Grund sind „Gelbwesten“: Warum Frankreich bald Deutschland überholt

  23 November 2019    Gelesen: 1301
  Grund sind „Gelbwesten“:  Warum Frankreich bald Deutschland überholt

Nach Angaben der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) wächst Frankreichs Wirtschaft aktuell wohl stärker als die deutsche Volkswirtschaft. „Mehr Investitionen stärken französischen Binnenmarkt“, so Ökonomen. Auch die „Gelbwesten“ haben ihren Anteil. Skeptiker warnen vor „unrealistischen Erwartungen“ in Paris.

Die Volkswirtschaft Frankreichs hat nach neuesten Zahlen aktuell das deutsche Wirtschaftswachstum überholt. „Ökonomen und Manager reiben sich verwundert die Augen“, berichtete die „Tagesschau“ am Freitagvormittag. „In diesem Jahr wird Frankreichs Wirtschaft um 1,3 Prozent wachsen, prophezeit die OECD.“

Das französische Wachstum sei mehr als doppelt so stark wie die deutsche Wirtschaft, die nur um 0,6 Prozent zulegen werde, so die Organisation.

Frankreichs Wirtschaft: Optimistisch

Französische Unternehmen würden „erstaunlich optimistisch“ in die Zukunft schauen: Auch dank Steuer- und Abgabesenkungen durch die Regierung Macron. Es wurden mehr Investitionen getätigt. „Die Investitionsvorhaben in Frankreich befinden sich auf dem höchsten Stand seit drei Jahren.“ Außerdem mache sich die geringe Exportabhängigkeit des Landes bemerkbar. Die stärkere Orientierung auf den Binnenmarkt sei ein treibender Faktor. „Die Kauflaune der Franzosen lag im Oktober auf dem höchsten Niveau seit zwei Jahren.“

Paradoxerweise haben die Gelbwesten zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur in Frankreich selbst mit beigetragen, sagen Ökonomen. „Als späte Reaktion auf die Proteste beschloss Präsident Emmanuel Macron Konjunkturhilfen von zehn Milliarden Euro. Dazu zählen Steuernachlässe und ein staatlicher Lohnzuschuss für Geringverdiener.“ Davon würde die französische Wirtschaft nun profitieren.

Rollt „Flaute“ auf deutsche Wirtschaft zu?

Die OECD „rechnet mit einer anhaltenden Flaute der deutschen Wirtschaft“, meldete „Spiegel Online“ am Freitag. „Die deutsche Wirtschaft ist stark von der Industrie und vom Export abhängig. Die Spannungen im Welthandel könnten daher zu einem schwächeren Wachstum im kommenden Jahr führen.“ Auch Unsicherheiten aufgrund des „Brexits“ würden die Aussichten für die exportabhängige deutsche Wirtschaft verschlechtern.

Aber Deutschland stehe nicht allein da: „Spannungen im Welthandel führten im gesamten Euroraum zu einem Konjunkturabschwung“, heißt es in dem zitierten Bericht der Organisation.

Skeptische Stimmen: „Paris zahlt hohen Preis für Wirtschafts-Hoch“

Unterdessen warnen kritische Wirtschaftsexperten wie der französische Fonds-Manager Romain Boscher vor unrealistischen Erwartungen. Frankreich zahle einen „hohen Preis“ für die derzeitige Ankurbelung der Binnenkonjunktur. Der Staat würde sich für diesen „Erfolg“ weiterhin verschulden, während Deutschland sich momentan entschulde. Boschers Meinung nach dürfe nicht nur das allgemeine Wachstum im Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrachtet werden, sondern auch das BIP-pro-Kopf. In dieser Kategorie liege Deutschland nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit über 48.000 Dollar noch klar vor Frankreich mit nur rund 42.300 Dollar.

Außerdem sei die Arbeitslosenquote Frankreichs immer noch doppelt so hoch wie die Deutschlands.

Der aktuelle „Macron-Effekt“, so die „ARD“, „könnte aber schnell verpuffen. Denn die ‚Gelbwesten‘-Proteste sind zuletzt wieder aufgeflammt und könnten in den nächsten Wochen wieder zunehmen. Am fünften Dezember haben zahlreiche Gewerkschaften Proteste und Streiks gegen die geplante Rentenreform angekündigt. Die Stimmung in Frankreich ist explosiv. Es könnte ein heißer Dezember werden, der das gesamte Land lahmlegt. Das würde das Wirtschaftswachstum wieder bremsen. Es wird spannend, wie Frankreichs Staatschef mit den Protesten diesmal umgeht.“

„Gelbwesten“ planen europäische Groß-Demo

Die Generalvertretung der Gelbwesten in Deutschland kündigte in den letzten Tagen an, am Samstag in der Kleinstadt Vaals im Dreiländereck zwischen Holland, Belgien und der Bundesrepublik eine großangelegte europäische Demonstration  zu veranstalten, um gegen soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten zu protestieren. Dieser Gelbwesten-Protest steht unter dem Motto „Frankreich - Holland - Belgien und Deutschland: Friedlich vereint für eine bessere Zukunft Europas.“. Mehrere tausende Teilnehmer werden erwartet.

„Die Gelbwesten in Frankreich sind noch lange nicht tot“, berichtete der Blog der „taz“ in einem Podcast am Dienstag. Außerdem muss sich derzeit ein französischer Polizist vor einem Gericht verantworten für seine verübte Gewalt gegen Gelbwesten-Demonstranten im Mai in Paris. „Dem 44jährigen wird vor einem Pariser Gericht vorgeworfen, bei der Kundgebung am ersten Mai einen Pflasterstein in Richtung der Demonstranten geworfen zu haben“, berichtete dazu am Freitag die Zeitung „Junge Welt“. „Die Staatsanwaltschaft forderte drei Monate Haft auf Bewährung. Sie blieb damit deutlich unter der möglichen Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis.“ Der angeklagte Polizist behauptet, er habe den Stein „aus Reflex und aus Angst“ auf die Demonstranten, darunter viele Gelbwesten, geworfen.

sputniknews


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