Rückkehr der 650 km/h-Flunder

  13 Juli 2018    Gelesen: 1295
Rückkehr der 650 km/h-Flunder

Er hätte das schnellste Auto der Welt werden sollen und ist doch keinen Meter gefahren: Nach 80 Jahren hat das Mercedes-Museum den Rekordwagen T-80 restauriert.

12 Zylinder mit 44 Liter Hubraum, 3500 PS und bei Vollgas 650 km/h schnell: Der Mercedes T-80 ist zwar schon rund 80 Jahre alt, doch mit Daten wie diesen kann sich der Oldtimer selbst mit aktuellen Supersportwagen wie dem Bugatti Chironoder dem McLaren Senna messen.

Dumm nur, dass der Silberpfeil diese Fabelwerte nur in der Theorie erreicht hat. Denn ersonnen vom Rennfahrer Hans Stuck, gefördert von Luftwaffengeneral Ernst Udet, abgenickt von Daimler-Chef Wilhelm Kissel und ausgeführt von Entwicklungsingenieur Ferdinand Porsche, sollte der acht Meter lange Einsitzer zwar für Mercedes und das Deutsche Reich den Geschwindigkeitsweltrekord für Landfahrzeuge einfahren. Doch dazu kam es nicht, da Deutschland am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg auslöste.

"Das Ziel war eine Geschwindigkeit, die zuvor kein Landfahrzeug erreicht hat", erklärt Gert Straub aus der Werkstatt des Mercedes-Museums. Das war umso herausfordernder, als in diesen Jahren britische Fahrer in Daytona Beach und auf den Bonneville Salt Flats immer neue Rekorde aufstellten: Malcolm Campbell erreichte am 3. September 1935 mit "Blue Bird" 484,62 km/h über die fliegende Meile, eine Angabe, die den Mittelwert aus Hin- und Rückfahrt bezeichnet. George Eyston knackte am 19. November 1937 mit "Thunderbolt" die 500-km/h-Marke (502,11 km/h über den fliegenden Kilometer). Und John Cobb legte schließlich am 23. August 1939 mit dem "Railton Special" eine neue Bestmarke von 595,04 km/h über den fliegenden Kilometer vor. Dementsprechend verschob sich die von Stuck geplante Rekordgeschwindigkeit von 550 km/h zunächst auf 600 km/h und schließlich sogar auf bis zu 650 km/h.

Der T-80 wird von Mercedes am 14. und 15. Juli in Goodwood präsentiert

Um dieses Tempo zu schaffen, entschied sich Konstrukteur Porsche für einen Flugmotor von Mercedes-Benz, der mit Methanol auf bis zu 3500 PS gesteigert wurde. Eingebaut wurde er in ein Auto, wie es die Welt bis dahin noch nicht gesehen hatte: Kaum hüfthoch, mit riesigen Heckflossen und sechs Rädern an drei Achsen sollte er im Februar 1940 über ein neues Autobahnstück bei Dessau fliegen. Doch nach dem Kriegsbeginn wurde das Prestigeprojekt gestoppt. Der hinter dem Fahrer eingebaute Motor ging zurück ans Luftfahrtministerium und der Rest des Rennwagens wurde in Stuttgart eingelagert.

Doch nun, am 14./15. Juli, feiert der T-80 ein spätes Comeback - passenderweise in Goodwood beim Festival of Speed. Dort wird er zwar nicht den berühmten Hillclimb hinauf schießen, nicht einmal durch die Boxengasse rollen. Doch Mercedes wird den Wagen dort zeigen, nachdem die Mechaniker aus dem unternehmenseigenen Museum Fahrgestell und Rahmen des Wagens beinahe zwei Jahre restauriert und rekonstruiert haben, die Hülle fehlt.

Aber gerade das macht den Reiz der Restaurierung aus, sagt Straub, der die Arbeiten geleitet und initiiert hat: "Ohne Karosserie bekommt man einen perfekten Eindruck von der Technik, die damals verwendet wurde". Beim Blick auf das Gestell erkennt man die endlosen Dimensionen des Rekordwagens, der 8,24 Meter lang aber nur 1,74 Meter breit ist, der Betrachter erhält eine ziemlich genaue Vorstellung des Aufbaus, sieht das vom Original erhaltene Cockpit und vor allem den bald zwei Meter langen Motor. In diesen kann man sogar hineinschauen. Das beeindruckende Aggregat war als Anschauungsobjekt bereits im Besitz von Daimler, wurde zwischenzeitlich an das Deutsche Museum ausgeliehen und eigens für die Restaurierung wieder zurück beordert.

spiegel


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