Richter verschläft die Verhandlung - Urteil ungültig

  19 Mai 2017    Gelesen: 806
Richter verschläft die Verhandlung - Urteil ungültig
Der Nachbar gab ihm noch wohlmeinende Fußtritte, doch schließlich übermannte den ehrenamtlichen Richter der Schlaf. Ein Urteil traute er sich dennoch zu. Damit kommt er aber nicht durch.
Wer schläft, ist "geistig abwesend". Dies gilt auch für Richter und kann zur Ungültigkeit eines Urteils führen, wie ein am Donnerstag veröffentlichter Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel zeigt. Es hob damit ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg auf. Wegen eines schlafenden Richters sei dort die Richterbank nicht ordentlich besetzt gewesen.

Der Kläger begehrt von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Vor dem Sozialgericht Heilbronn hatte er keinen Erfolg, und so rief der Mann das LSG in Stuttgart an. Die Senate dort sind mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt.

Die Verhandlung allerdings nahm einen ungewöhnlichen Verlauf: Einer der ehrenamtlichen Richter kam erst verspätet in den Sitzungssaal. Auf seinem Sessel sei er "mit auf die Brust gesunkenem Haupt sofort eingeschlafen", rügte der Kläger. Von 10.22 Uhr bis 10.48 Uhr habe er so die gesamte mündliche Verhandlung verschlafen und dabei "tief und hörbar geatmet".

"Keine eigene Überzeugung in der Sache"

Seine neuerliche Niederlage auch vor dem LSG wollte der Kläger daher nicht hinnehmen. Weil der ehrenamtliche Richter nichts von der Verhandlung mitbekommen habe, habe er auch nicht mit über den Streit entscheiden dürfen.

Das BSG holte Stellungnahmen mehrerer Zeugen der Verhandlung ein Danach hatte sich der benachbarte Berufsrichter zwar bemüht, seinen ehrenamtlichen Senatskollegen durch gelegentliche "dezente" Fußtritte wach zu halten. "Ein kurzes Einnicken ist wohl auch noch in Ordnung", sagte ein Sprecher des Bundessozialgerichts. Auch der Bundesfinanzhof hatte 2011 noch entschieden, dass ein Verfahrensmangel wegen eines schlafenden Richters nur dann vorliegt, wenn dieser wesentlichen Teilen einer Verhandlung nicht folgen konnte.

Im aktuellen Fall aber kamen die Kasseler Richter zu dem Ergebnis, dass der ehrenamtliche Richter "zumindest für einen erheblichen Teil der mündlichen Verhandlung geistig abwesend war". Daher habe er sich auch "keine eigene Überzeugung in der Sache" bilden können.

"Der Kläger rügt zu Recht eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Senats des LSG Baden-Württemberg in der mündlichen Verhandlung", befand daher das BSG. Deshalb müssen die Stuttgarter Kollegen nun nochmals neu über die Klage verhandeln.

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