Kiews „prorussische“ Hirngespinste: noch keine Akkreditierung für Wiener Journalist

  11 Januar 2019    Gelesen: 1095
Kiews „prorussische“ Hirngespinste: noch keine Akkreditierung für Wiener Journalist

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz hat am 31. Dezember für sich und zwei Mitarbeiter erneut um eine Akkreditierung für die Ostukraine angesucht. Die kürzlich erfolgte Ablehnung der Akkreditierung ist diese Woche Thema eines Gesprächs im Außenministerium in Wien gewesen.

Der Generalsekretär des Außenministeriums, Johannes Peterlik, habe den Botschafter der Ukraine, Olexander Scherba, für Dienstagnachmittag eingeladen, teilte eine Ministeriumssprecherin mit.

Kein Durchbruch im Außenministerium

Peterlik habe klargestellt, dass Medienfreiheit und der Schutz von Journalisten weltweit ein besonderes Anliegen Österreichs sei, erklärte die Sprecherin. Konkret habe der Generalsekretär gefordert, dass dem ORF-Korrespondenten, seinem Team und allen anderen betroffenen Journalisten baldigst eine Presseakkreditierung für die vom Konflikt betroffenen Gebiete auf der ukrainischen Seite der Waffenstillstandslinie erteilt werde.

Das Außenministerium setzt sich bereits seit Wochen auf allen Ebenen für österreichische Journalisten und Journalistinnen ein: „Die zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit in der Ukraine ist inakzeptabel. Mit großer Besorgnis beobachte ich die Bedingungen, denen ukrainische und internationale Medien im Land ausgesetzt sind. Die Ausübung von Gewalt und Drohungen gegen Journalisten und Journalistinnen muss geahndet werden“, so Außenministerin Karin Kneissl.

Jeder strickt an seiner eigenen Wahrheit

„Der Generalsekretär hat sehr deutlich gemacht, worum es der österreichischen Regierung geht. Ich habe das Gleiche getan — im Namen meiner Regierung“, erklärte seinerseits der ukrainische Botschafter. „Jede Seite hat ihre eigene Vorstellung, wie das Problem gelöst werden kann. Jetzt liegt es an den Diplomaten, eine Lösung zu finden“, fügte er hinzu.

Ob es in Bezug auf die Akkreditierung von Wehrschütz zu einem baldigen Einlenken der Ukraine kommt, ist unklar. Botschafter Scherba betonte zwar am 28. Dezember nach einem Gespräch mit ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, sich für eine Lösung in dieser Frage einzusetzen. Der Diplomat bedauerte, dass viele Ukrainer Wehrschütz als voreingenommen im Sinne Russlands sehen würden. „Ich bin überzeugt, dies hat weniger mit seiner 'kritischen Berichterstattung' gegenüber der Ukraine zu tun, sondern mehr mit seinem Ton und dem Ansprechen oder Verschweigen von Themen, die er für seine Berichterstattung wählt“, erläuterte Scherba. Es sei sowohl das gute Recht von Wehrschütz, den Ton seiner Darstellung zu wählen, als auch das gute Recht der Ukraine, darüber eine Meinung zu haben, ob dieser Ton und diese Darstellung ausgewogen seien oder nicht, erklärte der Botschafter. Dies bedeute jedoch nicht, dass Wehrschütz als Journalist bedroht werde.

Ausgewogene Darstellung

Was eine „ausgewogene“ Darstellung ist, wird nicht erläutert. So berichtete der ORF-Korrespondent zuvor über die Erfolge der Russischen Föderation beim Bau der Krimbrücke. Diese Darstellung soll jedoch im Sinne der Berichterstattung der ukrainischen Medien nicht ausgewogen sein. Dafür aber hatten ukrainische Medien beispielweise ein Statement des Abgeordneten des ukrainischen Parlaments Igor Mossijtschuk verbreitet, in dem er die Geheimdienste des Landes aufgefordert hatte, die Krimbrücke mit Hilfe „der Verbündeten im Kaukasus“ zu vernichten. Zu der „ausgewogenen“ Berichterstattung gehört wohl auch ein Bericht des ukrainischen Ministeriums „der zeitlich okkupierten Territorien“, wonach  sich die Krimbrücke „absenkt“.

Agent des Kremls

Der ORF-Reporter Christian Wehrschütz wurde Ende Dezember auf der Webseite einer ukrainischen Denkfabrik als „Agent des Kremls“ eingestuft und fürchtet seitdem um sein Leben – nachdem der Westen längst den „immer stärker werdenden Schikanen“ in der Ukraine tatenlos zugesehen habe. „Es sind bereits zwei Journalisten ermordet worden, und ich habe sicher nicht die Absicht, der nächste zu sein“, schrieb er an den ORF-Generaldirektor und die österreichische Regierung.

Die Webseite posipaka.org warf Wehrschütz vor, einseitig und russenfreundlich über die Krim zu berichten. Als Beweis führen die Autoren ORF-Beiträge an, in denen der Journalist unter anderem über die Erfolge Russlands beim Bau des Flughafens in Simferopol sowie über die „Verbesserung des Lebens der Krim-Tataren“ schreibt.

Die Sprecherin des ukrainischen Geheimdienstes SBU bekräftigte den Vorwurf, Wehrschütz sei ein „Agent des Kremls“: „Ich sehe ihn als prorussischen Propagandisten. Seine Veröffentlichungen sind gegen die Ukraine gerichtet“, sagte sie gegenüber APA, fügte jedoch hinzu, dass es sich dabei um ihre persönliche Meinung handle.

Seit Mai 2018 wird die formale Entscheidung über eine Akkreditierung im Frontgebiet nicht mehr vom SBU, sondern den Streitkräften erteilt. „Lediglich wenn es die Streitkräfte für nötig erachten, ersuchen sie uns um eine Überprüfung. Wir überprüfen dann, ob der betreffende Mensch mit antiukrainischen Aktivitäten aufgefallen ist oder nicht.“ Die offiziellen Gründe für die Verweigerung der Akkreditierung bleiben weiterhin unklar.

„Der Kern des Problems ist, dass die derzeitige Führung der Ukraine kein Verständnis für eine objektive und kritische Berichterstattung hat“, erklärte Wehrschütz selbst zu der Angelegenheit. „Die Akkreditierung ist administrativ keine große Sache. Bei gutem Willen von Kiewer Seite ist oder wäre das bis zum Ende der Woche machbar“, zitiert ihn ORF.

Hat die Geduld des Westens Grenzen?

Die Journalisten-Verfolgung in der Ukraine ist ein bekannter Fakt. Über die Bedrohung der Medienfreiheit in der Ukraine gibt es von Amnesty International bis hin zu Freedom House sehr viele Berichte. Doch die Fälle mit den russischen oder ukrainischen Journalisten, die wegen Ausübung ihrer Arbeit inhaftiert oder gar ermordet wurden, bekamen nur wenig Resonanz im Westen. Der Fall des österreichischen Korrespondenten Wertschütz wird nun aktiv diskutiert. Auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht er Reportagen über die Gefahren und Schwierigkeiten der Journalistenarbeit in der Ukraine und ruft die westlichen Länder dazu auf, „das Schweigen der Lämmer“ zu beenden.

sputniknews


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