Polizei hielt Notruf erst für Scherz

  28 Mai 2017    Gelesen: 773
Polizei hielt Notruf erst für Scherz
Ein Paar wird beim Zelten überfallen, die Frau vergewaltigt - der Fall sorgte bundesweit für Entsetzen. Nun ist bekannt geworden, wie der Notruf bei der Polizei verlief. Die Beamtin reagierte wenig einfühlsam.
Der Fall hatte bundesweit für Bestürzung gesorgt: Im Beisein ihres Freundes wurde eine Camperin in der Bonner Siegaue Anfang April von einem Mann vergewaltigt. Zwar konnte ihr Freund während der Tat aus dem Zelt heimlich die Polizei verständigen. Doch dem Vergewaltiger, der sich vor dem Zelt an der Frau verging, gelang die Flucht.

Wie die "Rheinische Post" unter Berufung auf die Gesprächsprotokolle des Notrufs nun berichtet, glaubte die Beamtin in der Bonner Leitstelle bei dem Anruf des Studenten zunächst an einen Scherz.

"Sie wollen mich nicht verarschen, oder?", fragte die Polizistin demnach nach, als der junge Mann schilderte, dass seine Freundin gerade "von einem Schwarzen" vergewaltigt werde, der eine Machete dabeihabe. Aus dem Hintergrund sei sogar das Wimmern der 23-Jährigen zu hören gewesen, heißt es im Bericht der "Rheinischen Post".

Zwar wurden aus der Polizeinotrufzentrale sofort drei Einsatzwagen Richtung Tatort geschickt, doch sonst bekam der Student aus dem Stuttgarter Raum keine Unterstützung. Die Polizistin fragte nach seinem Namen, sagte, dass Hilfe unterwegs sei und verabschiedete sich mit "Danke, tschö" - dann legte sie auf.

Wie sich der Freund des Opfers verhalten sollte, ob er den Vergewaltiger attackieren oder lieber im Zelt auf die Polizei warten sollte - das musste er selbst entscheiden.

Nach der Tat war der Freund des Opfers in den sozialen Netzwerken für sein passives Verhalten kritisiert worden. Doch die Polizei hatte sich hinter ihn gestellt und mitgeteilt, dass er alles richtig gemacht habe, indem er nicht versucht hatte einzugreifen.

"Sprachlich unangemessen reagiert"

Auch als der Täter von der Frau abließ und floh, blieb ein erneuter Anruf ohne Folgen. Der Freund des Opfers wurde lediglich an eine Nummer der Polizei in Siegburg verwiesen mit dem Hinweis: "Die können das richtig koordinieren." Kurz nach diesem Anruf traf das Paar immerhin auf Polizisten.

Gegenüber "RP Online" räumte ein Sprecher der Bonner Polizei ein, dass die "aufnehmende Beamtin in der Leitstelle nach unseren Feststellungen die Umstände des ersten Anrufs zunächst nicht richtig eingeordnet und sprachlich unangemessen reagiert hat". Auch der zweite Anruf sei im Sinne des Opfers nicht sachgerecht gehandhabt worden, hieß es. Die Tat hätte aber auch durch eine "andere Bearbeitung des Notrufs" nicht verhindert werden können.

Rund fünf Tage nach dem Überfall konnte der mutmaßliche Täter festgenommen werden, nachdem Spaziergänger ihn anhand eines Phantombildes erkannt hatten. Es handelte sich um einen 31-jährigen Flüchtling aus Ghana, dessen Asylverfahren abgelehnt worden war. Ein vorläufiger DNA-Abgleich hatte den Tatverdacht nach Angaben der Ermittler erhärtet.

Der Mann ist inzwischen wegen Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall sowie schwerer räuberischer Erpressung angeklagt. Der Prozess vor der 10. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts soll frühestens Ende September beginnen.

Quelle : spiegel.de

Tags:


Newsticker