Gehirn lebt außerhalb des Körpers weiter

  01 Mai 2018    Gelesen: 1152
Gehirn lebt außerhalb des Körpers weiter

Von Science-Fiction zur Realität: Forschern ist es gelungen, Schweinegehirne 36 Stunden lang am Leben zu halten - allerdings ohne Bewusstsein. Müssen wir unser Verständnis von Leben und Tod hinterfragen?

Meist verschieben die Bio-, Gen- und Neurowissenschaftler die ethischen Grenzen ihres Faches ganz langsam. In kleinen, kaum merklichen Schritten erweitern sie die Möglichkeit, menschliches Erbgut, menschliche Zellen oder menschliches Gewebe zu manipulieren. Und irgendwann fragt man sich verwundert: Was tun sie da eigentlich? Und: Dürfen sie das überhaupt?

Doch manchmal gibt es auch einzelne Experimente, die in einem Schritt plötzlich alles in anderem Licht erscheinen lassen; neue Techniken, die unvermittelt Science-Fiction zu Wirklichkeit machen. Das Verfahren, das jetzt Nedan Sestan entwickelt hat, ist von dieser Sorte.

Der Neurowissenschaftler hat an der amerikanischen Yale University Gehirne von Schweinen außerhalb ihres Körpers am Leben erhalten. 36 Stunden lang habe er die den Tieren entnommenen Organe mit Kunstblut durchströmt und die Zellen so mit dem nötigen Sauerstoff versorgt, berichtet die Zeitschrift "MIT Technology Review". Theoretisch, meint Sestan, sei durchaus vorstellbar, ein Gehirn auch dauerhaft in Kultur zu halten. Das lebendige "Hirn im Glas", von dem Philosophen und Science-Fiction-Autoren seit Langem fantasieren, ist Realität geworden.

Enormer Energiebedarf

"Das Verfahren ist nicht schweinespezifisch", erklärte der Forscher auf einem Workshop der US-Gesundheitsbehörde NIH. Im Prinzip eigne es sich auch für andere Tiere, etwa für Primaten - auch für den ethisch heikelsten von ihnen: den Menschen. Chirurgen hätten bei ihm bereits angefragt, ob die Methode nicht möglicherweise auch medizinisch nutzbar sein könnte, erzählte Sestan. Die Ärzte würden am liebsten bestimmte Krebs- oder Alzheimertherapien an nackten Gehirnen testen, ehe sie sie an Patienten erproben.

Technisch besteht die besondere Leistung des Teams in Yale darin, dass sie die sogenannte Mikrozirkulation des Nervengewebes im Labor aufrechterhalten haben. Denn Neuronen sind empfindlich, und ihr Energiebedarf ist enorm. Es erfordert viel Raffinesse, sie fortwährend durch das feine Geflecht der winzigen Blutkapillaren mit Sauerstoff zu beliefern.

spiegel


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