Mazedoniens Krise endet in blutiger Prügelei

  28 April 2017    Gelesen: 646
Mazedoniens Krise endet in blutiger Prügelei
Es sind regelrechte Jagdszenen, die sich in Mazedoniens Parlament abspielen: Abgeordnete werden von maskierten Männern verfolgt, verprügelt und verletzt. Trotz des Gewaltausbruchs könnten sich jetzt aber die politischen Blockaden lösen.
Das dürfte in einem europäischen Parlament nicht häufig vorkommen: In der mazedonischen Hauptstadt Skopje erstürmen Donnerstagabend Hunderte Menschen die Volksvertretung. Sie werden angeführt von maskierten Männern, die sofort eine Verbindung zum Geheimdienst in den Sinn bringen.

Die Angreifer machen regelrecht Jagd auf Oppositionsabgeordnete, die mit ihrer Mehrheit eine neue Regierung bilden wollen. Sie gehen mit Stühlen und allerhand anderem Mobiliar auf ihre politischen Feinde los. Verschreckte Parlamentarier hangeln sich ohne Schuhe von der Galerie, um der Gewalt zu entfliehen. Der designierte Regierungschef Zoran Zaev blutet an der Stirn und ist mit blutgetränktem Hemd zu sehen. Seine engste Mitarbeiterin Radmilla Sekerinska wird brutal an den Haaren zur Seite gerissen. Noch ernsthafter wird der Albanerführer Zijadin Sela verletzt. Auf Fotos soll zu sehen sein, wie sein Körper mit blutverschmiertem Kopf durch den Saal geschleift wird. Zu überprüfen ist das nicht.

Polizei beendet Streit erst nach Stunden

Auch Journalisten, die der Opposition und der neuen Regierungsmehrheit nahestehen, beziehen Prügel. Auf der anderen Seite machen Journalisten, die dem Lager des langjährigen Regierungschefs Nikola Gruevski zugerechnet werden, lachend Selfies vor den Tumulten im Plenarsaal. Dutzende Abgeordnete suchen vor dem Mob Schutz im Presseraum.

Während beim Sturm auf das Parlament kaum Polizisten zu sehen sind, bereiten Spezialeinheiten erst nach Stunden dem Spuk ein Ende. Die Sonderpolizei bringt rund 30 Abgeordnete aus dem Gebäude in Sicherheit. Sie drehen den selbst ernannten Patrioten im Gebäude den Strom ab. Dann werden die Extremisten mit Tränengas und Schockbomben aus dem Parlament gedrängt. Am Ende wird das Gebäude mit Metallgittern geschützt. Dann ist Ruhe.

Es gebe rund 100 Verletzte, zieht das Innenministerium Bilanz. Die EU hat die Stürmung des Parlaments in Mazedonien durch Demonstranten scharf verurteilt. Während im In- und Ausland das Entsetzen über diesen Gewaltausbruch groß ist, zeigt sich doch erstmals seit Monaten ein möglicher Ausweg aus der selbst verschuldeten Dauerkrise. Kurz vor dem Angriff hatte die neue Mehrheit im Parlament den Albaner Talat Xhaferi zum Präsidenten der Volksvertretung gewählt. Dagegen hatte sich das bisherige Regierungslager unter Gruevski monatelang mit Händen und Füßen gesträubt.

Weg zu neuer Regierung frei

Während das Gruevski-Lager die Wahl als verfassungswidrig und rechtlich ungültig bezeichnete, beeilten sich die USA und die EU, dem neuen Parlamentspräsidenten Rückendeckung zu geben. Denn jetzt kann auch die neue Regierung gebildet werden. Bisher hatte neben Gruevski auch Staatspräsident Djordje Ivanov als sein enger Gefolgsmann dagegen Front gemacht.

Nun könnten zudem die schon lange überfälligen Kommunalwahlen organisiert werden. Die drohende Schließung von Schulen, Rathäusern, das Einfrieren von Gehältern und der Ausfall von Sozialhilfe könnten doch noch abgewendet werden. Und dann dürften Gruevski und seine Gefolgsleute für die ihnen vorgeworfene groß angelegte Kriminalität und Korruption zur Rechenschaft gezogen werden. Das haben jedenfalls die Sozialdemokraten als neuer Seniorpartner in der Regierung angekündigt.

Mazedonien ist seit 2015 ohne funktionierende Regierung, nachdem die damals regierenden Nationalkonservativen über einen Abhörskandal stolperten. Präsident Gjorge Ivanov rief für Freitag alle Parteien zu einem Krisengespräch zusammen. Er weigert sich bisher, den aus der Parlamentswahl im Dezember als Sieger hervorgegangenen Sozialdemokraten die Regierungsbildung zu übertragen. Diese wollen sich mit der Partei der Albaner zusammentun, was Ivanov als Gefährdung der Souveränität des Landes sieht.

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