Wie Spielmanipulationen den albanischen Fußball zerstören

  18 Oktober 2019    Gelesen: 891
Wie Spielmanipulationen den albanischen Fußball zerstören

2018 konnte die Uefa dem albanischen Klub Skënderbeu Korçë 53 manipulierte Spiele nachweisen und bestrafte ihn hart. Wettbetrug ist keine Seltenheit im Land. Auch deshalb sind die Stadien heute leer.

Im kleinen Café neben dem Stadion des KF Skënderbeu Korçë diskutiert eine Gruppe von fünf langjährigen Fans über die Zukunft ihres Lieblingsklubs. Sie sieht düster aus, seitdem die Uefa im März 2018 eine zehnjährige Sperre für die europäischen Klubwettbewerbe verhängt und dem Verein eine Geldstrafe in Höhe von einer Millionen Euro aufgebrummt hat. Die Männerrunde ist sich sicher: "Die wollten ein Exempel statuieren. An Albanien, weil es so klein und unbedeutend ist! Wir dienen der Abschreckung."

Edvin, der als einziger Englisch spricht, erinnert sich an den Tag des Urteils: "Die ganze Stadt stand unter Schock." Schon als Kind war er Fan der Rot-Weißen aus der 50.000-Einwohnerstadt nahe der griechischen Grenze. Nur selten hat Skënderbeu Korçë eine erwähnenswerte Rolle im albanischen Fußball gespielt, war lange Zeit Fahrstuhlmannschaft. "Dann kam ein neuer Vorstand und krempelte alles um. 2011 wurden wir zum ersten Mal Meister, danach noch viermal. Mit den Erfolgen kam Stolz nach Korça. Nun ist alles vorbei."

53 manipulierte Spiele kann die Uefa dem Klub mittels Datenanalysen von Wett-Koeffizienten nachweisen. Zwar hat der Verband bisher niemanden beim aktiven Wettbetrug erwischt. Doch die Lage scheint aufgrund der Daten eindeutig: Skënderbeu hat im großen Stil manipuliert. Erst nur Freundschaftsspiele, dann auch nationale Ligaspiele und schließlich Europapokalspiele.

Als man 2015 nach einem 4:1-Hinspielsieg über den nordirischen Crusaders FC im Rückspiel in der Nachspielzeit zwei Tore kassierte und 2:3 verlor, twitterte der gegnerische Torhüter Sean O'Neill: "Wenn es hier keine Ermittlungen gibt, läuft etwas falsch." Er habe noch nie Fußball gesehen, wie in den letzten zehn Minuten des Spiels.

"Das Strafmaß ist absurd"

Edvin wird nachdenklich, wenn man ihn auf die manipulierten Spiele anspricht. 53 - auch das ist eine Zahl, die es im europäischen Fußball nie zuvor gegeben hat. "Ich will nicht sagen, dass da nichts passiert ist, dass es da keine Manipulationen gab. Die gab es sicher. Aber das Strafmaß ist absurd", sagt er: "Ich weiß genau, was passieren wird: In spätestens einem Jahr ist der Geldgeber weg, denn der will natürlich etwas für seine Investitionen sehen. Und dann gehen hier die Lichter aus. Eine Katastrophe."

Als das Urteil im März 2018 bekanntgegeben wurde, organisierte sich ein tausendköpfiger Protestzug auf dem zentralen Bulevardi Republika und verband Korças historischen Basar mit dem Fußballstadion am anderen Ende der Innenstadt. "Mos na vrisni ëndrrën" stand auf den Plakaten - "tötet unseren Traum nicht".

"Wir leben hier alle für den Fußball", sagt Edvin. "Das hat lange Tradition. In Durrës oder Tirana konnte man früh italienisches Fernsehen empfangen. Wir hier nicht. Für uns gab und gibt es nur Fußball." Vergeblich flehte Bürgermeister Sotiraq Filo Uefa-Präsident Aleksander Ceferin an, die "gerade wieder auferstandene Hoffnung einer ganzen Nation für den Fußball" nicht wieder zu zerstören. Skënderbeu war 2015 und 2017 der erste albanische Verein gewesen, der es in die Gruppenphase der Europa League geschafft hatte.

Der märchenhafte Höhenflug des Vereins begann im Januar 2010, als Agim Zeqo, Geschäftsführer von Red Bull Albanien, Präsident wurde und ein paar Freunde als Investoren mitbrachte. Darunter Ridvan Bode, ehemaliger albanischer Finanzminister, der in seiner Amtszeit den albanischen Wettmarkt privatisierte, Ex-Premierminister Sali Berisha sowie Rezart Taçi, ein Öl-Tycoon, der vor einigen Jahren vergeblich versuchte, den AC Mailand zu übernehmen und dann den FC Parma kaufte und in die Pleite führte. Ebenfalls dabei war Ardjan Takaj, ein Freund von Zeqo, der gleichfalls im Ölgeschäft tätig ist und Zeqo 2012 als Präsident des KF Skënderbeu ablöste. Auch er glaubt "dass die Uefa ein Exempel statuieren wollte, um zu zeigen, dass ihr System gegen Wettmanipulation funktioniert". Laut Uefa-Report hat Takaj Anteile an insgesamt sechs Wettbüros.

Ein Fußballpräsident als Wettanbieter - das bietet nur Albanien.

Die Folgen des Skandals haben den ohnehin angeschlagenen albanischen Fußball erschüttert. Ein Jahr später sind die Stadien leer, ist jede Hoffnung verflogen. "Die Leute gehen nicht mehr in die Stadien, weil sie wissen, dass sie eh nur verarscht werden", sagt der in Tirana ansässige Journalist Andi Deçka.

Kein Wettanbieter führt mehr Spiele der albanischen Ligen, und die vor einigen Jahren überall anzutreffenden Wettbüros im Lande sind geschlossen. Gelöst ist das Problem damit nicht, zumal selbst der mächtige Verbandspräsident Armand Duka immer wieder in Verdacht gerät. "Seine Seilschaften reichen überall hin, kein Politiker legt sich mit ihm an", sagte Journalist Deçka.

Die Männerrunde von Korça ist pessimistisch, was die Zukunft betrifft. "Das Problem ist die enge Verzahnung von Politik, Wettsyndikaten und Drogenmafia. Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, dann ist Fußball in Albanien tot."

spiegel


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