Nicht ganz simpel

  22 April 2017    Gelesen: 545
Nicht ganz simpel
Dieses Buch wird die Gemeinde der Hobbyköche spalten. "Simple" ist nicht so easy, wie der Titel vermuten lässt. Doch wie Diana Henry gewöhnliche Bausteine von Gerichten mit ausgefallenen Zutaten aufpeppt, ist einfach nachahmenswert.
Im Vergleich zur italienischen oder französischen Küche (oder auch asiatischen Gerichten) hat es die britische Küche hierzulande nicht einfach, akzeptiert zu werden. Dabei ist sie längst besser als ihr Ruf. Das warme Frühstück, der Sonntagsbraten und der Afternoon Tea sind natürlich fest verwurzelt, doch Einflüsse aus Fernost, Nordamerika und dem kontinentalen Europa sorgen für erstaunlich frischen Wind auf britischen Tellern. Diana Henry, in Nordirland aufgewachsen und inzwischen eine der beliebtesten britischen Food-Autorinnen, lässt uns daran teilhaben. In "Simple" gibt sie viele praktische Tipps und verrät etliche Tricks, wie selbst ungeübte Köche ohne viel Aufhebens zu grandiosen Ergebnissen kommen. Ich möchte nicht so weit gehen und behaupten, es ginge um "müheloses Kochen", denn was Mühe ist, dürfte individuell sehr unterschiedlich sein.

Diana Henrys neuestes Kochbuch wird vermutlich die Gemeinde der Hobbyköche spalten, zumindest in Deutschland. Jene, die in "Simple" eine Art Küchen-Einmaleins suchen, werden enttäuscht sein; dafür gibt es jede Menge Standardwerke mit Gerichten, die vom Opa bis zum Kleinkind alle glücklich machen. Aber für alle anderen, und ich denke, das werden die meisten sein, ist dieses Kochbuch der britischen Autorin eine wunderbare Fundgrube für außergewöhnliche Gerichte, deren Aufwand sich tatsächlich in Grenzen hält – und die so "simple" sind, dass sie jeder nachkochen kann. Ein wenig Eigeninitiative vorausgesetzt...

Die deutsche Ausgabe von "Simple" ist bei ars vivendi erschienen. Das Hardcover-Buch hat 336 Seiten und kostet 29,90 Euro. Der Einband und vor allem die puristischen Fotos von Laura Edwards unterstreichen das Anliegen von Diana Henry: Gerichte ohne viel Brimborium, aber keinesfalls anspruchslos. Nicht alle Rezepte sind bebildert, dafür hat das Buch aber Platz für mehr Rezepte – insgesamt eine überwältigende Fülle! Zwei Register, einmal nach Rezepten und einmal nach Zutaten geordnet, erleichtern die Suche. Wer gerne exotisch kocht, aber vor den teils komplizierten und/oder zeitaufwändigen Zubereitungen in vielen Kochbüchern zurückschreckt, wird bei den überschaubaren Anleitungen von Diana Henry fündig. Nicht alle Zutaten gibt’s im Laden an der Ecke, die meisten aber schon. Selbst hier in Berlin mit relativ vielen asiatischen, arabischen und türkischen Geschäften bekomme ich nicht immer das, was ich gerade brauche. Inzwischen gibt es aber schon viele gute und seriöse Internet-"Läden", die mir alles Mögliche liefern.

Inspirierende Ideen aus der (fast) ganzen Welt

Zum Teil gibt die Autorin Alternativen für ihre exotischen Zutaten an. So schlägt sie vor, für Pul Biber Cayennepfeffer zu nehmen oder statt Palmzucker hellen Vollrohrzucker, beides dürfte sich längst auch in deutschen Küchenschränken befinden. Andererseits fehlen oft Hinweise auf einen möglichen Ersatz. Dass Cavolo nero eine Palmkohl-Sorte ist, verrät Diana Henry, aber nicht, was man stattdessen nehmen könnte, falls sich diese hocharomatische Spezialität aus Italien hier nicht auftreiben lässt - nämlich Grünkohl. Wer nicht weiß, was eine Charentais-Melone ist, muss sich ebenfalls selber schlau machen und wird erkennen, dass sich vermutlich genauso gut Cantaloupe verwenden lässt - und die gibt’s in jedem gut sortierten Supermarkt. Auch der hierzulande als Gewürz fast unbekannte Sumach macht wahrscheinlich ratlos, dabei ist er doch in (fast) aller Munde, denn würzt er vortrefflich das "deutsche Nationalgericht", den Döner. Granatapfelmelasse ist ganz einfach Granatapfelsirup, der genau wie Sumach aus der türkischen Küche nicht wegzudenken ist und den es daher in türkischen Läden auch hierzulande zu kaufen gibt. Was sagt mir die Information, dass Diana Henry für ihren Espressokuchen "Kaffee-Extrakt von Nielsen-Massey" verwendet und dass ich stattdessen "auch Camp Coffee nehmen“ kann? Da aber der in jedem deutschen Ladenregal herumstehende gefriergetrocknete lösliche Kaffee ebenfalls Extrakt ist, ließe sich doch der mit einem Löffel Wasser verrühren und verwenden – oder? Da muss man dann selbst draufkommen. Es gibt im Buch zwar einen Einkaufsleitfaden, aber der ist nun wirklich "too simple"; ein bisschen weniger Einfachheit wäre von deutschen Lesern sicherlich dankbar angenommen worden. Natürlich ist es nicht Aufgabe eines Kochbuchs zu erklären, wo ich die entsprechenden Lebensmittel finde. Aber eine Auflistung der exotischen Zutaten mit entsprechenden Alternativen wäre für unsereins sehr hilfreich gewesen. Das Buch setzt also eine Menge Eigeninitiative voraus, das passt vermutlich nicht jedem Hobbykoch. Dennoch wäre es schade, sich davon abschrecken zu lassen, denn die Rezepte sind einfach köstlich! Es lohnt, sich darauf einzulassen.

Wer mit mehr als nur mit Salz und Pfeffer würzen will, wer das Spiel mit Aromen liebt und offen ist für Überraschendes und Ungewöhnliches, der wird mit Hilfe von Diana Henry neugierig und mutig ans Werk gehen. Im Großen und Ganzen finden sich zwei Arten von Gerichten in "Simple". Die meisten sind Alltagsgerichte, manche machen ein wenig mehr Arbeit und sind fürs Wochenende oder für Gäste gedacht. Doch auch bei den etwas umfangreicheren Gerichten hält sich der Aufwand in Grenzen. So ist naturgemäß die Zubereitung eines Lammbratens anspruchsvoller als ein Würstchen zu braten, und dennoch: Die meiste Zeit beansprucht zum Beispiel das "Langsam gegarte Lamm mit Granatapfel und Honig" nicht in der Vorbereitung, sondern zum Garwerden im Ofen – Zeit fürs Personal, die Beine hochzulegen. Und wem das doch zu lange dauert, der kann sich ja für "Gebratene Lammfilets mit Mandelsauce" eine Seite weiter entscheiden, die brauchen nur Minuten. Die Rezepte reichen von Eierspeisen und Salaten über Hauptgerichte mit Hülsenfrüchten, Pasta, Gemüse, Fisch und Fleisch bis zu Desserts und Süßspeisen; insgesamt sind es 12 Kapitel. Und natürlich very British – ein Kapitel ist allein dem Toast gewidmet, dem Seelenfutter einer ganzen Nation. Die Namen der Gerichte lassen meistens nicht vermuten, dass man dafür nicht den halben Tag in der Küche stehen muss, aber der Koch/die Köchin kann gut damit punkten (und angeben). Da sind die Eier persisch inspiriert und kommen mit Datteln und Chili auf den Tisch; Gurke und Radieschen werden mit Kirschen und Rosenblütenblättern aufgehübscht; Brioche wird mit beschwipsten Pilzen getostet. Hähnchen werden plattgedrückt und in wunderbaren Marinaden zu wahren Aromadepots verwandelt; Fische werden mit Walnüssen und Granatapfelkernen gefüllt; in den Zitronenkuchen kommen Lavendelblüten und Birnen werden in Sherry gebacken.

Diana Henry hat sich von Köchen und Gerichten aus vielen Ländern inspirieren lassen; es finden sich in "Simple" Rezepte aus Italien und Frankreich, Indien und Bali, Spanien und Portugal, Marokko und Korea, der Türkei und den USA. Vermutlich habe ich noch einige Länder vergessen. Zwischen all diesen Koch- und Backanleitungen gibt es ein paar extra Seiten mit Gedanken zu Lebensmitteln wie Eier, Kartoffeln, Pasta, Fleisch und Wurst oder mit Tipps zu Menüplanung, feinen Beilagen, Vorspeisen ohne Stress und mühelosen Desserts, wobei sich auch dort Mini-Rezepte finden, mit denen sich im Handumdrehen Überraschendes zaubern lässt. "Meist mangelt es bloß an Ideen", schreibt Diana Henry. "Diese möchte ich in 'Simple' geben. Sie müssen kein Chefkoch sein. Ich bin es auch nicht. Es braucht nur ein wenig Inspiration, die gewöhnlichen Bausteine der Gerichte in etwas Besonderes zu verwandeln."

Orangen-Oregano-Brathähnchen & Olivengremolata von Diana Henry

Zubereitung:

Die Hähnchenschenkel von losen Hautfetzen befreien. Die Unterseiten mit einem scharfen Messer mehrfach anstechen. Die Schenkel in einem flachen Gefäß mit den Händen mit Oregano, Knoblauch, Orangensaft, 4 EL vom Öl und Pfeffer mischen. Gekühlt abgedeckt einige Stunden (besser noch über Nacht) marinieren.

Für die Gremolata Oliven, Knoblauch, Chili, Zesten und Oregano auf einem Brett fein hacken. Mit den restlichen Zutaten in einer Schüssel mischen und ziehen lassen.

Den Backofen auf 190 °C vorheizen. Überschüssige Marinade vom Hähnchen schütteln. In einer großen, feuerfesten Pfanne, in der die Keulen in einer Lage Platz finden, 1 ½ EL Öl erhitzen. Die Schenkel portionsweise darin rundum anbräunen. Mit der Hautseite nach oben in die Form schichten. Mit Meersalzflocken bestreut 20 Minuten im Ofen braten.

Anschließend einige Orangenscheiben unter die Schenkel legen, den Rest darauf. Bratensaft über die Scheiben löffeln und etwas Zucker darüberstreuen. Weitere 20 Minuten braten, bis Hähnchen und Orangen gar sind. In der Pfanne mit Gremolata beträufelt servieren.

"Einfach, doch mit sensationeller Optik", heißt es zu diesem Gericht in "Simple". Diana Henry schlägt vor, dieses würzige Hähnchen mit Brunnenkressesalat und in Olivenöl gerösteten kleinen Kartoffeln oder mit Reispilaw zu servieren.

Viel Spaß beim Lesen und beim Nachkochen wünscht Ihnen Heidi Driesner.

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Quelle: n-tv.de

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