Was kommt nach den Marschflugkörpern?

  16 April 2018    Gelesen: 1581
Was kommt nach den Marschflugkörpern?

Russland verurteilt die Luftangriffe westlicher Staaten auf mutmaßliche Chemiewaffenfabriken in Syrien scharf, die Lage zwischen beiden Lagern wird immer angespannter. Droht der Welt ein neuer Kalter Krieg?

Die Fronten zwischen dem Westen auf der einen Seite und Russland auf der anderen sind schon seit langem verhärtet, spätestens aber seit dem Fall Skripal ist die Angst vor einem neuen Kalten Krieg keine ganz irrationale mehr. Dass die Luftschläge westlicher Staaten auf das von Russland gestützte Assad-Regime in Syrien nicht unbedingt zur Verbesserung der Situation beigetragen haben, ist klar. Was den Marschflugkörpern nun folgen soll, eher weniger. Anne Will und ihre Gäste versuchen am Sonntagabend eine Antwort zu finden.

Im Studio Platz genommen haben der CDU-Politiker Norbert Röttgen, der stellvertretende Fraktionschef der FDP Alexander Graf Lambsdorff, Jan van Aken von den Linken, ARD-Journalistin Golineh Atai sowie der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger.

Der erfahrene Diplomat ist es auch, der dem Ganzen bereits zu Beginn die Spitze nimmt: "Russlands Bruttosozialprodukt ist geringer als das von Italien", gibt Ischinger zu bedenken. Das Land könnte "niemals einen großen Krieg mit irgendjemandem führen, sonst wäre es nach zwei Tagen am Ende." Deshalb werde Putin auch versuchen, "irgendwie unter Gesichtswahrung aus Syrien rauszukommen." Was allerdings nichts daran ändere, dass der Westen eine Beendigungsstrategie für den Syrienkrieg bräuchte.

"Bestrafung" oder "präventive Maßnahme"?
Das findet auch Norbert Röttgen, der im Bundestag dem Auswärtigen Ausschuss vorsitzt: "Wenn wir dem militärischen Vorgehen kein diplomatisches folgen lassen, dann haben wir versagt." Wie das aussehen könnte, ist zwar nicht ganz klar, allerdings sollte Deutschland dabei die im neuen Koalitionsvertrag angekündigte Führungsrolle übernehmen: "Die Forderung, an diesen Militärschlägen teilzunehmen, bei denen wir ohnehin nicht gebraucht werden, halte ich für fehl am Platz. Denn dort geht es ja nicht um Führungsverantwortung, das ist unser eigentliches Thema. Bei dem müssen wir Courage beweisen."

In eine ähnliche Richtung zielt auch der stellvertretende Fraktionschef der FDP, die Positionen der beiden Politiker unterscheiden sich nur in Nuancen: Wo Alexander Graf Lambsdorff von "Bestrafung" spricht, will Röttgen die Luftschläge lieber als "präventive Maßnahme" verstanden wissen. Und während Lambsdorff davon überzeugt ist, dass der französische Präsident von den Deutschen wegen ihrer Nicht-Beteiligung enttäuscht sei, kann sich Röttgen das absolut nicht vorstellen. "Ich bin aber morgen in Paris und werde mich mal umhören", schiebt der CDU-Politiker leicht süffisant hinterher.

Jan van Aken lehnt die Luftschläge kategorisch ab und ist auch enttäuscht von der Reaktion der Bundesregierung: "Als vor einem Jahr in Syrien Giftgas eingesetzt wurde, sagte die Kanzlerin: Erst mal abwarten. Jetzt im Fall Skripal legte sich Frau Merkel nach zwei Tagen fest, genau wie bei diesem Luftangriff. Das ist doch eigentlich gar nicht Merkels Stil." Reaktionen müssten "rechtsstaatlich" erfolgen, fordert der Linken-Politiker - und will wissen, "warum die Stunde der Diplomatie ausgerechnet jetzt" gekommen sei, wo doch schon seit sieben Jahren Bürgerkrieg in Syrien herrsche. Und überhaupt: "Ich glaube den Amerikanern in Sachen Bio- und Chemiewaffen nie wieder".

Golineh Atai findet es zwar grundsätzlich gut, dass die Linke die Position der Bundesregierung in Frage stellt, zweifelt aber an der ideologischen Eigenständigkeit der Partei: "Wo bleibt die Distanz, wenn Ihre Partei den Fragenkatalog der Russen eins zu eins übernimmt?" Gute Frage. Allerdings eine, die sich nicht nur die Linke stellen muss. So ganz unvoreingenommen dürfte bei dem Thema momentan schließlich kaum jemand sein.

n-tv


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