Skandalvideo erschüttert Österreich - Neuwahlen im September

  20 Mai 2019    Gelesen: 1003
  Skandalvideo erschüttert Österreich - Neuwahlen im September

Wien (Reuters) - Österreich muss nach dem Bruch der rechts-konservativen Koalition eine neue Regierung wählen.

“Ich plädiere für vorgezogene Neuwahlen zu Beginn des September”, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Sonntag nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Auslöser ist der Rücktritt von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nach der Veröffentlichung eines Videos, in dem Strache einer vermeintlichen russischen Millionärin offenbar Regierungsaufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellte. Am Sonntag kündigte auch der Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil (SPÖ), vorgezogene Neuwahlen an. In dem österreichischem Bundesland regiert die SPÖ mit der FPÖ.

Österreichs Regierungskrise wirkt sich auch auf den Europa-Wahlkampf in anderen EU-Staaten aus. Mit Blick auf die FPÖ und ein Treffen von elf Rechtsaußen-Parteien in Mailand forderten Kanzlerin Angela Merkel, SPD-Chefin Andrea Nahles und andere deutsche Politiker einen entschiedenen Kampf gegen antieuropäische Populisten.

KURZ: GENUG IST GENUG

In Wien hatte Kanzler Kurz am Samstagabend nach dem Rücktritt von Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache die Reißleine gezogen: Er hatte die Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ aufgekündigt und Neuwahlen gefordert. “Die Neuwahlen waren kein Wunsch, sie waren eine Notwendigkeit”, sagte Kurz am Sonntag nach dem Treffen mit Van der Bellen. Bereits am Vortag sagte der Kanzler in Richtung FPÖ: “Nach dem gestrigen Video muss ich sagen, genug ist genug”. Die FPÖ schade dem politischen Ansehen des Landes, sagte Kurz. Strache selbst hatte als Konsequenz aus der Veröffentlichung des Videos seinen Rücktritt angeboten, den Kurz annahm. Mit Blick auf Äußerungen des Vizekanzlers im Video sagte Kurz wirklich schwerwiegend seien “die Ideen des Machtmissbauchs” und der geplante Umgang mit österreichischen Steuergeldern. Er habe in Gesprächen mit Vertretern der rechtspopulistischen FPÖ nicht den Eindruck gewonnen, dass ein Wille da sei, die Partei zu ändern.

Mit den Äußerungen des Kanzlers ist die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ nach rund eineinhalb Jahres auseinandergebrochen. FPÖ-Innenminister Herbert Kickl und der wahrscheinliche neue FPÖ-Chef Norbert Hofer reagierten empört und warfen der ÖVP ihrerseits offene Machtpolitik vor. Straches Verhalten sei sicher “katastrophal und unverantwortlich”, schrieb Kickl auf Facebook. Aber das Fehlverhalten sei eines der Person, nicht der Partei. Hofer warf Kurz vor, den harten Kurs der Rechtspopulisten in der Asylpolitik ändern und die geforderte Abschaffung der Rundfunk-Gebühren verhindern zu wollen.

NAHLES UND MERKEL FORDERN KAMPF GEGEN RECHTSPOPULISTEN

Die Vorgänge in Österreich wirkten sich auch auf den Europa-Wahlkampf in anderen EU-Ländern aus. Zum einen konnte die FPÖ-Spitze nicht an dem Treffen der Rechtsaußenparteien in Mailand teilnehmen. Dort hielten Lega-Chef Matteo Salvini, die Französin Marine Le Pen, AfD-Chef Jörg Meuthen sowie Vertreter anderer rechtspopulistischer Parteien eine gemeinsame Wahlveranstaltung ab, in der sie die EU und besonders deren Migrationspolitik scharf kritisierten.

Zum anderen hoffen proeuropäische Parteien auf einen Aufschwung vor den Europawahlen vom 23. bis 26. Mai. In Zagreb riefen Kanzlerin Merkel und EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber zu einem entschiedenen Kampf gegen Rechtspopulisten auf. “Strache zeigt: Rechtspopulisten geht es nur um sich selbst, nicht ums Land, nicht um Europa, nicht um Zukunft”, twitterte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

In Köln warf SPD-Chefin Andrea Nahles den Konservativen auf einer Demonstration gegen Nationalismus vor, den Aufstieg rechter Parteien erst möglich gemacht zu haben. Mit Blick auf Österreich kritisierte sie, dass die “Lauerhaltung der Konservativen”, sich nicht klar von Rechtspopulisten abzugrenzen, “eben dazu führt, dass am Ende der Schwanz mit dem Hund wackelt”. Sie glaube an einen Mobilisierungseffekt durch den Regierungsbruch in Wien, weil klar geworden sei, was passiere, wenn man Rechtspopulisten wähle. Sie hoffe auf einen “pro-europäischen Push” in ganz Europa, sagte sie. Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach in der ARD von einem “neuen Tiefpunkt der politischen Kultur” und äußerte die Hoffnung, dass die Affäre auch potenzielle AfD-Wahler beeindrucke.

Bundesweit gingen am Sonntag Zehntausende Menschen gegen Nationalismus und Rechtsextremismus auf die Straße. Zu den Demonstrationen in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Leipzig, München und Stuttgart hatte ein Bündnis aus Initiativen und Verbänden aufgerufen, darunter Campact, Greenpeace, Attac, Pro Asyl und die Naturfreunde. Mehrere Parteien hatten sich solidarisch mit dem Anliegen der Demos erklärt. Die Demonstrationen sind auch als Antwort auf das Treffen von Vertretern nationalistischer und rechtspopulistischer Parteien am Samstag in Mailand gedacht.


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