Fremdenfeind spielt Flüchtling

  28 April 2017    Gelesen: 935
Fremdenfeind spielt Flüchtling
Ein Oberleutnant soll sich als Flüchtling getarnt und einen Anschlag geplant haben. Der Fall ist einzigartig und bringt nicht nur die Ermittler, sondern auch Experten zum Grübeln. Wieso fiel das Doppelleben niemandem auf? Haben die Behörden versagt?
Ein Bundeswehrsoldat hat offenbar ein bizarres Doppelleben geführt: Einerseits tat er in seiner Einheit Dienst, andererseits plante er offenbar als Flüchtling getarnt einen Anschlag. Ermittler und Experten sprechen von einem Einzelfall.

Bislang ist bekannt, dass der 28-jährige Terrorverdächtige im französischen Illkirch im Jägerbatallion 291 in einer deutsch-französischen Einheit stationiert war. Er absolvierte gerade eine Ausbildung zum Einzelkämpfer. Das Batallion ist Teil der Deutsch-Französischen Brigade, die Streitkräfte beider Länder umfasst. Der stellvertretende Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Dominic Kudlacek, vermutet: "Als Oberleutnant muss er in der Bundeswehr ja schon etwas erreicht haben." Der Mann sei vermutlich mindestens Zugführer gewesen und habe damit 100 Menschen oder mehr unter sich gehabt.

Was der 28-Jährige in seiner Freizeit macht, ahnt von seinen Vorgesetzten jedoch niemand. Im Dezember 2015 taucht er in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen auf. Er lässt sich mit einem Aliasnamen als syrischer Flüchtling registrieren. Im Januar 2016 stellt er dann im bayerischen Zirndorf einen Asylantrag. Zwar spricht der Mann kein Wort Arabisch, doch niemand schöpft Verdacht. Sein Antrag wird genehmigt. Er bekommt den sogenannten subsidiären, also eingeschränkten Schutz. Mit diesem Status bekommt er ein Zimmer in einer Asylunterkunft zugeteilt und kassiert neben seinem Soldatensold noch staatliche Leistungen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

Die Ermittler machen noch keine Angaben zu dem Aussehen des 28-Jährigen. Das Bamf will zum Ermittlungsverfahren überhaupt keine Angaben machen. Eine Sprecherin sagte nur: "Das ist kein Fall, der gestern passiert ist." Vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Behörden zum Zeitpunkt des Geschehens, also zu Hochzeiten der Flüchtlingskrise, schlicht überfordert waren.

Gefundene Waffe nicht von Bundeswehr

Anfang 2017 fällt der Soldat dann in Wien auf. Dort hatte er im Januar zunächst eine Waffe auf einer Flughafen-Toilette deponiert. Einige Wochen später will er die Waffe aus ihrem Versteck holen, dabei wird er festgenommen. Er hat keine Erlaubnis für die geladene Pistole, Kaliber 7,65. Sie stammt nicht von der Bundeswehr, sondern muss illegal erworben worden sein.

Doch die Österreicher können nicht viel machen. Eine Untersuchungshaft für einen Waffenfund ist unverhältnismäßig, befinden die Behörden. Die Polizei muss den Mann laufen lassen. Einen Tag später informieren die Österreicher die deutschen Kollegen. In Dateien der Sicherheitsbehörden finden die aber nichts Einschlägiges zu dem Mann.

Irgendwann müssen dann die Fingerabdrücke des 28-Jährigen, die ihm im Zuge seiner Verhaftung abgenommen worden waren, abgeglichen worden sein. Und prompt liefert die Datenbank einen Treffer: Der 28-Jährige ist registrierter Flüchtling. Schließlich wird er festgenommen. Der Vorwurf: Er soll eine "schwere staatsgefährdende Straftat im Sinne eines Anschlags" geplant haben, so die Staatsanwaltschaft.

Dieses Doppelleben findet auch Kriminologe Kudlacek kurios. Es sei äußerst ungewöhnlich, dass sich ideologisch radikalisierte Menschen in der Gruppe von Menschen aufhielten, die sie hassten, sagt der Experte. "Das ist kein klassischer Radikalisierungsverlauf."

Einzeltäter oder Netzwerk?

Zudem scheint der 28-Jährige kein Einzeltäter gewesen zu sein. Denn zeitgleich zu der Festnahme in Unterfranken durchsuchen Polizisten aus Deutschland, Österreich und Frankreich 16 Wohnungen und Diensträume der Bundeswehr. Dabei stellen sie zahlreiche Mobiltelefone, Laptops und schriftliche Unterlagen sicher. Außerdem gibt es mindestens eine weitere Festnahme. In die möglichen Anschlagsplanungen soll ein 24 Jahre alter Student involviert gewesen sein.

Beide Männer stammen aus Offenbach und standen in Mail-Kontakt. In dem Schriftverkehr wird die fremdenfeindliche Gesinnung der beiden ersichtlich, so die Ermittler. In der Bleibe des Studenten entdeckten sie unter anderem Leuchtraketen und andere Gegenstände, die unter das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz fallen. Ausreichend Waffen für einen Anschlag scheinen also vorhanden. Über konkrete Anschlagziele verliert die Polizei jedoch zunächst kein Wort.

In den Medien kursiert nun die Theorie, dass der Soldat als falscher Flüchtling vielleicht eine furchtbare Gewalttat begehen und sie Asylbewerbern in die Schuhe schieben wollte. Dies würde zu seiner fremdenfeindlichen Gesinnung passen. Die Frage ist nun, ob er tatsächlich alleine einen Anschlag verüben wollte. Die Durchsuchung von 16 Gebäuden könnte auch darauf hinweisen, dass ein ganzes - vielleicht rechtsextremes - Netzwerk diesen perfiden Plan ausheckte.

Doch Dominic Kudlacek mahnt zur Vorsicht. Als Motiv hält er auch Habgier für möglich, weil der Soldat Sozialleistungen beantragt habe. Kudlacek warnt außerdem davor, die Behörden zu sehr zu kritisieren. "Das wird es immer geben, dass ein Einzelner ein Systemleck oder eine Systemüberlastung ausnutzt." Die Behörden seien Ende 2015 und Anfang 2016 teils heillos überfordert und überlastet gewesen. Möglicherweise habe sich der 28-Jährige tatsächlich gut mit einem Kriegstrauma tarnen können.

Quelle: n-tv.de , mit dpa

Tags:


Newsticker