rolle spielen will. Wir verstehen es einfach nicht."

Am Mittwoch hat die russische Marine Marschflugkörper auf Ziele in Syrien abgefeuert - vom Kaspischen Meer aus, aus einer Entfernung von fast 1500 Kilometern. Allerdings geschah dies laut Pentagon-Chef Carter ohne Warnung an die USA. Dies gehöre ebenso wie die Verletzung des türkischen Luftraums zum "zunehmend unprofessionellen Verhalten" der russischen Streitkräfte. Militärisch ist der Beschuss von Rebellen mit Marschflugkörpern ähnlich ungewöhnlich wie die Stationierung von Flugabwehr-Batterien in Syrien. Dort besitzen weder die Opposition noch der "Islamische Staat" Flugzeuge. "Politische Muskelspiele" seien noch die beste Erklärung, findet ein westlicher Beobachter.
Warme Worte für Türkei, aber Abzug der "Patriot"-Raketen

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Die Nato reagiert auf ihre Weise: Stoltenberg deutete in Brüssel an, dass man die schnelle Eingreiftruppe NRF notfalls auch in den Süden - also in die Türkei - schicken könnte. Zugleich aber erklärte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dass die deutsche Entscheidung zum Abzug der "Patriot"-Flugabwehrraketen aus der Türkei unumstößlich sei. Schon am 15. Oktober sollen die Systeme abgeschaltet werden; die meisten Soldaten sollen bis Weihnachten wieder in Deutschland sein. Auch die USA haben ihre "Patriots" bereits deaktiviert. Nur die Spanier haben noch eine Batterie in der Türkei. Ankara sieht das gar nicht gern: Der türkische Nato-Botschafter soll beim Ministertreffen erfolglos auf eine Verlängerung der Mission gedrängt haben.
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Damit beschränkt sich die Antwort der Nato auf die Syrienkrise derzeit weitgehend auf die Ankündigung, die schnelle Eingreiftruppe auch gen Süden entsenden zu können. Das aber ist noch keine Strategie - und eine solche scheint die Nato für ihre Südflanke derzeit auch nicht zu haben. "Nirgendwo ist eine Idee erkennbar, wie wir aus der Krise herauskommen", sagte ein Mitarbeiter der Nato.

Auch US-Verteidigungsminister Carter wurde in Brüssel nach der Südflanken-Strategie gefragt. Seine Antwort kommt einem Offenbarungseid gleich: "Wir haben die Zusammenarbeit zwischen Nato und EU diskutiert." Die "fundamentale Strategie" der Nato sei es, die Anstrengungen der EU in der Flüchtlingskrise zu unterstützen. Nun ist die Europäische Union bekanntlich eine rein zivile Organisation. Es gebe aber "militärische Instrumente", welche die Mission der EU im Mittelmeerraum ergänzen könnten, sagte Carter. "Wir diskutieren noch darüber, wie genau wir das machen sollen."

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