Türkische Wirtschaft: Lira-Crash und Zinsangst in der Türkei: Erdogan spielt mit dem Feuer

  25 Mai 2017    Gelesen: 1370
Türkische Wirtschaft: Lira-Crash und Zinsangst in der Türkei: Erdogan spielt mit dem Feuer
Die türkische Wirtschaft steht unter Druck. Ein Druck der sich längst auch im Wert der türkischen Lira entlädt. In Brüssel will der Türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nun Handelserleichterungen für sein Land aushandeln.
„Es brennt an vielen Fronten“, sagt Stephan Imre, Anleihenstratege der österreichischen Raiffeisenbank International.
Die Währung, der Zentralbankzins, die Außenhandelsbilanz, die Schulden der Unternehmen und Banken – es gibt kaum etwas, was dem Experten keine Sorgen bereitet.

„Die schwache Lira ist für ein so großes Importland wie die Türkei ein echtes Problem“, betont er. Eine große Gefahr sind die Kredite in Fremdwährung, die Unternehmen und Banken im ganzen Land in den vergangenen Jahren aufgenommen haben. Sie nutzen die damals noch starke Lira, um Anleihen in US-Dollar herauszugeben. Doch der Dollar zieht nun an und die amerikanische Federal Reserve Bank hat angedeutet, ihre Geldpolitik im nächsten Quartal zum ersten Mal seit Jahren etwas zu lockern und den Zins anzuheben. Das könnte den Anstieg des Dollars noch mal beschleunigen.
Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie beispielweise für US-Dollar-Anleihen, die 2017 auslaufen, deutlich mehr Geld bereitstellen müssen, als geplant: „Und 2017 laufen viele USD-Anleihen aus“, warnt Imre.

„Die Türkei ist ein Importland"

Und dann ist da noch die Inflation. Sie liegt jetzt schon wieder bei über acht Prozent und dürfte aufgrund der Währungsschwäche 2017 noch weiter steigen. Ein Teufelskreis: „Die Türkei ist ein Importland und importiert einen Großteil seiner Energie – aber Öl wird in Dollar bezahlt und die Preise steigen“, betont Imre. Je teurer die Energie, desto höher die Inflation, desto schwächer wird die Währung. Irgendwann werden immer mehr Unternehmen so ihre Fremdwährungskredite nicht mehr bezahlen können und belasten die ebenfalls stark in Dollar verschuldeten Banken zusätzlich.
Aussichten der türkischen Unternehmen sinken
Die Zinspolitik der Zentralbank macht es den Unternehmen nicht einfacher: In einem schon seit Jahren kritisierten System legt die Zentralbank jeden Tag aufs Neue fest, ob sie Geld pro Woche oder über Nacht und zu acht oder zehn Prozent verleiht.
„Die Finanzmarktakteure haben lange ein Auge zugedrückt“, sagt Imre. Aber inzwischen ist es auch ihnen genug: Die Aussichten der türkischen Unternehmen sinken. Die Ratingagentur Fitch könnte Ende des Monats entscheiden, die Türkei nicht mehr als sichere Investition einzustufen.

„Was Inflation und Leistungsbilanz betrifft, haben wir die besten Zeiten hinter uns“, befürchtet der Experte.

Ist die Lira-Abwertung bald vorbei?

Ganz aufgeben will er die Hoffnung auf einen glimpflichen Druckausgleich im türkischen Dampfkessel aber nicht: „In ähnlichen Situationen in der Vergangenheit gab es einen regelrechten Ansturm auf andere Währungen – vor allem Dollar. Diese Dollarisierung findet aktuell nicht statt.“ Die Fremdwährungseinlagen der Privathaushalte sinken sogar. „Solange da so ist und die Zentralbank entgegen der Wünsche der Regierung mutig die Zinsen anhebt, sehe ich gute Chancen, dass die Lira-Abwertung zu einem Ende kommt“, betont Imre.

Erdogan macht "guten Job"

Und Erdogan? „Grundsätzlich sind die politischen Umstände in dieser Situation nicht wirklich zuträglich, aber die wirtschaftlichen Probleme überwiegen aktuell deutlich.“ Der türkische Staatspräsident mache „einen guten Job“ dabei, die Privathaushalte zu beruhigen und einen Bankrun zu verhindern. „Es ist nicht der türkische Staat, der so hoch verschuldet ist, sondern der private Sektor.“

Quelle: focus

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