Insgesamt fanden 2018 rund 27.000 von 57.000 geplanten Rückführungen nicht statt. Wie der Sprecher des Bundesministeriums, Steve Alter, gegenüber Sputnik bestätigte, fehlen in den meisten Fällen die Reisedokumente oder sind die Abgeschobenen einfach nicht auffindbar und können daher nicht zur Rückführung an die Bundespolizei übergeben werden. Die Ausländer hätten die Pflicht, einen Pass oder einen Passersatzes selbst zu erlangen, würden das aber oft nicht tun, geht aus der Klärung der Behörde hervor.
Allein 7.849 Rückführungen sollen dabei daran gescheitert sein, dass eine Zuführung am Flugtag misslang, weil die Betroffenen untergetaucht waren, so die Stellungnahme. Der Ausreisegewahrsam, das heißt, Präsenz eines Abzuschiebenden am Flughafen, sei erst kürzlich eingeführt worden.
Während Österreich bei Ausweisungen via Charterflüge Erfolge kassiert und Zwangsmaßnahmen ins Leben ruft, bleiben in Deutschland die formalen Vorgaben für einen Haftantrag wiederum sehr streng und überfordern die Behörden. Es heisst auch: Gefährder könnten erst in Haft genommen werden, wenn eine Abschiebung angeordnet werde oder die Voraussetzungen der Sicherungshaft vorliegen würden. „Das Interesse an einer sofortigen Inhaftnahme ist hier aber besonders hoch“, kommentiert Alter.
Allerdings: Die Abschiebungshaftplätze fehlen. „Zwischen 400 und 500 Haftplätze bei 235.957 vollziehbar Ausreisepflichtigen im Jahr 2018 ist definitiv nicht genug“, meint Alter. „Trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen können zahlreiche Haftanträge nicht gestellt werden.“
„In vielen Bundesländern besteht …. keine Möglichkeit, eine Wohnung zu betreten, um den Abzuschiebenden aufzufinden und ihn der Abschiebung zuführen zu können. Die Behörden sind dann darauf angewiesen, den Betreffenden außerhalb der Wohnung anzutreffen“, fährt Alter fort. Diese Rechtsgrundlage soll nun der Gesetzentwurf Horst Seehofers regeln.
Die Ausweisung von Straftätern würde, auch in jüngerer Vergangenheit, immer weiter erleichtert, etwa infolge der Ereignisse der Kölner Silvesternacht, als zahlreiche Übergriffe auf Frauen stattfanden. Die s.g. Absenkung der Schwellen helfe aber nicht, wenn die Betreffenden einen besonderen Ausweisungsschutz genießen würden, etwa weil sie Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte sind.
„Der Ausweisungsschutz für Straftäter mit Schutzstatus wird daher auf das europa-völkerrechtliche Minimum abgesenkt und eine Aufenthaltsverfestigung von Straftätern in Deutschland verhindert. Es ist aber weiterhin gewährleistet, dass niemand in ein Gebiet abgeschoben wird, in dem ihm eine unmenschliche Behandlung droht. Das non-refoulement-Gebot gilt uneingeschränkt.“
Momentan gebe es für ausgewiesene Intensivstraftäter, deren Abschiebung nicht möglich sei, kaum Überwachungsmöglichkeiten — anders als bei Personen mit extremistischem Hintergrund. Der Gesetzentwurf setze also voraus, verstärkte Maßnahmen auch gegen Straftäter zu verhängen, die nicht abgeschoben werden können: räumliche Beschränkung, Meldepflichten, elektronische Fußfessel.
Bei der ARD-Sendung „Hart aber fair“ am Montagabend hatte der ehemalige Richter am Bundesverwaltungsgericht, Harald Dörig, noch ein paar merkwürdige Beispiele zum heiklen Thema Abschiebung angeführt. Das Prinzip, von welchem zahlreiche Flüchtlinge derzeit Gebrauch machen würden, scheint ihm einfach zu sein: Wenn sich ein Flüchtling dazu bekennen würde, früher dem IS* oder einer anderen terroristischen Vereinigung gedient zu haben, dann würden ihm in verschiedenen Staaten bei einer Heimkehr Folter und Tod drohen.
„Es kann ganz pfiffig sein, wenn man sich auf so etwas beruft“, kommentierte Dörig diese Selbstanzeigen. Doch in Bezug auf eine sehr komplexe Klärungs-Beweisprozedur scheint das schon ein Ausweg zu sein, um in Deutschland bleiben zu dürfen.
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