Deutschlands nächstes Milliardengrab

  12 Januar 2019    Gelesen: 719
Deutschlands nächstes Milliardengrab

Nie wieder Banken aufpäppeln mit dem Geld der Steuerzahler, lautete ein Versprechen der Politik nach der Finanzkrise. Doch nach dem verlustreichen Debakel um die HSH Nordbank droht genau das im Norden der Republik.

Wenn Niedersachsen einen Wettbewerb über Schönrednerei in der Politik starten würde, hätten Peter-Jürgen Schneider (SPD) und Reinhold Hilbers (CDU) beste Chancen auf den Siegerlorbeer. Der eine war bis Ende November Finanzminister, der andere folgte ihm nach der Landtagswahl Mitte Oktober 2017 auf dem Posten. Beide übten sich darin, die desaströse Lage der Norddeutschen Landesbank (NordLB) zu verharmlosen.


Im Juni 2016 verkündete Schneider im "Handelsblatt" mit Blick auf die Übernahme der völlig maroden Bremer Landesbank durch die NordLB: "Das können wir in verträglicher Art und Weise stemmen." Droht eine erhebliche Verschlechterung der Kapitalquote der NordLB? "Nein, das Ausmaß ist erträglich." Eine fatale Fehlannahme. Vor allem wegen der faulen Schiffskredite, die die Bremer in den Konzern einbrachten, musste die NordLB 2016 einen Verlust von fast zwei Milliarden Euro verkraften.

Hilbers, damals noch stellvertretender CDU-Fraktionschef, schimpfte über die Black-Box-Politik Schneiders. Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl im Oktober 2017 erklärte er, Parlament und Öffentlichkeit hätten das Recht zu erfahren, "inwieweit der Wertberichtigungsbedarf bereits zum Abschluss der Kaufverhandlungen hätte erkannt werden müssen". Nur einen Tag nach der Wahl, in deren Folge Rot-Grün durch eine Große Koalition ersetzt wurde, poppten erste Spekulationen über eine notwendige Finanzspritze auf. Da war noch von einer Milliarde Euro die Rede. Schneider sagte: "Es gibt aktuell keinen Kapitalbedarf." Aktuell, wohlgemerkt.

"Immer wolkiger"


Hilbers ahnte schon damals, dass es "sehr ambitioniert" sei, wenn die Landesbank mindestens eine Milliarde Euro aus eigener Kraft beschaffen solle. Doch kaum hatte der Christdemokrat seinen SPD-Kollegen als Finanzminister und Chef des Aufsichtsrates der NordLB abgelöst, fing auch er an, die Lage zu beschönigen und auf Zeit zu spielen. Über seine Informationspolitik herrschte im Landtag viel Unmut. FDP-Finanzexperte Christian Grascha meint: "Die Unterrichtung der Abgeordneten durch die Regierung ist dürftig und die Lage wird fortgesetzt schöngeredet." Sein Pendant von den Grünen, Stefan Wenzel, bezeichnet die öffentlichen Erklärungen von Hilbers als "immer wolkiger".

Der "Braunschweiger Zeitung" hatte Hilbers im Februar 2018 gesagt: "Die Frage einer Kapitalzuführung durch die Eigner stellt sich derzeit nicht." Die Situation der Bank sei "stabil". In Wahrheit war längst klar, wie mies es um den Konzern bestellt ist. Thomas Bürkle, der Chef der Bank, soll bereits im Dezember 2017 im Finanzministerium frisches Geld aus der Landeskasse angemahnt haben. Plötzlich verkündete Hilbers: "Die NordLB ist schwach mit Eigenkapital ausgestattet." Seine Fachleute begannen alle möglichen Überlegungen, wie der Konzern monetär gestärkt werden könne. Doch etliche Planspiele mussten begraben werden, weil sie entweder juristisch, politisch oder in Brüssel als nicht durchsetzbar erschienen.

Inzwischen pfeifen es die Spatzen vom Dach der Bank: Ihr fehlen um die 3,5 Milliarden Euro. Und das ungeachtet aller Fortschritte bei der Sanierung. Immerhin hatte das Unternehmen 2017 wieder einen Gewinn von 195 Millionen Euro erzielt. Den Bestand der akut ausfallgefährdeten Schiffskredite sank um etwa zwei auf 7,3 Milliarden Euro. Ungeachtet dessen schnitt der Konzern beim Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht vergangenen Herbst unter den acht geprüften deutschen Großbanken am schlechtesten ab. Für 2018 wird die NordLB wieder Verlust ausweisen, was ausgerechnet ihrer Sanierung geschuldet ist: Sie will bis Ende nächsten Jahres 1250 Stellen einsparen und legt dafür Geld zurück.

Fest steht: Aus eigener Kraft ist das Unternehmen nicht in der Lage, die Erwartungen der EU-Bankenaufsicht zu erfüllen, die nötigen Milliarden in den ersten drei Monaten 2019 aufzutreiben. Die Brüsseler Wächter passen sehr genau auf, woher das Geld kommen wird. Beim Verdacht einer verkappten Subvention würden sie wie einst bei der WestLB rigoros einschreiten.

Das Problem muss allen voran das Land Niedersachsen lösen, dem 60 Prozent der Bank gehören. Die Sparkassen sind mit gut 26 Prozent beteiligt, Sachsen-Anhalt mit knapp sechs Prozent. Dem Finanzminister bleiben theoretisch zwei Varianten: Steuergeld aus der Landeskasse nachschießen oder private Geldgeber an Bord holen.

Cerberus hat Interesse

Tatsächlich klopften schon Mitte 2018 Privatinvestoren bei Hilbers an. Der Christdemokrat steht der Beteiligung privaten Kapitals aufgeschlossener gegenüber als die SPD, mit der die CDU in Niedersachsen regiert. Die Gewerkschaft Verdi lehnt eine Privatisierung strikt ab: "Private Banken sind vor allem am kurzfristigen Ertrag interessiert, während die NordLB langfristig die norddeutsche Wirtschaft unterstützt", heißt es bei Verdi. Grünen-Finanzexperte Wenzel meint: "Die Bank droht in eine problematische Abhängigkeit von einigen wenigen Hedgefonds zu geraten."

Dennoch läuft alles darauf hinaus: Die Commerzbank, die sich überraschend – und wohl nie ernsthaft – um die NordLB beworben hatte, ist aus dem Bieterverfahren genauso schnell wieder raus wie die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Im Rennen befinden sich allein noch die US-Firmen Cerberus, Centerbridge und Apollo. Cerberus gehört zu den Käufern der HSH Nordbank, die die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein nach Riesenverlusten mit Schiffskrediten auf Druck aus Brüssel verlustreich verkaufen mussten.

Private-Equity-Firmen wie Cerberus sind knallharte Rechner und Verhandler. Wie bei der HSH werden sie kaum einen Einstieg bei der NordLB wagen, ohne sich gegen Bilanzrisiken abzusichern. Daher dürften sie Garantien staatlicherseits verlangen, sollten die toxischen Schiffskredite platzen. Das sorgt für Alarmstimmung bei den Sparkassen, die bei einer in Anspruch genommenen Garantie mit einem Zugriff auf ihren Haftungsfonds rechnen müssten. Nach einem offiziell nicht kommentierten Bericht der "Börsen-Zeitung" haben die niedersächsischen Sparkassen den Buchwert ihres NordLB-Anteils komplett abgeschrieben. Kostenpunkt: 400 Millionen Euro.

FDP-Finanzexperte Grascha ärgert sich über seiner Meinung nach "planloses Agieren der Landesregierung und des Finanzministers", das in eine Sackgasse geführt habe. "Jetzt drohen Milliardenbelastungen für den niedersächsischen Steuerzahler." Hilbers müsse auf "Reset" drücken und ein neues Verfahren mit klaren strategischen Zielen beginnen. Grascha erinnert die Politik an das Versprechen nach der globalen Finanzkrise vor zehn Jahren, Banken nicht mehr mit Steuermilliarden zu retten. "Die Zeit muss endgültig vorbei sein", sagt er und fügt an: "Hoffentlich."

 

n-tv.


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