Um „Russlands Einfluss“ einzudämmen: US-Außenminister Pompeo in Osteuropa unterwegs

  12 Februar 2019    Gelesen: 806
  Um „Russlands Einfluss“ einzudämmen: US-Außenminister Pompeo in Osteuropa unterwegs

US-Außenminister Mike Pompeo hat sich auf eine Reise durch Osteuropa begeben, um den größeren Einfluss der USA und eine Begrenzung des russischen Einflusses zu sichern. Nicht umsonst, meint Osteuropa-Experte Reinhard Lauterbach im Sputnik-Gespräch. Sogar die Energiepolitik wird unter Nato-Schutz gestellt, als wäre schon kalter Krieg.

Am Montag beehrte der Chef des US-Außenministeriums und treue Trump-Anhänger Mike Pompeo das ungarische Budapest mit seiner Anwesenheit. Während einer Pressekonferenz mit seinem Amtskollegen Peter Szijjarto ging er sofort in die Offensive: „Die Russen und die Chinesen haben inzwischen großen Einfluss hier. Nur teilen sie leider keinesfalls die amerikanischen Werte, die uns am Herzen liegen.“ Die USA wollen nicht zulassen, dass „Putin einen Keil zwischen Nato-Verbündete treibt“, so Pompeo.

Szijjarto wies Pompeos Kritik zurück. Hier gebe es enorme Heuchelei, auch andere europäische Staaten seien in hohem Maße auf russische Energielieferungen angewiesen, so der Außenminister Ungarns. Zugleich stellte das ungarische Verteidigungsministerium am selben Tag aber alle außer Dienst gestellten sowjetischen und russischen Kampfflugzeuge MiG-29 zur Versteigerung bereit.

Die neue US-Strategie im Osteuropa unter dem Motto „gemeinsame Geschichte würdigen und eine gemeinsame Zukunft aufbauen“ wird vom US-Außenministerium irgendwie mit dem „30. Jahrestag des Zusammenbruchs des Kommunismus“ in Verbindung gebracht. Es heißt, Pompeo wolle „die Verbündeten dazu ermutigen, flächendeckend ihren Widerstand gegen Russland und China zu verstärken: beim Handel, bei Energiesicherheit und Rechtsstaatlichkeit“. Nun warten die Slowakei und Polen auf die sorgfältige Ermutigung.

„Gemeinsames Interesse an der Ukraine als Nato-Mitglied”

Mit gewisser Befriedigung weiß das US-Ministerium darauf hinzuweisen, dass sowohl Ungarn als auch die Slowakei (anders als Deutschland) bis 2024 ihren Verteidigungsbeitrag an die Nato auf zwei Prozent des BIP erhöhen werden. Doch es geht weiter. „Wir fordern Ungarn und die Slowakei nachdrücklich auf, ihre Arbeit für mehr regionale Energiesicherheit zu verstärken und die Pipelines Nord Stream 2 und Turkish Stream abzulehnen“, soll die Botschaft gewesen sein, auf die Peter Szijjarto so heftig reagierte. Stattdessen müsste das flüssige Erdgas, das auf der kroatischen Adriainsel Krk verarbeitet werde, direkt zur Energiesicherheit in Zentraleuropa beitragen, so das US-Außenministerium.

Allerdings: „Die USA, Ungarn, die Slowakei und alle Nato-Verbündeten haben ein gemeinsames Interesse an einer prosperierenden, stabilen und demokratischen Ukraine, die sich frei (…) mit ihrem Weg zu einer eventuellen Nato-Mitgliedschaft befasst.“

Über die Frage hinaus, ob Ungarn sich als Transitland für Gas aus der Turkish Stream-Pipeline bereitstelle, gebe es noch eine aktuellere Frage zwischen den USA und Budapest zu besprechen, kommentiert der Osteuropaexperte Reinhard Lauterbach gegenüber Sputnik. Dies sei der Sprachenstreit mit der Ukraine, in dessen Rahmen es eine wahrgenommene Diskriminierung der ungarischen Minderheit in der Karpatoukraine durch das neue ukrainische Sprach- und Schulgesetz gebe.

Budapest hatte angekündigt, jede weitere Annäherung Kiews an EU und Nato zu blockieren, solange die Ukraine keine Zugeständnisse in dieser Frage mache. „Dieser Streit ist aus Sicht der geostrategischen Interessen der USA völlig unwesentlich und kontraproduktiv“, meint Lauterbach. Washington werde Ungarn etwas bieten, damit es seinen Standpunkt ändere, oder die Ukraine zu Zugeständnissen veranlassen müssen.

Polen als transatlantischer Musterschüler

„Es liegt in unserem europäischen Interesse, dass amerikanische Truppen und Atomraketen auf dem Kontinent stationiert sind“, sagte Polens Außenminister Jacek Czaputowicz Anfang Februar in einem Spiegel-Interview. „Der Spiegel“ interpretierte das als direkte Forderung nach neuen US-Raketen in Polen. „Das wünschen wir uns überhaupt nicht“, wies das polnische Außenamt die falsche Interpretation zurück. Experten zufolge soll in Polen doch spätestens bis 2022 die Stationierung von US-Patriot- und Aegis-Ashore-Komplexen samt Mk 41 Vertical Launching System, einer Senkrechtstartanlage für Flugkörper, abgeschlossen werden, zusätzlich zu denen in Rumänien. 

„Polen tut viel dafür, um als transatlantischer Musterschüler auf sich aufmerksam zu machen“, kommentiert Lauterbach weiter. Gemäß dem Experten schwebt dem Land dabei offensichtlich eine Rolle als Juniorpartner ähnlich der vor, die die BRD während des ersten Kalten Krieges gespielt hatte: Ein Frontstaat, dem um seiner strategischen Bedeutung willen einiges an nationalem Egoismus zugestanden wird.

Einen Sperrriegel zwischen Deutschland und Russland legen

Daher sei die Aufgabe des persönlichen Besuchs Pompeos in Polen, einige Dinge im eigenen Interesse zu regeln. Lauterbach zufolge will Pompeo eine Achse schmieden, die in den USA seit ungefähr 2016, darunter in Berichten des US-Informationsdienstes Stratfor, offen propagiert wird: Das „Intermarium“ oder: die Drei-Meere-Initiative. Das Ziel aus amerikanischer Sicht offenbare ein Blick auf die Landkarte: Einen Sperrriegel zwischen Deutschland und Russland zu legen, auch ganz banal geographisch. „Und daran fehlt es in Polen nicht: Das Land strebt eine Renaissance der „Intermarium“-Konzepte aus der Zwischenkriegszeit an“, sagt Lauterbach. Mit dem Terminal auf der kroatischen Adriainsel Krk werde ein Schuh aus dieser angestrebten Achse: Dann wäre ganz im Sinne von Churchills berühmter Fulton-Rede von 1946 ein „Eiserner Vorhang von Stettin bis Triest“ durch Europa gezogen. Nur diesmal von amerikanischer Seite.

Der Punkt der US-Einflussnahme sowie in Ost- als auch in Zentraleuropa scheint Lauterbach gemäß zu sein, dass inzwischen auch die Energiepolitik unter Nato-Schutz gestellt wird, als wäre schon Krieg, zumindest ein kalter. Daher die ständigen Äußerungen über eine Abhängigkeit von Russland, die so gar nicht bestehen würde, so der Experte. Der russische Anteil an den Gaslieferungen nach Europa war in den letzten 20 Jahren von 80 auf gut 30 Prozent zurückgegangen. Das Fazit ist klar: Mike Pence, der Vizepräsident der USA, wolle die vermeintliche Abhängigkeit von Russland durch diese von den USA ersetzen. Nord Stream 2 dürfte daher bei der Münchner Sicherheitskonferenz in der nächsten Woche, zu der unter anderen Pence und der stellvertretende US-Energieminister Dan Brouillette erwartet werden, ein Thema sein.

sputniknews


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