Der Feind im Weißen Haus

  20 Juni 2018    Gelesen: 1582
Der Feind im Weißen Haus

Trumps jüngste Lügen sind ein offener Angriff auf die Bundesregierung und die Europäische Union. Dieser US-Präsident war nie ein Partner, er ist ein aggressiver Gegner. Man sollte ihn endlich entsprechend behandeln.

 

Wladimir Putin handelt verdeckt. Der russische Präsident kontrolliert eine ausgefuchste Desinformationskampagne. Ziel dieser Geheimoperation ist es, die Bevölkerungen westlicher Staaten zu verunsichern, ihre Institutionen in Misskredit zu bringen, die Gesellschaft zu spalten, Wahlen zu beeinflussen und letztlich die liberale Demokratie zu Fall zu bringen. Trotzdem glauben nicht wenige Menschen hartnäckig daran, Putin sei unschuldig und die Behauptung des Gegenteils eine böswillige Fabrikation westlicher Dienste. Alles nur Verschwörungstheorie?


An den Absichten Donald Trumps jedenfalls kann niemand mehr zweifeln. Seit er im Amt ist, führt Trump einen Vernichtungsfeldzug gegen multilaterale Abkommen aller Art. Außenpolitik interessiert diesen Mann nicht, sie ist ihm lediglich Instrument seiner nach innen gerichteten, nationalistischen "America first"-Ideologie. Kooperation gilt Trump als Schwäche. Jüngster Beleg: Die USA ziehen sich aus dem Uno-Menschenrechtsrat zurück.

Trump handelt offen. Der amerikanische Präsident betreibt seine immerwährende Desinformationskampagne nun auch höchstpersönlich gegen die Bundesrepublik Deutschland. Er benutzt sie, um seine moralisch verkommene Flüchtlingspolitik vor der US-Bevölkerung zu rechtfertigen. Die herzzerreißenden Szenen an der südlichen US-Grenze, wo weinende Kinder brutal von ihren Eltern getrennt werden, weil diese den Fehler gemacht haben, in den USA ein besseres Leben für sich und ihre Familien suchen zu wollen, bringen Trump mittlerweile selbst bei eingefleischten Unterstützern in Bedrängnis. Seine "Null-Toleranz-Politik" ist ein PR-Desaster, das er nun mit allen Mitteln einzudämmen versucht - auch mit Angriffen auf Deutschland.

Die hiesige Koalitionskrise im Streit um die Flüchtlingspolitik nahm der US-Präsident zum Anlass einer beispiellosen Einmischung. Das deutsche Volk wende sich von seiner Führung ab, twitterte Trump geradezu schadenfroh, die Kriminalitätsei stark angestiegen, log er. In ganz Europa habe man den großen Fehler begangen, Millionen Menschen hereinzulassen, die die dortige Kultur auf gewaltsame Weise stark verändert hätten.

Abgesehen davon, dass auch das gelogen ist, schreibt es ausgerechnet ein Mann, der wie aktuell kein zweites menschliches Wesen verantwortlich ist für den brachialen Versuch, all das einzureißen, was mühsam seit dem Zweiten Weltkrieg an politischer Kultur des Miteinanders zwischen den Völkern aufgebaut wurde.

In einer zweiten Einlassung wiederholte Trump seine Lüge von der angestiegenen Kriminalität in Deutschland und setzte eine weitere Behauptung drauf: Beamte würden diese Verbrechen nicht melden wollen. Trumps Tweets lesen sich wie direkt aus einer untergangsbesoffenen Pegida-Rede abgeschrieben.

Von Donald Trump ist die Welt mittlerweile einiges gewöhnt, er macht sie mürbe. Aber Abstumpfung darf nicht dazu führen, seine aggressive Unverfrorenheit zu normalisieren und hinzunehmen. Die ohne Beleg vorgebrachte Unterstellung, die Bundesregierung und die staatlichen Behörden würden die Bevölkerung bewusst über das wahre Ausmaß der hiesigen Kriminalität belügen, darf nicht folgenlos bleiben. Seine Anstachelung der Wutbürger ist nichts anderes als der offene Angriff einer fremden Macht auf die Regierung dieses Landes. Aus diesem Weißen Haus wird der direkte Versuch unternommen, die Bundesrepublik Deutschland zu destabilisieren.

 

Angela Merkel hat angesichts dieser Bedrohung viel zu verhalten reagiert. Die Kanzlerin verwies lediglich kurz auf die jüngst von Bundesinnenminister Horst Seehofer vorgelegte Kriminalstatistik - die spreche für sich. Tatsächlich ist die Kriminalität demnach leicht gesunken, und wenn es einen deutschen Politiker gibt, dem man in dieser Sache keine Beschönigung unterstellen kann, dann ist es Seehofer.

Nein, dieser US-Präsident war nie ein Partner, er ist ein erbitterter Gegner. Wir sollten endlich anfangen, ihn dementsprechend zu behandeln. Eine Einbestellung des US-Botschafters und formaler Protest können da nur erste Schritte sein. Die Beziehungen zu dieser US-Regierung sollten auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Es ist auch nicht mehr nötig, weiterhin einen freundlichen Umgang vorzutäuschen. Deutschland und die Europäische Union sollten jegliche höfliche Selbstbeschränkung in der öffentlichen Bewertung dieser US-Regierung aufgeben. Der Gesprächsfaden zu ihr darf zwar nicht abreißen, aber mehr als ein Faden kann es nicht mehr sein. Wir wussten schon lange, dass wir uns auf die USA unter Donald Trump nicht mehr verlassen können. Spätestens jetzt ist klar: Wir müssen uns vor ihm schützen.

spiegel


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