Friedensforscher unterstützen schwere Waffen für Ukraine

  21 Juni 2022    Gelesen: 527
  Friedensforscher unterstützen schwere Waffen für Ukraine

Verhandlungen, die einen Krieg beenden, werden vor allem dann möglich, wenn die Gegner in einen Patt geraten. Nicht nur deswegen hält das Friedensgutachten 2022 die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine für richtig, sieht aber auch Risiken.

Für die umstrittene Lieferung auch schwerer Waffen an die überfallene Ukraine erhält die Bundesregierung nun Rückendeckung von vier führenden Instituten zur Friedensforschung. In ihrem Friedensgutachten 2022 sehen die Forscher die militärische Unterstützung der Ukraine als ein Mittel, die Kosten des Krieges für Russland möglichst hoch zu treiben, mit dem Ziel, “dass sich die russische Führung zu Verhandlungen bereitfindet”.

Aus der Konfliktforschung haben die Wissenschaftler “stabile Erkenntnisse”, dass Verhandlungen in Kriegssituationen vor allem dann möglich werden, wenn die Kriegsparteien in eine militärische Pattsituation geraten. Dann könnte den Gegnern klar werden, dass sie ihre politischen Ziele nicht mehr mit militärischen Mitteln erreichen könnten.

Bei der Kriegsführung gehe es für die westliche Allianz darum, “mit Waffenlieferungen den Widerstand der Ukraine zu unterstützen und sie in eine Verhandlungsposition der Stärke zu bringen, um ihr einen Platz am Verhandlungstisch erst zu ermöglichen”, sagt Ursula Schröder, Leiterin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Uni Hamburg, im Gespräch mit ntv.de.

Ein wichtiger Faktor ist dabei laut Gutachten, Russlands Kosten für den Krieg hochzutreiben. Dabei setzt Deutschland aus Sicht der Institute bereits die richtigen Mittel ein: Neben der militärischen Unterstützung auch ökonomische Sanktionen und diplomatische Isolierung. Dabei sei jedoch wichtig, gleichzeitig “diplomatische Auswege aus dem Krieg aufzuzeigen”.

Drittparteien können helfen, einen Krieg zu beenden

Damit sind nicht etwa die regelmäßigen Telefonate gemeint, die westeuropäische Staatschefs wie Emmanuel Macron oder Olaf Scholz mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin führen. “Vermittlung heißt, dass man konzertiert vorgeht und mit mehreren Akteuren abgestimmt versucht, eine Verhandlung vorzubereiten”, so Expertin Schröder. Dabei seien Kriegsführung und die Vorbereitung von Verhandlungen keine Alternativen, sondern müssten parallel laufen. Solche Bemühungen sehe sie derzeit noch nicht.

“Wir wissen aus der Forschung, dass Drittparteien dazu beitragen können, dass ein Krieg beendet wird.” Diese Rolle könnten auch mehrere Staaten gemeinsam übernehmen, die von Russland und der Ukraine selbst ausgesucht würden, um sich mit ihnen an einen Tisch zu setzen.

Um den sogenannten “reifen Moment” nicht zu verpassen, der in Kriegen auftreten kann, und in dem solche Verhandlungen dann möglich werden, “müssen die technischen Optionen für Verhandlungen jetzt vorbereitet werden”, so die Expertin. Dieser “richtige” Moment sei schwer zu erkennen. Hinter verschlossenen Türen müsse man daher schon zuvor an einem solchen Szenario arbeiten, “auch wenn jetzt noch keine sinnvollen Verhandlungen zu erwarten sind”.

Das allerdings gehe nicht ohne die Unterstützung der Ukraine, die auch in allen hoheitsrechtlichen Fragen selbst entscheiden müsse. Aus Sicht der Gutachter müssen Waffenlieferungen ständig darauf überprüft werden, ob sie das in sie gesteckte politische Ziel noch erreichen - im konkreten Fall also die gute Verhandlungsposition gegenüber Russland. Denn die positiven Effekte müssten immer mit den negativen Folgen abgewogen werden.

Das nukleare Eskalationspotential ist real geworden

“Aus der Forschung wissen wir, dass Waffenlieferungen mittel- bis langfristig negative Folgen haben werden für die Menschen in der Region und auch weltweit.” Die Gefahr ist demnach vor allem bei sogenannten “leichten” Waffen sehr groß, dass sie unkontrolliert und ungehindert in andere Länder transferiert werden. Die Forschung sehe jetzt schon in der Ukraine, “dass die Lieferung von Waffen das globale Konfliktgeschehen beeinflussen kann, weil diese Waffen mittelfristig weiterverkauft werden. Das sind einfach Risikoabwägungen, die man kennen muss”.

Ebenso wollen die Forschungseinrichtungen die Gefahr einer nuklearen Eskalation mitbedacht wissen. “Wir sind der Überzeugung, dass Risikominimierung betrieben werden muss”, so Schröder. Man müsse sehr gut überlegen, welche politischen Schritte von Russland als Eskalation wahrgenommen werden könnten, und wie man das Risiko minimiere. Hierbei geht es aus Sicht der Forscher nicht um ein “Vetorecht” über die außenpolitischen Entscheidungen Deutschlands, sondern darum, miteinzubeziehen, “dass das nukleare Eskalationspotential gerade real geworden ist. Und das ist gefährlich”.

Quelle: ntv.de


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