Worüber streiten Europa und die USA?

  23 April 2018    Gelesen: 1440
Worüber streiten Europa und die USA?

Ende der Woche besucht Kanzlerin Merkel zum zweiten Mal Donald Trump in Washington. Schon heute reist der französische Präsident Macron in die USA. Beide wollen mit dem US-Präsidenten Streitfragen wie Syrien und die Handelsbeziehungen diskutieren. Ein Überblick.

Die transatlantischen Beziehungen werden gerne als Grundlage internationaler Politik überhaupt beschworen, faktisch aber steht es seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump nicht gut um das amerikanisch-europäische Verhältnis. Wenn im Laufe des Tages Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Ende der Woche Kanzlerin Angela Merkel nach Washington kommen, liegen eine ganze Reihe von Streitpunkten und Konflikten auf dem Tisch.

Wie stehen die Chancen, einen Handelskrieg doch noch abzuwenden?

Die angedrohten Strafzölle auf Stahl und Aluminium dürften das heikelste Thema der Besuche bei Trump werden. Allerdings würde Deutschland davon erheblich härter getroffen als Frankreich. Noch hat Berlin offensichtlich keinen Hinweis darauf, ob die bis zum 1. Mai ausgesetzten Zölle für die EU nun kommen oder nicht. Merkel hofft mit Blick auf die chinesischen Überkapazitäten auf eine "Konvergenz der europäischen Länder und der Vereinigten Staaten von Amerika". Schließlich gebe es eine "transatlantische Schicksalsgemeinschaft". Es scheint gut möglich, dass sich Trump mit Drohen und Poltern durchsetzt und die Europäer Zugeständnisse machen.

Gibt es eine gemeinsame Linie im Syrien-Konflikt?

Macron hatte schon im Wahlkampf die Linie vertreten, dass Militärschläge nur als Teil einer größeren politischen Strategie Sinn ergeben. Die westlichen Luftangriffe sind ein Prüfstein für diese Linie - Frankreich bemüht sich intensiv um neue diplomatische Initiativen. Diese haben aber kaum Erfolgschancen ohne das politische Gewicht der USA, die sich eigentlich aus dem Nahen Osten heraushalten wollen.

Für Merkel hat die deutsche Nicht-Teilnahme am amerikanisch-britisch-französischen Militärschlag in Syrien die Sache nicht leichter gemacht. Macron äußerte zwar bei seinem Besuch in Berlin auch Verständnis für die deutsche Position "aus Verfassungsgründen". Das wird Trump aber sicher anders sehen. Etwas wie ein deutscher Parlamentsvorbehalt ist ihm fremd.

Das gilt auch für die Flüchtlingszahlen. Seit dem Beginn des Bürgerkriegs sind mehr als 700.000 Syrer nach Deutschland geflohen. In den USA ist die Zahl aufgenommener syrischer Flüchtlinge seit Trumps Amtsantritt dagegen weiter deutlich rückläufig. Waren es in 2017 bereits nur noch 3024 Menschen, ist die Zahl in den vergangenen fünf Monaten auf elf aufgenommene syrische Flüchtlinge gesunken.

Wie wichtig wird das Thema Verteidigungsausgaben?

Abgeräumt ist es jedenfalls nicht. Bei ihrem ersten Besuch bei Trump im März 2017 musste sich Merkel massive Vorwürfe anhören, weil Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel weit verfehle. Trump sprach wenig später sogar von "riesigen Summen", die Deutschland der Nato "schulde". Kaum anzunehmen, dass das Thema diesmal ausgeklammert wird. An der Ausgangslage hat sich wenig geändert. Im Koalitionsvertrag ist von den 2014 in der Nato vereinbarten 2 Prozent des BIP nicht die Rede. Derzeit liegt Deutschland etwa bei 1,2 Prozent. Die Atommacht Frankreich steckt dagegen mit 1,8 Prozent einen deutlich höheren Teil ihrer Wirtschaftskraft ins Militär.

Ist das Atomabkommen mit dem Iran noch zu retten?

Sowohl Deutschland als auch Frankreich liegt viel daran, das Atomabkommen mit dem Iran zu bewahren. Dafür machen sie sich auch die Forderung Trumps nach neuen Sanktionen wegen der Rolle des Iran im Syrien-Krieg zu eigen. Aber zugleich betonen sie, dass Teheran die Verpflichtungen aus dem Abkommen von 2015 einhalte. In Washington wird von deutscher Seite die Hoffnung geäußert, dass die USA nicht aussteigen. Wichtig wird hier auch die Rolle von Mike Pompeo sein, dem designierten neuen US-Außenminister.

Und das Thema Russland?

Es gibt keine gemeinsame Haltung der USA und Europas, wie mit Moskau umzugehen ist. Darauf gibt es schon in Europa verschiedene Antworten und in Deutschland selbst allemal. Jüngst sah es in der Reaktion auf die Russland vorgeworfene Vergiftung eines Ex-Spions in England erstmals seit langem wieder nach einem Schulterschluss aus. Trump soll aber dann namentlich die deutsche Haltung zu lasch gewesen sein. Syrien, Nato, Wahlbeeinflussung, angebliches Hacking, Ukraine, Geopolitik - die Liste ungeklärter Felder ließe sich problemlos erweitern. Das Verhältnis der USA zu Russland ist derweil auf einem Tiefpunkt.

Wie steht es beim Klimaschutz?

Nach der US-Kehrtwende beim Pariser Klimaabkommen hatte Macron ganz offensiv US-Wissenschaftler nach Frankreich eingeladen - und dabei auch noch Trumps Wahlkampfslogan abgewandelt: "Make our planet great again." Die ursprünglich geäußerte Hoffnung, Trump beim Klimaabkommen wieder an Bord zu holen, wird inzwischen auch in Paris nicht mehr ernsthaft vorgebracht. Das Thema ansprechen will Macron aber schon. Auch Merkel hat da eine klare Position. Der Koalitionsvertrag bekennt sich eindeutig zu dem Pariser Abkommen.

Was bleibt von den gemeinsamen Werten des Westens?

Macron hatte der Verteidigung der "liberalen Demokratie" gegen autoritäre Tendenzen in seiner Rede im EU-Parlament viel Raum gegeben. Das Thema Demokratie und Werte könne auch beim Gespräch mit Trump aufkommen, heißt es in Paris - und es werde zu den zentralen Themen von Macrons Rede vor dem Kongress gehören. Merkel hatte schon nach Trumps aggressivem Wahlkampf zu dessen Amtsantritt die Wahrung gemeinsamer Werte wie Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit als Bedingung für eine Zusammenarbeit genannt.

Trump wiederum kann mit diesen Werten nicht viel anfangen und wird ohnehin höchst ungern belehrt. In seinem ersten Jahr war das Thema der Werte immer wieder einmal in Reden platziert, aber seither lebt und führt er nicht danach. Globale Werte und Themen, transnationale Bemühungen und eine internationale Gemeinschaft - das passt alles nicht zu einem Mann, der den harten Kern seiner Basis immer wieder mit dem Hammer des "America first" schmiedet.

n-tv


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