Der letzte Zocker-Banker steht vor Gericht

  20 März 2017    Gelesen: 430
Der letzte Zocker-Banker steht vor Gericht
Fast zehn Jahre sind seit der Finanzkrise vergangen. Kaum ein Banker musste sich für Exzesse und Milliardenpleiten verantworten. Nun steht der Ex-Chef der Skandalbank HRE vor Gericht. Auch er hat kaum etwas zu befürchten.
Den meisten Deutschen dürfte der Name des Mannes, der sich ab Montag vor der Wirtschaftsstrafkammer des Münchner Landgerichts verantworten muss, kaum noch ein Begriff sein. Georg Funke war bis Oktober 2008 Chef der Hypo Real Estate (HRE) und damit einer der erfolgreichsten deutschen Banker. Das Münchner Geldhaus war damals Dax-Konzern, einer der größten Immobilienfinanzierer Europas. Solide Geschäfte eigentlich. Doch dann, im Strudel der Lehman-Panik im Herbst 2008, entpuppte sich die HRE als Pleitebank. Der Staat musste sie mit über 100 Milliarden Euro retten. Und Funke wurde zum Prügelknaben für den großen Crash.

Gleich nach dem Zusammenbruch kamen Zweifel auf, ob Funke und der HRE-Vorstand von der Schieflage der HRE viel früher gewusst haben, als sie öffentlich zugaben. Nach jahrelangen Ermittlungen macht die Justiz Funke und seinem ehemaligen Finanzchef Markus Fell nun den Prozess: Sie hätten die Lage der HRE 2007 und 2008 in Geschäftsberichten beschönigt, werfen die Staatsanwälte den einstigen Top-Bankern vor. Fell wird zusätzlich der Marktmanipulation beschuldigt, weil er Investoren bei einem Vortrag in Sicherheit gewogen haben soll - einen Tag, bevor der Staat die HRE mit Milliarden rettete.

Der Prozess katapultiert die Öffentlichkeit zurück in die Epoche der Bankenrettung, die sie längst vergessen hat, obwohl sie bis heute die Zeche dafür zahlt. Zumindest juristisch wird nun endlich das dunkelste Kapitel der Finanzkrise aufgearbeitet: der Zusammenbruch der HRE.

Millionengehalt für Milliardenpleite

Über acht Jahre haben die Staatsanwälte gegen Funke ermittelt, der in der Zeit als Immobilienmakler auf Mallorca abgetaucht war. Für die deutsche Öffentlichkeit ist der Ex-HRE-Chef bis heute das Gesicht der Finanzkrise. Er verkörpert die Gier und Arroganz, die die Finanzbranche in den Ruin trieb und die Welt an den Rand des Abgrunds brachte. Nach der Milliardenpleite ging er nicht etwa freiwillig bei der HRE. Die Bundesregierung musste ihn feuern. Dann verklagte Funke die Bank, die er vor die Wand gefahren hatte, auf eine Millionenabfindung. Und eine monatliche Rente von 47.000 Euro.

Bis heute sieht Funke sich als Opfer. "Ich werde als schlimmster Gier-Banker, Zocker und Pleitier beschimpft", klagte er 2012 der "Bild"-Zeitung. Nach jahrelangem Schweigen will er nun seinen Ruf zurück. Mit einem 192-seitigen Manifest und Powerpoint-Folien will er laut "Spiegel" seine Sicht der Ereignisse erzählen: Nicht er, sondern Deusche-Bank-Chef Josef Ackermann und Finanzminister Peer Steinbrück hätten seine Bank zerstört, behauptet er laut "Spiegel" in seiner Streitschrift. An der HRE sei ein Exempel statuiert worden, um von den Problemen anderer Banken abzulenken.

Strafbar war Funkes Versagen wohl nicht

Dabei waren die Krisensignale auch bei der HRE nicht zu übersehen. Als in den USA schon längst die Häuserkrise tobte, übernahm Funke Mitte 2007 noch für viel Geld die irische Depfa-Bank. Die investierte mit kurzfristig geliehenem Geld in langlaufende US-Immobilienpapiere. In Dublin, fernab der Kontrolle der deutschen Bankenaufsicht, türmten sich immer größere Risiken auf.

Doch Funke beharrte darauf, dass die US-Pleiten die HRE nicht belasteten. Anfang 2008 gab er dann plötzlich doch Millionenverluste und eine Gewinnwarnung bekannt. Als die Depfa im Herbst nach der Lehman-Pleite an den Märkten kein Geld mehr bekam, zog sie die HRE vollends mit in den Abgrund. Weil eine Pleite eine Kettenreaktion im deutschen Finanzsystem ausgelöst hätte, schnürten der Staat und ein Bankenkonsortium ein Rettungspaket.

Mehr als neun Milliarden Euro hat der Steuerzahler bislang dabei verloren. Wie groß der Verlust am Ende ausfällt, wird erst in vielen Jahren feststehen, wenn die letzten Altlasten entsorgt sind. Klar ist dagegen schon jetzt: Trotz des gigantischen Schadens für die Allgemeinheit wird man Funke wie schon die Chefs der HSH Nordbank, IKB, BayernLB und SachsenLB für den Bankrott wohl nicht zur Verantwortung ziehen können. Denn im Strafrecht für Manager klafft eine Gerechtigkeitslücke: Halsbrecherisches Risikomanagement ist zwar verwerflich, aber nicht strafbar.

Funke hat zwar als Manager total versagt: Erst kaufte er die Depfa viel zu teuer, dann ließ er zu, dass sie sich bis zur Halskrause für Investments in hochriskante US-Hypothekenanleihen verschuldete, deren kurzfristige Finanzierung jederzeit platzen konnte. Doch für schlechtes Management muss in Deutschland niemand ins Gefängnis. Strafbar wäre nur, wenn Funke die HRE vorsätzlich geschädigt hätte. Doch ihm nachzuweisen, dass er bewusst unvertretbare Risiken einging, ist so gut wie unmöglich.

Kommt auch der letzte Zocker-Banker davon?

Die meisten Vorwürfe wie Insiderhandel und Untreue haben die Ermittler deshalb schon vor der Anklageerhebung gegen Funke fallengelassen. Stattdessen versuchen sie nun, ihn für die Täuschung der HRE-Anleger dranzukriegen. Laut "Spiegel" belastet ein früherer Buchprüfer Funke schwer: Er und seine Kollegen hätten die HRE-Chefetage frühzeitig vor einer drohenden Liquiditätsklemme gewarnt. Doch die habe im Zwischenbericht 2008 trotzdem erklärt, die HRE sei auch im Worst-Case-Szenario jederzeit zahlungsfähig. Die Aussage sei den Wirtschaftsprüfern von der HRE-Spitze untergeschoben worden. Funkes Anwalt bestreitet das.

Der Prozess gegen Funke ist der Schlussstrich unter die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise. Er wird ein letztes Signal an die Öffentlichkeit senden. Schlimmstenfalls drohen Funke und seinem Finanzchef Fell mehrere Jahre Haft. Doch eine Gefängnisstrafe wäre eine Sensation. Zu viele andere Topbanker sind mit ihrer wilden Zockerei bereits ungestraft davon gekommen.

Auch Funkes ehemalige HRE-Vorstandskollegen hat die Justiz vom Haken gelassen. Gegen Geldauflagen von 30.000 bis 80.000 Euro wurden die Verfahren eingestellt. Schließlich ginge es nur um Verstöße gegen Rechnungslegungspflichten, begründete das Gericht den Ablass. Und schließlich lägen die Taten ja auch schon fast neun Jahre zurück.

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