Flüchtling und Soldat - das Doppelleben von Oberleutnant Franco A.

  28 April 2017    Gelesen: 860
Flüchtling und Soldat - das Doppelleben von Oberleutnant Franco A.
Ein mutmaßlich rechtsextremer Bundeswehroffizier soll einen Anschlag geplant haben. Zuvor ließ er sich als syrischer Flüchtling registrieren. Jetzt wurde er festgenommen - wie konnte Franco A. so lange unerkannt bleiben?

Auf Fotos sieht Franco A. unauffällig aus. Etwas verschmitzt grinst der dunkelhaarige Oberleutnant auf einer Aufnahme. Die graue Uniform sitzt korrekt, neben ihm steht eine Schulklasse. Das Bild entstand im französischen Illkirch. Dort ist der Bundeswehrsoldat beim Jägerbataillon 291 der deutsch-französischen Brigade stationiert.

Für die Ermittlungsbehörden ist der junge Mann mit Seitenscheitel und Brille ein rätselhafter und hochgefährlicher Fall. Am Mittwochmorgen nahm ihn das Bundeskriminalamt (BKA) im bayerischen Hammelburg fest. Gleichzeitig wurden seine Stube in Frankreich, sein Auto und die Wohnung seines mutmaßlichen Komplizen in Offenbach durchsucht: Auch Mathias F. sitzt in Haft.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main ermittelt seit dem 17. Februar wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gegen Franco A., der in der Infanterieschule seit einigen Wochen einen Lehrgang zum Einzelkämpfer absolvierte. Womöglich plante A. einen Anschlag in Deutschland.

Tarnidentität als Syrer

Das Szenario der Ermittler klingt besorgniserregend: Franco A. soll hinter seiner biederen Fassade stramm rechtsextrem, ausländerfeindlich und bereit zu Gewalttaten gewesen sein. Ende 2015 besorgte er sich eine Tarnidentität als syrischer Flüchtling. Eine Hypothese der Ermittler lautet: Auf diese Weise hätte A. nach einem Anschlag für den Verdacht sorgen können, dass Flüchtlinge die Tat verübten.

Begonnen hatte das Ganze Ende Januar. Auf dem Flughafen Wien-Schwechat entdeckten Techniker bei Wartungsarbeiten in einem Schacht einer Toilette eine geladene Pistole vom Kaliber 7,65, die Polizei wurde alarmiert. Nach einer Untersuchung der Waffe wurde entschieden, einen Alarm an dem Schacht anzubringen. So sollte derjenige gefasst werden, der sie aus dem Versteck holt.

Die Falle schnappte zu, als Franco A. am 3. Februar den Schacht öffnete. Der Deutsche wurde vorläufig festgenommen. A. gab an, die Waffe in einem Busch am Rand des Balls der Offiziere am 20. Januar in Wien gefunden zu haben. Am Flughafen sei ihm jedoch eingefallen, dass er mit der Pistole nicht durch die Kontrollen komme. Deswegen also das Versteck auf der Toilette.

Registriert als Obsthändler aus Damaskus

Die Ermittlungen nach dem Waffenfund illustrieren das skurrile Doppelleben des Soldaten, aber auch das Chaos während der Flüchtlingskrise: Die Österreicher gaben die Fingerabdrücke von der Waffe an das BKA weiter. Nach kurzer Zeit hatten die Ermittler dort einen Treffer - allerdings nicht Soldat A., sondern einen syrischen Asylbewerber.

Franco A. hatte sich Ende 2015 unter dem Alias David Benjamin in Bayern als Flüchtling ausgegeben. Obwohl er kein Arabisch und nur gebrochen Französisch sprach, wurde er registriert - als Christ und 1988 geborener Sohn eines Obsthändlers aus Damaskus.

Aus den Akten geht hervor, was A. alles dafür tat, um sich eine Scheinidentität als syrischer Flüchtling aufzubauen. Kurz nach der Registrierung beantragte er Asyl, bezog pro Monat gut 400 Euro Sozialleistungen und bekam sogar ein Zimmer in einer Sammelunterkunft. Gleichzeitig erschien er bei der Bundeswehr wie gewohnt pünktlich zum Dienst, niemand bemerkte etwas.

Rechte Gesinnung

Aus Wien allerdings bekam das BKA auch einen anderen interessanten Hinweis: Die Österreicher fanden bei A. Dateien, die laut Fahndern eindeutig auf seine rechte Gesinnung hindeuteten. Spätestens jetzt war die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main alarmiert. Am 17. Februar eröffnete sie ein Ermittlungsverfahren wegen der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat.

In den folgenden Wochen wurde der Bundeswehrsoldat intensiv beobachtet, die Geschichte von der zufällig gefundenen Pistole glaubte niemand. Vielmehr kam bei Telefonüberwachungen heraus, dass A. ein überzeugter Ausländerfeind sein könnte: Über eine WhatsApp-Chatgruppe soll er mit Gleichgesinnten Hetz-Texte ausgetauscht und sich über Ausländer echauffiert haben.

Dabei fiel auch der mutmaßliche Komplize, Mathias F., auf. Er ist wohl ein alter Freund aus Offenbach. Mit ihm kommunizierte A. viel. Auch ein Reservist aus Wien, der bisher nur als Zeuge gilt, fiel in der Chatgruppe auf, bei einigen Mitgliedern gab es am Mittwoch Hausdurchsuchungen. Die Fahnder kamen schließlich zu der Einschätzung, dass die jungen Männer vielleicht nicht nur hetzten, sondern womöglich auch einen Anschlag planten.

Bei einer Routineüberprüfung wich er den Fragen aus

Das BKA bat die Bundeswehr dennoch, den Verdächtigen weiter seinen Dienst verrichten zu lassen, um ihn verdeckt beobachten zu können. Der Oberleutnant verhielt sich unauffällig. Nur einigen Kameraden vertraute er sich an, erzählte die Geschichte von der angeblich in Wien gefundenen Waffe, die ihm jetzt Probleme bereite.

Erst Monate später hörte A. wieder etwas von den Behörden: Am 19. April interviewten ihn Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), dem internen Geheimdienst der Bundeswehr. Doch A. verhielt sich geschickt. Er gab seine Gesinnung wohl nicht zu erkennen, wich den Fragen aus - und wiederholte die Geschichte von der zufällig entdeckten Pistole.

Was Franco A. wirklich vorhatte, müssen die Ermittler noch herausfinden, bisher schweigt er. Bei seinem mutmaßlichen Komplizen Mathias F. in Offenbach fanden die Beamten zwar Munition, auch von Handgranaten und ein bisschen Sprengstoff ist die Rede. Welche Rolle F. aber spielt, ist noch unklar. Er selbst gibt an, dass Franco A. ihm die gefundenen Waffen gab, er habe sich dabei nichts gedacht.

Die Staatsanwaltschaft hält sich mit konkreten Aussagen zurück. Anhand der Ermittlungen ergebe sich kein konkreter Anschlagsplan, sagte eine Sprecherin, der Fall weise aber noch viele Merkwürdigkeiten auf. Ein Grund für den Tatverdacht ist sicherlich das konspirative Verhalten des Soldaten.

Die Bundeswehr muss jetzt eine Erklärung dafür finden, wie die rechtsextreme Gesinnung des Oberleutnants so lange unentdeckt bleiben konnte. Und wie Franco A. mehr als ein Jahr verheimlichen konnte, dass er regelmäßig nach Bayern fuhr und dort seine fingierte Identität als Flüchtling pflegte.

Ganz neu ist die Angst vor einem Bundeswehrsoldaten als Attentäter nicht. Bisher allerdings fürchtete die Truppe eher Islamisten, die sich als Wehrdienstleistende einschleichen und dann später ihre bei der Bundeswehr erlernten Fähigkeiten für einen Anschlag nutzen. Deshalb wurde eine generelle Sicherheitsüberprüfung für alle Rekruten durch den MAD eingeführt - sie gilt ab Sommer.

Quelle : spiegel.de

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