Keine Einigung bei Gasgesprächen Russlands mit Ukraine

  20 September 2019    Gelesen: 770
  Keine Einigung bei Gasgesprächen Russlands mit Ukraine

Russland und die Ukraine haben bei ihren jüngsten Verhandlungen über den künftigen Gastransit noch keine Einigung erzielt. Die Gespräche fanden in Brüssel unter Vermittlung der EU-Kommission statt und sollen im Oktober fortgesetzt werden. Ende des Jahres läuft der gegenwärtige Vertrag über den Gastransit aus.

Die EU versteift sich darauf, dass Russland weiterhin über die ukrainische Pipeline Gas nach Europa liefern soll. Moskau ist damit zwar grundsätzlich einverstanden, aber nicht mit dem bisherigen Umfang. Russland will ihn auf einem Minimum halten. Die Ukraine wünscht sich je mehr desto besser, weil sich daraus milliardenschwere Transitgebühren ergeben.

Natürlich ist Deutschland sicherheitshalber am Gastransit unter Umgehung der Ukraine interessiert. Jedoch spricht man vielmehr von Diversifizierung und Energiesicherheit. Unterdessen wird die Zeit immer knapper. Und wenn die Seiten sich innerhalb der wenigen verbleibenden Monate nicht einigen, ist eine Wiederholung der früheren Gaskrisen möglich.

Professor Leonid Grigorjew, Berater der russischen Regierung, ist der Meinung, dass „die EU uns zwingen will, Naftohas, das ukrainische Unternehmen zur Erdöl- und Erdgasgewinnung, -beförderung und -verarbeitung in einem Umfang von zwei Milliarden Dollar und dadurch auch den ukrainischen Staatshaushalt zu subventionieren. Bei den Verhandlungen geht es ja um nichts weiter, als um die Unterstützung der Ukraine auf unsere Kosten“, erklärte er in einer Diskussionsrunde in der Nachrichtenagentur „Rossiya Segodnya“.

Die Ukraine beharrt auf einem zehnjährigen Vertrag über 60 Milliarden Kubikmeter jährlich mit einer Aussicht auf bis zu 90 Milliarden Kubikmeter. Russland dagegen wünscht sich einen einjährigen Vertrag. Der ukrainische Wirtschaftsexperte Dmitri Marunitsch nennt den Grund: „Gasprom kann keinen langfristigen Vertrag abschließen, weil es schwierig ist, mit Menschen Geschäfte zu machen, die heute das eine und morgen etwas anderes sagen, die den Tarifsatz für den Gastransit durch einen internen Beschluss der Regulierungsbehörde ohne Weiteres verdreifachen. Wie kann man sich mit solchen Menschen auf lange Sicht einigen? Kiew dagegen weiß mit einem kurzfristigen Vertrag nichts anzufangen, da unklar ist, wie es die Modernisierung seines Gasleitungsnetzes bezahlen soll. Das kostet ja viel. Es ist klar, dass sich die Seiten nicht einigen konnten.“

Die ukrainische Position ist der EU näher, äußerte der Staatsduma-Abgeordnete Konstantin Satulin, wenn sie auch nicht gerade von ihr unterstützt wird. „Europa, das sich verpflichtet hat, die Ukraine damit zu beruhigen, dass ihre Gaspipeline gefüllt werden soll, muss demonstrieren, dass es dieser Verpflichtung auch nachkommt und so oder anders Russland zwingen wird, eine gewisse Menge Gas durch die Ukraine zu pumpen. Die Vorarbeit dafür wurde auch geleistet. Zunächst erfolgte der Beschluss des europäischen Gerichts zur polnischen Gasleitung OPAL, die an „Nord Stream 1“ anbindet. Mit dem Beschluss wurde der russische Gasexport um 10 Prozent reduziert. Außerdem zögert Dänemark nach wie vor die Genehmigung für die Verlegung von „Nord Stream 2“ durch seine ausschließliche Wirtschaftszone hinaus. Dabei ist diese schon zu 80 Prozent fertig.“

Zwar gebe es eine alternative Route um die Insel Bornholm herum, sagte der Parlamentarier weiter, sie würde aber das ganze Projekt verteuern. „All das wird gemacht, um die Aufmerksamkeit von dem problematischen russischen Gas auf das amerikanische Flüssiggas abzulenken. Dabei sind die Probleme des ‚problematischen‛ Gases von Europa selbst hervorgerufen worden. Das amerikanische Gas ist zwar teurer, um es aber weniger anrüchig zu machen, werden dem russischen Gastransport nach Europa Steine in den Weg gelegt.“

In diesen Tagen wurde ein Vertrag zwischen Polen und den USA abgeschlossen, laut dem amerikanisches Gas über das polnische Territorium in die Ukraine weitergeleitet werden soll, so Satulin, „dabei aber in ihren Westteil, wo es keine gasverbrauchenden Betriebe gibt. Letztere liegen im Osten und Süden der Ukraine. Dies geschieht, um Russland bei den Verhandlungen erpressen zu können, indem man so tut, als gäbe es eine Alternative zum russischen Gas“.

Der Abgeordnete betont, es gehe dabei eigentlich um Gas, das in Russland gewonnen werde. „Russland könnte letztendlich von diesem jährlichen Turnier rund um das Gas genug haben. Falls Europa unser Gas nicht braucht, können wir es innerhalb von Russland selbst und in der Ostrichtung gut verwenden. Da russisches Gas Europa so sehr anwidert, werden wir es schon zu verwenden wissen. Natürlich kann dabei auch Deutschland in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn es eine Wendehals-Politik betreibt, statt die eigenen Interessen zu schützen. Deutschland ist an ‚Nord Stream 2‛ doch interessiert. Folglich sollte es alle seine Möglichkeiten in der EU, politische wie wirtschaftliche, dazu nutzen.“

Der Wirtschaftswissenschaftler Dmitri Marunitsch stellt fest: „Die Gasfrage hat Europa gespalten. Da ist die Position Deutschlands, das am Bau eines Gasspeichers auf seinem Boden interessiert ist, was ohne Ausweitung der russischen Gaslieferungen nicht geht. Dafür gibt es wirtschaftliche wie politische Gründe. Da ist auch die Position Polens und der sogenannten ‚baltischen Tiger‛. Sie blasen dieses Kriegsfeuer fortwährend an, dabei manchmal mit ziemlichem Erfolg. Die Orientierung auf die USA tut ihre Wirkung.“

Der Experte zieht folgende Szenarien in Betracht. „Selbst wenn es nicht gelingt, vor Neujahr eine Vereinbarung zu treffen, und das russische Gas ab 1. Januar nicht mehr in die Ukraine fließt, dreht diese Europa den Gashahn ab, versorgt sich selbst mit Gas und versucht, mit Russland irgendwie zu verhandeln. Dabei verliert Deutschland gar nichts. Dort ist alles in Ordnung. Das Gas für Deutschland fließt nicht über die Ukraine. Nach dem zweiten Szenario kann Gasprom die Gaslieferungen auch ohne Vertrag fortsetzen. Vor diesem Hintergrund wäre Kiew nicht mehr berechtigt, den Gastransit nach Europa zu unterbrechen, da es im Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU den entsprechenden Artikel gibt. Und dann könnte man die Bezahlung nach erfolgter Lieferung vereinbaren.“

sputniknews


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