Die heikle Klage der entlassenen Soldaten

  19 Juli 2017    Gelesen: 349
Die heikle Klage der entlassenen Soldaten
Ist der Skandal doch ein ganz anderer? Nach Berichten über perverse Praktiken in der Kaserne Pfullendorf griff Verteidigungsministerin von der Leyen hart durch und entließ mehrere Soldaten. Vier von ihnen klagen nun - das Urteil dürfte politisch brisant sein.
Die Berichte im "Spiegel" klangen schockierend: Ausgerechnet am Ausbildungszentrum für Elitekräfte, in der Staufer-Kaserne Pfullendorf, sollte es "sexuell-sadistische Praktiken" und Gewaltrituale gegeben haben. Soldatinnen seien zu Tänzen an der Stange gezwungen und begrapscht worden, Soldaten mit einem Beutel über dem Kopf mit kaltem Wasser abgespritzt worden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen reagierte, wie sie häufig reagiert - sie zauderte nicht lange. "Die Vorgänge in Pfullendorf sind abstoßend und sie sind widerwärtig", sagte die Ministerin, entließ mehrere Soldaten und versetzte unter anderem den Standortkommandeur der Kaserne.

Vier der entlassenen Soldaten - zwei Zeitsoldaten und zwei Wehrdienstleistende - wollen allerdings ihre Entlassung nicht hinnehmen. Sie reichten Klage ein, heute verhandelt das Verwaltungsgericht Sigmaringen über den Fall - und das Urteil dürfte politisch brisant sein.

Denn etliche Vorwürfe wurden schon vor einiger Zeit entkräftet. "Viele Sachen sind dazuerfunden", sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hechingen bereits im Januar zu den Berichten. Zwar ermittelt die Staatsanwaltschaft noch wegen entwürdigender Aufnahmerituale gegen sieben Soldaten. Doch wegen der angeblich sexuell-sadistischen Praktiken gibt es keine strafrechtlichen Konsequenzen.

So teilte die Staatsanwaltschaft im Mai mit, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass im baden-württembergischen Pfullendorf "Lehrgangsteilnehmer im Rahmen der Kampfsanitäterausbildung zu sexuellen Handlungen genötigt wurden". Auch habe man keinen Nachweis dafür, "dass Soldatinnen an einer Tanzstange erotische Tanzbewegungen durchgeführt haben, geschweige denn hierzu von Vorgesetzten gezwungen und dabei 'betatscht' wurden".

Standortkommandeur sieht sich als "Bauernopfer"

Auch wenn ein Bundeswehrsprecher die Entscheidung begrüßte, so ist sie doch heikel. Schließlich stützte sich die Staatsanwaltschaft Hechingen dabei auf umfangreiche interne Ermittlungen der Bundeswehr. Demnach stimmten beinahe alle von der Hauptzeugin angezeigten Vorwürfe nicht. Diese Erkenntnisse lagen auch dem Verteidigungsministerium schon länger vor. Trotzdem sparte von der Leyen nicht an Kritik an der "unerträglichen" Atmosphäre" in der Kaserne und zog personelle Konsequenzen - wobei auch die Art ihres Vorgehens Empörung hervorrief. So erfuhr der langjährige Chefausbilder Walter Spindler erst aus einem Medienbericht im Internet von seiner Absetzung.

In der Truppe beklagen daher viele, dass die Ministerin die Vorgänge aufgebauscht und Soldaten in ihrer Ehre verletzt habe. Der ehemalige Standortkommandeur der Kaserne, Oberst Thomas Schmidt, bezeichnete sich in der "Bild"-Zeitung als Bauernopfer. "Ich habe richtig gehandelt und wurde trotzdem zur Rechenschaft gezogen."

Auch der abgesetzte Chefausbilder Spindler zeigt sich empört. In der heutigen Ausgabe der "Stuttgarter Zeitung" kritisiert er, das Ministerium und seine Leitung hätten Soldaten und einzelne Standorte "pauschal, beständig und in einem verantwortungslosen Maße" beschädigt. In ihrer Absolutheit entbehrten die Vorwürfe des Ministeriums jedweder Grundlage. Christian Trull, ehemaliger Generalmajor der Bundeswehr, warf ebenfalls in der "Stuttgarter Zeitung" von der Leyen eine "Neigung zu Pauschalierungen, Übertreibungen und Alarmismus" vor. Überall sei das gleiche Gemenge aus Verallgemeinerung und Zuspitzung zu beobachten. "So kann nicht geführt werden."

Voraussichtlich am Donnerstag verkündet das Gericht in Sigmaringen das Urteil darüber, ob die vier Soldaten mit ihrem Verhalten "ihre Dienstpflichten schuldhaft verletzt" haben und ihr Verbleiben in der Bundeswehr die militärische Ordnung und das Ansehen der Truppe ernstlich gefährden. Es könnte am Ende auch ein Urteil über ihre oberste Dienstherrin werden.

Quelle: n-tv.de

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