800.000 ukrainische Flüchtlinge

  29 September 2015    Gelesen: 701
800.000 ukrainische Flüchtlinge
Der russische Premierminister Dimitri Medwedjew sieht auch für Russland die Notwendigkeit, dem Thema Migration mit einer geeigneten mittel- und langfristigen staatlichen Strategie zu begegnen.

Blieb das Land vom Strom der Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika bislang weitgehend verschont, ist es doch mit erheblichen Flüchtlingszahlen aus der Ukraine konfrontiert. Schätzungsweise 800.000 Ostukrainer sind im Verlauf der Donbass-Krise, vor allem seit Beginn der „Anti-Terror-Operation“ der Kiewer Regierungsarmee, in das Nachbarland geflohen.

UNHCR: Russland 2014 Asylland Nr. 1

Nach UNHCR-Angaben wurden 2014 weltweit nirgends so viele Asylanträge gestellt wie in Russland. 99 Prozent davon stammten von Bürgern aus der Ukraine. Der Chef der Einwanderungskontrolle im Föderalen Migrationsdienst, Sergej Temrjakowitsch, teilte im Sommer mit, dass seit Beginn der Krise bis zum 10. Juni 2015 insgesamt 336.000 Ukrainer Asyl oder einen Flüchtlingsstatus beantragt hätten – also annähernd die Hälfte der vor dem Bürgerkrieg nach Russland geflohenen Menschen.

Insgesamt haben über 2 Millionen Ukrainer die Ostukraine verlassen. Auf rund 1,4 Millionen wird die Zahl der „internal displaced persons“ in der Ukraine selbst geschätzt – das sind Menschen, die ihren Wohnort dauerhaft verlassen haben, sich aber noch im Land aufhalten. In aller Regel hängt die Entscheidung, ob Flüchtlinge in der Ukraine bleiben oder nach Russland gehen, nicht von politischen Präferenzen ab, sondern von familiären Banden und Zufluchtschancen. Rund 60 Prozent aller Ukrainer haben Verwandte in Russland, 40 Prozent aller Russen haben Verwandte in der Ukraine.

Das russische Kabinett beschäftigt sich heute auch mit den Ergebnissen des Programms zur Rückführung Russischstämmiger aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. Es stammt aus der Zeit vor der gegenwärtigen Krise und ähnelt vom Grundsatz her der seit Jahren praktizierten vereinfachten Einbürgerung Deutschstämmiger aus dem Ausland in der Bundesrepublik.

„Arbeitswillig und qualifiziert“

Seit 2007 haben 367.000 Menschen davon Gebrauch gemacht und sind nach Russland übersiedelt. 2014 waren es 115.000 – bis Ende August 2015 sogar bereits 106.000. Die Steigerung hängt in erster Linie mit dem Zustrom russischsprachiger Ukrainer zusammen.

Premier Medwedjew sagte, aus der Ukraine kämen vornehmlich arbeitswillige und qualifizierte Menschen nach Russland. Es werde nicht schwerfallen, sie in Russland zu integrieren. Er betonte, dass Russland am Zustrom solcher Arbeitskräfte interessiert sei. Jetzt komme es darauf an, die Übersiedler zu bewegen, dorthin zu ziehen, wo ein besonderer Mangel an qualifiziertem Personal herrscht.

Der Premier räumte ein, dass in der Hinsicht noch Schwierigkeiten bestünden. In den vergangenen zwei Jahren sei der Zustrom deutlich höher gewesen, als die Regionen es hätten verkraften können. Es gebe allerdings Vorschläge der Migrationsbehörde, wie den Herausforderungen beizukommen sei. Details nannte Medwedjew nicht.

Millionen Gastarbeiter

Weit weniger Beachtung als den kulturell verwandten Einwanderern aus der Ukraine widmet man in Russland den Migranten aus Zentralasien und Moldawien. Anfang des Jahres wurde deren Zahl auf mindestens 2,5 Millionen geschätzt, die allermeisten (deutlich über 2 Millionen) aus Usbekistan. Die meisten von ihnen sehen sich selbst als klassische Gastarbeiter. Da die zentralasiatischen Staaten in Russland als sichere Herkunftsländer gelten, wäre es auch sinnlos, auf einen Flüchtlings- oder Asylantenstatus zu hoffen.

Ein großer Teil dieser Menschen hält sich illegal und ohne Dokumente in Russland auf. Ihre korrekte zahlenmäßige Erfassung ist so gut wie unmöglich. Für die zentralasiatischen Volkswirtschaften wiederum sind die Überweisungen der Gastarbeiter buchstäblich lebensnotwendig. In Tadschikistan decken sie 40 Prozent und in Kirgistan 30 Prozent des Bruttosozialprodukts.


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