Ist Neubeginn der deutsch-russischen Beziehungen von US-Politik abhängig?

  13 Oktober 2018    Gelesen: 1029
Ist Neubeginn der deutsch-russischen Beziehungen von US-Politik abhängig?

Seit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident ist die globale Politik unberechenbarer geworden. Abkommen werden einseitig gekündigt, die Handelspolitik als Druckmittel benutzt. Der Einfluss der neuen US-Politik auf die Beziehungen Deutschlands und Russlands wurde von Experten beider Länder diskutiert.

Laut Alexander Dynkin, Präsident des Primakow-Instituts für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen, wird die Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen eine positive Rolle spielen, aber diese Beziehungen können sich nicht sofort zum Besseren hin ändern.

„Eine Alternative zu Trump wäre noch schlimmer. Die Clinton-Bush-Dynastieist eine Art politisches Zentrum, das nichts Neues geboten hatte. Trump ist ein erstaunlicher Mensch, er erfüllt Punkt für Punkt seine Wahlversprechen. Trump verändert viele Grundsätze der Weltarchitektur und zwingt Europa dazu, mehr an die eigenen Interessen zu denken. Wir sehen, dass Trump und die Europäer eine Bipolarität beschleunigt aufbauen, indem sie von zwei Seiten her auf Russland und China einwirken. Dies hat bereits zu einer Situation geführt, die etwa bedeutet: Wir sind nicht dagegen, aber wir sind nicht immer zusammen. Wenn der Druck jedoch anhält, kann sich alles ändern“, sagte Dynkin bei der Diskussion „Donald Trump und die Neuvermessung der Welt“, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Moskau organisiert wurde.

Die außergewöhnliche Politik von Donald Trump, seine Haltung gegenüber internationalen Organisationen und seine unerwarteten Handlungen beeinflussen die Beziehungen zwischen der EU und Russland. Es gebe zwei Wege aus der Krise, so der Politikwissenschaftler.

„Es gibt einen isolationistischen, protektionistischen Ausweg, wie etwa Brexit und Trump. Es gibt aber auch einen integrativeren Ausweg, verkörpert durch Macron und teilweise auch durch Merkel, wenn ihre innenpolitischen Positionen heute stärker wären. Bestimmend für das Maß der Annäherung zwischen Russland und Deutschland sind die Präsenz der US-Streitkräfte und Atomwaffen auf deutschem Boden sowie die Luftstützpunkte, an denen US-Frachtgüter außerhalb der Kontrolle der deutschen Regierung transportiert werden.“

Es sei jedoch ziemlich schwierig, eine neue europäische Sicherheitsarchitektur aufzubauen, ohne die Schlüsse aus der Vergangenheit gezogen zu haben, sagt der Experte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion habe man erwartet, dass mittel- und osteuropäische Länder Nationalstaaten mit einer Demokratie wie in der Schweiz aufbauen würden.

„Doch heute sorgt Viktor Orbán in Europa für Erstaunen. Gleichzeitig baut das Kiewer Regime einen sehr harten Nationalstaat auf, im Vergleich zu dem Viktor Orbán einem Grundschüler ähnelt. Der Westen verschließt davor die Augen und geht nicht den in Minsk vereinbarten Weg.“

Dynkin verwies auf hervorragende deutsche Politiker wie Egon Bahr und Willy Brandt, die eine bedeutende Rolle bei der Formung der Weltordnung in der Nachkriegszeit gespielt haben und einen sozialen Vertrag mitgestalteten, der nun erschöpft und zum Stillstand gekommen ist.

„Heute müssen wir eine Zeit durchmachen, in der sich die Welt von geopolitischen, geostrategischen und finanziellen Interessen leiten lässt. Es wird eine polyzentrische Welt sein, die gefährlicher und weniger geordnet ist. Aber auch in dieser Welt sind Koalitionen mit übereinstimmenden Interessen für eine gewisse Zeit möglich. Diplomaten und Top-Politiker haben die Geschicklichkeit, diese übereinstimmenden Interessen zu finden.“

Laut dem Ex-Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg und Vorstandsvorsitzenden des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, hat heute die Sozialdemokratie in Deutschland ein Stück Initiative wieder ergriffen, was positiv wahrgenommen wurde. Einer Umfrage zufolge haben 80 bis 94 Prozent der Deutschen in den  letzten Monaten gesagt, dass sie ein besseres Verhältnis zu Russland brauchen. Eine gemeinsame Agenda für Russland und Deutschland wäre laut Platzeck folgende:

„Wir haben im Moment einen ganz praktischen Punkt – Nord Stream 2. Ich habe eine gewisse Hoffnung aus vielen Gesprächen, dass wenn es in den nächsten anderthalb Jahren gelingt, dieses Projekt erfolgreich umzusetzen, auch unter Berücksichtigung der ukrainischen Interessen, dann wäre es nicht nur eine Findung für wunderbare Verhältnisse, sondern auch ein nicht unwichtiger Punkt, von dem man dann weitere Dinge auch in der Ukraine und mit der Ukraine ableiten könnte.“

sputniknews


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