Wünsch-dir-was-Beschlüsse könnten neue CDU-Spitze belasten

  05 Dezember 2018    Gelesen: 1020
Wünsch-dir-was-Beschlüsse könnten neue CDU-Spitze belasten

Das kam schon in den acht jeweils dreistündigen Regionalkonferenzen zum Ausdruck, in denen sich die drei aussichtsreichsten Kandidaten für den Parteivorsitz vor insgesamt rund 13.000 Mitgliedern vorstellten. Aber während bisher die Hauptaufmerksamkeit auf der Frage lag, wer Nachfolger von Angela Merkel an der CDU-Spitze wird, rücken nun auch die Inhalte in den Vordergrund: Denn der Hamburger Parteitag am Freitag und Samstag soll nicht nur eine personelle, sondern auch eine inhaltliche Erneuerung der CDU beschließen. Zum einen soll die bis 2020 anvisierte Arbeit an einem neuen Parteiprogramm, die Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sofort nach ihrer Wahl im Februar eingeleitet hatte, fortgesetzt werden. Zum anderen liegen etliche Anträge vor, die strittige Debatten auf dem Parteitag auslösen dürften.

Verschiedene Gruppierungen innerhalb der Partei haben laut dem Leiter der Antragskommission Thomas de Maiziere eine Rekordzahl von 226 “sonstigen Anträgen” eingereicht - nach 147 2016 und 77 ein Jahr zuvor. Potenzial für einen handfesten Streit hat etwa der Antrag der Mittelstandsvereinigung, den Solidaritätszuschlag bis Ende 2021 vollständig abzuschaffen. Das würde sich im Bundeshaushalt mit zehn Milliarden Euro jährlich niederschlagen, sagte de Maiziere. Ein solcher Beschluss hätte wohl keine Chance auf Umsetzung in dieser Legislaturperiode. Denn Union und SPD haben zwar eine Streichung des Soli für 90 Prozent der Beitragszahler beschlossen. Die Sozialdemokraten lehnen aber die Abschaffung auch für diejenigen mit hohen Einkommen ab.

Die Mittelstandsvereinigung MIT ficht das nicht an - und alle drei Kandidaten Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn haben sich hinter die Idee gestellt. Die Debatte erinnert an die über die Abschaffung des Doppelpasses für Migranten auf dem Parteitag 2016. Damals stimmten kurz vor Schluss die noch anwesenden Delegierten für die Abschaffung einer Doppelstaatlichkeit etwa für Deutsch-Türken - was Kanzlerin Merkel verärgerte und mit keinem denkbaren Koalitionspartner eine Chance auf Umsetzung hat. Das Argument des heutigen Gesundheitsministers Spahn war damals dasselbe wie heute das der MIT: Die CDU müsse unabhängig vom Regierungsgeschäft klar machen, was sie wolle und so neues Profil gewinnen.

VERWEIS AUF FINANZPOLITISCHE SERIOSITÄT

Die stärkere Profilierung der Partei gegenüber Regierung und Bundestagsfraktion ist ausdrücklicher Wille der Parteirebellen. Aber auch die drei Kandidaten für den Parteivorsitz haben versprochen, dass künftig Positionen erst in der Partei festgelegt werden und die Regierung stärker binden sollen. Das schafft neue Spannungen. Angesichts der neuen Diskussionsfreude bemüht sich de Maiziere um den Eindruck, dass die CDU-Spitze keine Debatten unterdrücken wolle. Die CDU könne sehr wohl in einer Position landen, in der sie wie eine Oppositionspartei allerlei Wunschpositionen beschließe, die nicht umsetzbar seien, warnt ein Präsidiumsmitglied. Gerade die Abschaffung des Doppelpasses ist dafür ein Beispiel, weil dies weder die SPD noch die Grünen oder die FDP unterstützen.

Die CDU, so die Warnung, müsse ein Profil als Regierungs- und nicht als Wünsch-dir-was-Partei haben. Kramp-Karrenbauer erinnerte im Reuters-Interview an die nötige finanzpolitische Seriosität - weil auch ein Antrag vorliegt, der die Bundeswehrausgaben nach oben schrauben will. Man müsse die Anträge zusammenbringen, “auch wenn man dann am Ende des Tages länger braucht, um den Soli komplett abzuschaffen” oder nicht alle Wünsche für die Bundeswehr erfüllen könne, sagte die CDU-Politikerin.


Zumal der neuen Parteiführung in Hamburg noch weitere teure Reformen auf den Wunschtisch gelegt werden. So gibt es einen Antrag, dass die anfallenden doppelten Beiträge der Krankenversicherung bei der Auszahlung von Betriebsrenten und Direktversicherungen gestrichen werden sollen. Die Reform dieser seit 2004 geltenden Regelung gilt zwar als “fair” und wichtig, aber auch als kostenintensiv entweder für die Krankenkassen oder den Steuerzahler. Die Antragskommission hat sich zudem gegen einen Antrag ausgesprochen, der eine Begrenzung der Amtszeit von Kanzlern auf zwei Legislaturperioden vorsieht - was unter Delegierten als populär gilt. De Maiziere verweist vorsorglich darauf, dass dies nur der Bundestag beschließen könne.

Die mangelnde Relevanz umkämpfter CDU-Parteitagsbeschlüsse könnte auch die nun offiziell angesetzte Debatte über den UN-Migrationspakt zeigen. Der Bundestag hat sich längst hinter den Pakt gestellt. Nur einen Tag nach dem Parteitag will Kanzlerin Merkel nach Marokko reisen, um dort die deutsche Zustimmung zu dem Pakt zu geben, der zwar keine rechtliche Bindung hat, aber weltweit Standards im Umgang mit Arbeitsmigranten entwickeln soll. Gerade Spahn hat die Debatte auf dem Parteitag als Zeichen innerparteilicher Demokratie gelobt - aber den 1001 Delegierten dürfte klar sein, dass sie nichts zu entscheiden haben. Das Bundestagsvotum ist für eine Kanzlerin verbindlicher als der Beschluss einer Partei.


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