Angst vor dem Trump-Crash

  20 Auqust 2017    Gelesen: 542
Angst vor dem Trump-Crash
Sympathien mit Neonazis, Personalchaos im Weißen Haus und eine unprofessionelle Amtsführung: Donald Trump macht die amerikanische Politik und die Börse zunehmend nervös.

Wer wissen will, wie es um den Zustand der amerikanischen Politik bestellt ist, dem sei ein kurzer Blick auf das Geschehen an der Wall Street empfohlen. Nach anfänglicher Euphorie über die großen Ankündigungen des neuen Präsidenten ist dort inzwischen vor allem ein Gemütszustand vorherrschend: Nervosität.

Zwar steht der Dow-Jones-Index immer noch nur 500 Punkte von seinem Anfang August erreichten Rekordhoch entfernt. Doch etliche Investoren sind momentan so hibbelig, dass schon kleinste Gerüchte alles in Unordnung bringen.

Zum Beispiel die Sache mit Gary Cohn. Der frühere Goldman-Sachs-Banker ist der wichtigste Wirtschaftsberater des Präsidenten im Weißen Haus, Ansprechpartner für Amerikas Wirtschaftselite, er gilt vielen Bossen als die "Stimme der Vernunft" in einer von Chaos und Machtkämpfen geprägten Regierung. Allein das Gerücht, Cohn könnte aus Empörung über Trumps Sympathien mit den Nazi-Hetzern von Charlottesville seinen Job aufkündigen, ließ den Dow-Jones Ende der Woche kurzzeitig um 274 Punkte absacken. Am Freitag beendete das Börsenbarometer die Woche deutlich im Minus.

Amerikas wirtschaftliche und politische Elite ist in Alarmstimmung. Mit zunehmender Sorge verfolgen Industriebosse und Kongressabgeordnete das Agieren eines Präsidenten, der kaum ein ernsthaftes Interesse erkennen lässt, seine vollmundigen Versprechungen zu Steuererleichterungen und umfassenden Investitionen in die Infrastruktur tatsächlich voranzubringen. Stattdessen fraternisiert er mit der extremen Rechten, liefert sich epische Twitter-Kämpfe mit seinen Kritikern und schwafelt über die "wunderbaren Denkmäler" für Südstaaten-Generäle. Überschattet wird dies alles von den weiterhin laufenden Sonderermittlungen zur Russland-Connection des Trump-Teams.

Viel Hoffnung, dass derRauswurf des umstrittenen Chefstrategen Stephen Bannon daran etwas ändert, gibt es nicht. Zwar dirigiert mit dem neuen Stabschef John Kelly nun ein erfahrener Macher das Weiße Haus, ein Mann, der dort für ein wenig Ruhe und Ordnung sorgen kann. Das Hauptproblem dieser Regierung bleibt aber der Präsident selbst: Seine Ausfälle im Zusammenhang mit den Neonazi-Aufmärschen in Charlottesville hat Trump ganz allein zu verantworten. Und nationalistische, fremdenfeindliche, ja rassistische Ansichten hat er schon vertreten, lange bevor der Ultranationalist Bannon in sein Team kam - etwa, als er Barack Obama unterstellte, nicht in den USA geboren worden zu sein.

Selbst treue Republikaner wenden sich ab

Hinzu kommt Trumps chaotischer, erratischer Führungsstil: Der Fall Bannon zeigt einmal mehr, dass Trump keine Götter neben sich duldet. Sollte Stabschef Kelly zu mächtig werden, dürfte er wohl damit rechnen, als nächstes gefeuert zu werden. Trump verbrennt Personal derzeit im Wochentakt und er hat offenkundig keine Skrupel, sich selbst von treuesten Freunden zu trennen, wenn er einen Sündenbock für sein eigenes Versagen braucht.

Mit seiner Aggressivität, rechtsradikalen Rhetorik und Egozentrik vergrault Trump selbst treueste Unterstützer. Dass ihn nun schon Republikaner wie Senator Bob Corker öffentlich kritisieren, ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Präsident im Kongress praktisch kaum noch Freunde hat. Der einflussreiche Außenpolitikexperte, der zwischenzeitlich sogar als Vizepräsident im Gespräch war, hatte Trump in einem Interview einen Mangel an Kompetenz vorgeworfen. Man kann das getrost als Corkers persönliche Kriegserklärung an den Präsidenten verstehen.

In Washington stehen im Herbst wichtige politische Entscheidungen an: Es geht um die Steuerreform, die Ausweitung des Schuldenlimits, den neuen Haushalt. Die republikanische Führung im Kongress um Paul Ryan (Repräsentantenhaus) und Mitch McConnell (Senat) will nach der Pleite bei der Gesundheitsreform "Obamacare" endlich die anderen großen Projekte der Regierung und der Partei voranbringen. Doch ob das mit diesem Präsidenten gelingen wird, ist mehr als fraglich.

Fast alle Pläne der Ober-Republikaner sind hochumstritten, auch in der eigenen Partei. Sie sind dringend auf die Stimme jedes Kongressabgeordneten angewiesen. Sie bräuchten für einige Vorhaben sogar die Hilfe der Demokraten. In dieser Situation müsste ein Präsident eigentlich für seine Agenda werben, Abgeordnete auf seine Seite ziehen, in den Medien für sein Vorhaben gute Stimmung machen. Kurz: Er müsste Führungsstärke zeigen.

Doch Trump tut genau das Gegenteil: Mit seinen Äußerungen zu Charlottesville vertieft er nur die politischen Gräben im Kongress und ganzen Land. Die Liste derjenigen, die in Repräsentantenhaus und Senat gegen Trump arbeiten, wird von Tag zu Tag länger. Das alles ist nur noch "frustrierend" und "anstrengend", klagt der republikanische Abgeordnete Charlie Dent - und spricht damit vielen seiner Parteifreunde aus der Seele.

"Wir werden wegen Trump von unserer Arbeit abgelenkt"
Vor allem die wichtigsten Steuerexperten in Trumps Partei sind genervt. Eigentlich wollten sie in diesen Tagen bei einer Tagung in Kalifornien für die Steuerreform werben. Alles war schön vorbereitet, man traf sich extra auf der alten Farm von Ronald Reagan, "Rancho del Cielo", um möglichst viel Aufmerksamkeit für das sperrige Thema zu erheischen. Doch die anwesenden Journalisten befragten die Abgeordneten dann fast nur zu Trumps Äußerungen zu Charlottesville. "Wir werden wegen Trump von unserer Arbeit abgelenkt", schimpfte ein Parlamentarier anschließend.

Nach Bannons Abgang droht neue Unruhe: Kaum hatte der das Weiße Haus verlassen, saß er auch schon wieder in den Büros seiner ultranationalistischen Webseite "Breitbart News". Von dort aus wolle er nun für Trumps Agenda kämpfen, kündigte Bannon an. Das verheißt für die Republikaner im Kongress nichts Gutes: Der Partei drohen neue, heftige Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs in Wirtschaftsfragen, aber auch bei den Themen Immigration und Außenpolitik. Angeblich soll Bannon sogar bereits an Plänen arbeiten, einen eigenen TV-Sender zu starten, mit dem er für seine Agenda kämpfen will.

Wirtschaftsbosse verfolgen das triste Spektakel mit einer Mischung aus Abscheu und Sorge. Viele von ihnen haben sich wegen Trumps Äußerungen zu den Vorfällen von Charlottesville inzwischen öffentlich von ihm abgewandt. Nur wenige halten ihm noch die Treue.

Bleiben die von Trump versprochenen Steuererleichterungen und Infrastruktur-Milliarden aus, dürften zudem die Profite der Konzerne unter Druck geraten. Zwar läuft die amerikanische Konjunktur derzeit einigermaßen solide, doch vom erhofften großen Trump-Boom ist man weit entfernt.

Dass der Präsident bald selbst hinschmeißt oder vorzeitig von Parteifreunden aus dem Amt geputscht wird, glaubt kaum jemand ernsthaft. Die Bosse setzten deshalb mittelfristig voll und ganz auf Trumps Wirtschaftsberater Cohn. Der Ex-Goldman-Sachs-Banker soll den Präsidenten zur Vernunft bringen und dafür sorgen, dass er sich wieder auf seine politische Agenda konzentriert.

Cohn ist Jude und soll über Trumps Sympathien mit den Neonazi-Marschierern in Charlottesville entsetzt gewesen sein. Die Gerüchte über seinen bevorstehenden Abgang dementierte das Weiße Haus vorige Woche. Cohn will wohl seinem Präsidenten treu bleiben. Die Frage lautet nur: wie lange noch?

Der Chef der angesehenen Yale School of Management, Jeffrey Sonnenfeld, warnt: "Wenn Cohn zurücktritt, crashen die Märkte."

Quelle : spiegel.de

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