Patient mit "Nicht Wiederbeleben"-Tattoo verunsichert Ärzte

  06 Dezember 2017    Gelesen: 926
Patient mit "Nicht Wiederbeleben"-Tattoo verunsichert Ärzte
Als ein bewusstloser Patient in Miami in ein Krankenhaus eingeliefert wird, wollen die Ärzte lebensverlängernde Maßnahmen ergreifen. Doch die Tätowierung auf der Brust des Mannes sorgt für Irritation.
"Do Not Resuscitate" ("Nicht Wiederbeleben") prangt in großen Buchstaben auf der Brust eines bewusstlosen 70-Jährigen, der in die Notaufnahme des Jackson-Memorial-Krankenhauses in Miami gebracht wird. Der Mann ist alkoholisiert und hat Vorhofflimmern, an Vorerkrankungen sind außerdem ein chronisches Lungenleiden und Diabetes bekannt. Für die Ärzte zeichnet sich ab, dass sie bald lebensrettende Maßnahmen ergreifen müssten.

Aber dürfen sie das überhaupt trotz der Tätowierung, die der Patient offenbar sogar unterschrieben hat? Ist das Tattoo vergleichbar mit einer Patientenverfügung? Oder machen sich die Mediziner sogar strafbar, wenn sie dem Mann nicht helfen?

Wie die Ärzte im Fachblatt "New England Journal of Medicine" berichten, verunsichert sie das ethische und rechtliche Dilemma stark, in das die Aufschrift sie bringt. Sie entscheiden sich zunächst für lebensverlängernde Maßnahmen: Sie folgen damit nach eigenen Aussagen dem Prinzip, keinen unumkehrbaren Weg einzuschlagen, solange es noch Unsicherheiten gibt.

Wette verloren?

"Damit haben die Ärzte genau richtig gehandelt", sagt Stefan Kluge, Präsidiumsmitglied der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin zum SPIEGEL. Von vergleichbaren Fällen in Deutschland habe er zwar noch nicht gehört, es könnte aber durchaus dazu kommen. Die behandelnden Ärzte müssten dann trotzdem alle Maßnahmen ergreifen, um den Patienten zu stabilisieren, sonst drohe eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung. "Man kann ja nicht wissen, ob der Wunsch noch aktuell ist und ob der Patient sich über das Ausmaß der Entscheidung im Klaren war", sagt Kluge.

2012 etwa berichteten Mediziner in der Fachzeitschrift "Journal of General Internal Medicine" von einem Mann in den USA, der für eine größere Operation in einem Krankenhaus aufgenommen wurde. Vor dem Eingriff entdeckten die Ärzte drei tätowierte Buchstaben: "D.N.R.", die Abkürzung für "Do Not Resuscitate". Als die Ärzte ihn darauf ansprachen, sagte der Patient, das Tattoo sei lediglich das Ergebnis einer verlorenen Wette, er wolle sehr wohl im Notfall wiederbelebt werden.

Die Ärzte des 70-Jährigen in Miami sind jedoch weiterhin unsicher, ob sie sich richtig entschieden haben. Sie fragen die Ethik- und Rechtsexperten der Klinik um Rat. Diese vertreten die Auffassung, die Tätowierung sei präzise formuliert und empfehlen den Ärzten, sich daran zu halten. Nachdem die Identität des Mannes geklärt ist, machen die Sozialarbeiter der Klinik auch eine schriftliche Patientenverfügung ausfindig. Darin hat sich der Patient ebenfalls gegen lebensverlängernde Maßnahmen entschieden.

Keinen Notarzt, bitte

Wer nicht wiederbelebt werden wolle, sollte eine Patientenverfügung verfassen, rät auch Kluge. Doch auch diese könne in Notfällen nicht immer zum Tragen kommen: "Patientenverfügungen sind oft mehrere Seiten lang, die können sich Ärzte im Notfall nicht durchlesen. Sie müssen schließlich innerhalb von Sekunden entscheiden", sagt Kluge.

Kommt es jedoch zu einem erwartbaren Herzstillstand, werde der Wunsch des Patienten berücksichtigt. "Ältere Patienten, die in Pflegeheimen leben, können beispielsweise verfügen, dass das Pflegepersonal gar nicht erst den Notarzt alarmiert, wenn es zu einem Kreislaufversagen kommen sollte", sagt Kluge.

Als sich der Zustand des Patienten in Miami weiter verschlechtert, verzichten die Ärzte auf eine künstliche Beatmung - für sie steht die Entscheidung aufgrund der Empfehlung der Ethikexperten und der Patientenverfügung nun nicht mehr infrage. Der Mann stirbt einen Tag, nachdem er ins Krankenhaus eingeliefert worden ist.

Das Fazit der Mediziner: "Das Tattoo 'Nicht Wiederbeleben' hat mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit geschaffen."

Quelle : spiegel.de

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