Von China ins Ruhrgebiet: Erfolgskonzept "Neue Seidenstraße"? - Duisburgs OB EXKLUSIV

  06 April 2019    Gelesen: 750
Von China ins Ruhrgebiet: Erfolgskonzept "Neue Seidenstraße"? - Duisburgs OB EXKLUSIV

Die „Neue Seidenstraße“ ist das größte Infrastrukturprojekt des Jahrhunderts: 11.000 Kilometer von China über Kasachstan und Russland bis nach Duisburg im Ruhrgebiet. Dem Duisburger Oberbürgermeister Sören Link geht es dabei nicht nur um Investitionen und Arbeitsplätze. Er setzt sich für eine deutsch-chinesische Zusammenarbeit auf Augenhöhe ein.

Herr Link, China baut am größten Infrastrukturprojekt seiner jüngeren Geschichte, 11.000 Kilometer lang ist die „Neue Seidenstraße“ und am Endpunkt liegt Duisburg. Damit kommt ihrer Stadt eine besondere Rolle zu. Warum eigentlich gerade Duisburg?

Duisburg ist ein ganz zentraler Logistik-Knotenpunkt in Deutschland, mitten in Europa. Und diese geografisch einmalige Lage wird noch dadurch positiv ergänzt, dass hier alle Verkehrsträger zusammenlaufen. Der Düsseldorfer Flughafen ist nur zehn Minuten von der Duisburger Innenstadt entfernt, der Rhein, die Ruhr, die Kanäle in der Umgebung machen die Anbindung an die Binnenschifffahrt möglich und damit auch an die Seehäfen. Und wir sind in Duisburg mitten in einem Straßen- und Bahnnetz, das seinesgleichen sucht. Das alles macht uns in Sachen Logistik zu einem einzigartigen Standort, und deshalb sind wir der zentrale Knotenpunkt in der neuen Seidenstraße für Deutschland und Europa.

Duisburg hat rund eine halbe Million Einwohner und liegt am Rande des Ruhrgebiets. Die Stadt hat den größten Binnenhafen der Welt und übrigens mehr Brücken als Venedig. Das haben also auch die chinesischen Investoren erkannt. Wie läuft die Kommunikation mit den Chinesen in Sachen Seidenstraße?

Zunächst einmal ist die Neue Seidenstraße wirklich ein unglaublich faszinierendes Jahrhundertprojekt. Ein Projekt, das nicht nur für China und für chinesische Investoren reizvoll ist, sondern es bietet eben auch eine Menge Perspektiven für deutsche und europäische Firmen. Entsprechend hat sich zum Beispiel in Duisburg in den letzten Jahren ein deutliches Netz an Firmen angesiedelt, die rund um die neue Seidenstraße Geschäfte in Europa und mit China machen. Deswegen ist die neue Seidenstraße in ihrer wirtschaftlichen Kraft noch lange nicht am Ende, sondern da sind noch jede Menge Wertschöpfungsmöglichkeiten drin, auch für deutsche Unternehmen.

Inzwischen kommen pro Woche bis zu 35 Züge aus China in Duisburgs Hafen an, rund einhundert chinesische Unternehmen gibt es mittlerweile in der Stadt. Welche Veränderungen bedeutet die Neue Seidenstraße für Duisburg und das Ruhrgebiet?

Es ist schön, dass die Anzahl der Züge aus China nach Duisburg immer größer wird. Noch schöner ist allerdings, dass die Zahl der von Duisburg aus nach China fahrenden beladenen Züge auch immer größer wird, so dass es in beide Richtungen Geschäfte gibt: Sowohl im In- als auch im Exportbereich. Das wiederum ist für Firmen relevant, die mit China Geschäfte machen wollen. Inzwischen arbeiten am Duisburger Hafen knapp 40.000 Menschen. Das ist ein Beleg dafür, dass die letzten Jahre ausgesprochen gut waren. Unsere Logistik-Konzepte greifen und sind erfolgreich. Das macht mir wiederum Mut, dass wir darauf auch aufbauen können. Logistik verändert sich und Logistik hat aus meiner Sicht vor allen Dingen die Perspektive eines qualitativen Wachstums, und das treiben wir hier aus Duisburg voran.

Im März 2014 war Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Duisburg, damals wurde offiziell die Neue Seidenstraße vorgestellt. Wer ist bei dem Projekt eigentlich der Haupt-Ansprechpartner der Stadt Duisburg: Chinas Regierung oder eher chinesische Firmen?

Zunächst sind das Wirtschaftskontakte, die beispielsweise über den Duisburger Hafen laufen, auch über die Duisburger Wirtschaftsförderung, unseren China-Beauftragten, oder über mich. Das sind Gespräche, die wir aus Duisburg heraus führen, um Investoren nach Duisburg zu bringen und passgenaue Lösungen anzubieten. In China selbst sind es ganz unterschiedliche Gesprächspartner: Sowohl die Regierung, was die Rahmenbedingungen angeht, als auch Unternehmen, die in Duisburg investieren oder Investitionen aus Duisburg und Deutschland heraus suchen. Und da bedienen wir uns natürlich auch der Hilfe des Generalkonsulats der Volksrepublik China in Düsseldorf, mit dem wir sehr eng, gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten.

In der kommenden Woche findet in Brüssel der EU-China-Gipfel statt. Mit welchen Erwartungen schauen Sie auf das Treffen?

Ich bin sehr gespannt auf dieses Treffen. Ich glaube, dass die letzten Jahre gezeigt haben, welches Potential die wirtschaftlichen Beziehungen zu China haben können – zum gegenseitigen Nutzen. Und wir sind jetzt an einem Punkt, wo man das eine oder andere auch Revue passieren lassen muss. Gleichzeitig muss man sich aber auch die Frage stellen, wie es jetzt weitergeht. Es ist hochspannend, das Projekt Seidenstraße weiterzudenken. Es ist auch hochspannend, die chinesische Technologieführerschaft, beispielsweise im Bereich Digitalisierung und „Smart City“, auch für Deutschland und deutsche Städte nutzbar zu machen. Auf der anderen Seite ist es ausgesprochen wichtig darauf hinzuwirken, dass gleiche Handelsbedingungen und gleiche wirtschaftliche Zugangsmöglichkeiten in beiden Richtungen vorhanden sind. Es gibt also eine ganze Menge abzustimmen. Wir sind da auf Augenhöhe, das ist mir wichtig zu betonen. Und auf Augenhöhe miteinander zu reden, ist ein erfolgreicher Weg, um gute Geschäfte zu machen und damit auch für Wohlstand in beiden Ländern zu sorgen.

Nun haben China und vor allem chinesische Investoren häufig den Ruf, nur deutsches Knowhow und deutsche Wirtschaftsleistung aufzukaufen. Sie sagen aber klar: Das Projekt Seidenstraße ist durchaus eine Win-Win-Situation?

Ja. Es ist so, dass im Bereich der Wirtschaft selten Altruismus angesagt ist, da geht es immer um gegenseitige Interessen. Es geht darum, die Interessen des anderen zu kennen, zu respektieren, aber eben auch eigene Interessen vertreten und durchsetzen zu können. Optimalerweise haben beide etwas von einem guten Geschäft. Und ich kann bislang aus Duisburger Sicht nur bestätigen, dass das chinesische Projekt Seidenstraße unglaublich reizvoll ist, mit Perspektiven auch für Deutschland. Wichtig wäre mir, dass wir deutsche Interessen, dass wir europäische Interessen klar definieren und dann auch in die Gespräche einbringen. Die chinesischen Interessen liegen klar auf der Hand. Die chinesischen Regierungsvertreter sind durchaus in der Lage, aus einer Position der Stärke heraus über Technologien zu reden. Denn im Bereich Digitalisierung beispielsweise sind wir schon lange nicht mehr an der Spitze, da sind uns chinesische Unternehmen mindestens ebenbürtig oder sie liegen sogar vor uns. Da kann man durchaus voneinander lernen und miteinander geschäftliche Beziehungen eingehen. Aus dieser Position heraus sollten die Gespräche zwischen Deutschland und China geführt werden, und dann sind sie auch gewinnbringend.

Duisburg ist ja schon lange nicht mehr nur die Stahlstadt im einstigen Kohlenpott, es gab und gibt viele Modernisierungsprojekte. Auch zahlreiche Logistik- und Technologiefirmen haben sich in Duisburg angesiedelt. Wird dieser Strukturwandel jetzt auch von der „Neuen Seidenstraße“ beeinflusst?

Strukturwandel ist etwas, das nie wirklich zu Ende ist. Das ist ein dauerhafter Prozess, den man immer wieder neu gestalten muss. Und insofern bietet die Neue Seidenstraße da auch eine Chance. Wir haben Perspektiven, wie das „China Trade Center“, das wir hier in Duisburg entwickeln wollen. Dort soll chinesischen Firmen, die nach Europa wollen, die hier Waren verkaufen oder handeln wollen, eine Plattform geboten werden. Daran arbeiten wir sehr konsequent. Wir haben mittlerweile eine Menge chinesischer Studierender, die hier in Duisburg studieren und wohnen, die wiederum auch Wirtschaftskraft generieren und Perspektiven für Arbeitsplätze schaffen, weil sie hier Firmen gründen. All das ist aus meiner Sicht wichtig, um Duisburg 2019 und darüber hinaus modern und zukunftsfähig auszurichten. Unsere Universität ist dabei ein ganz wesentlicher Partner, das dortige Konfuzius-Institut in dem Zusammenhang natürlich auch. Insofern haben wir unsere Bemühungen, Strukturwandel erfolgreich zu gestalten, in den letzten Jahren fokussiert, und ich bin damit bislang sehr zufrieden.

Die „Neue Seidenstraße“ führt von China über Kasachstan, Russland und Polen bis in den Westen Deutschlands. Spielen also jetzt auch Russland und Osteuropa eine größere Rolle für Duisburg?

Gerade Kasachstan ist hier in diesem Zusammenhang ein ganz wesentlicher Partner entlang der Neuen Seidenstraße. Nicht nur, was die Länge der Seidenstraße auf kasachischem Staatsgebiet angeht, sondern auch, was die Verteilung der Güter in Zentralasien und aus Zentralasien heraus zur Neuen Seidenstraße betrifft. Deshalb ist es gut, dass wir da partnerschaftliche Beziehungen aufbauen und auch über den Duisburger Hafen wirtschaftliche Beziehungen geknüpft haben und weiter vertiefen. Das spricht eben auch für die These, dass die Seidenstraße Gewinn und Perspektive für die daran beteiligten Länder bringt und eben nicht nur für China, was ja gemeinhin gerne mal unterstellt wird.

Wie wird es mit der Neuen Seidenstraße und Duisburg weitergehen? Was ist für die Zukunft geplant, und gibt es vielleicht schon konkrete neue Projekte?

Zunächst einmal werden wir unseren Beitrag dazu leisten, dass die Neue Seidenstraßesich weiterhin erfolgreich entwickelt: Dass die Verteilung in Zentral- und Westeuropa über Duisburg weiterhin erfolgreich laufen kann und Waren aus Zentral- und Westeuropa Richtung China über den Duisburger Binnenhafen abgewickelt werden können. Gleichzeitig wollen wir natürlich dafür sorgen, dass nicht nur Waren transportiert werden, sondern hier vor allem auch Wertschöpfung stattfindet und darüber hinaus sich eben auch chinesische Unternehmen in und um Duisburg ansiedeln. So können wir als Stadt und Region von dieser Neuen Seidenstraße profitieren. Ich glaube, dafür sind die Weichen gestellt, dafür sind die Grundlagen geschaffen, und das werden wir in den nächsten Jahren auch konsequent fortsetzen.

sputniknews


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