Artillerie: Tempo! Über die neue Rohrwaffe des Pentagons

  08 November 2019    Gelesen: 2018
    Artillerie:   Tempo! Über die neue Rohrwaffe des Pentagons

Das Problem hat die US-Artillerie schon ewig: Die Haubitzen sind zu schwach, zu langsam und brauchen einen Ersatz. Das neue Kanonenkonzept heißt „Extended Range Cannon Artillery“: Rohrartillerie erhöhter Reichweite. Rüstungsfirmen wetteifern um den Auftrag, 2024 soll die Serienfertigung starten. Was ist sie, die neue Rohrwaffe des Pentagons?

Dass die US-Armee in der Kategorie „Selbstfahrende Geschütze“ dem Rest der Welt hinterherhinkt, ist bekannt. Die Amerikaner geben das selbst zu. Die Standardhaubitze der US-Infanterie ist bis heute die M109 – Entwicklungsjahr 1963. Selbst deren neueste Version ist bei Reichweite und Schusstempo den russischen Panzerhaubitzen „Msta-S“ und „Koalizija“ unterlegen, einigen europäischen und chinesischen Mustern ebenfalls.

Eine Ladeautomatik ist bei den amerikanischen Panzerhaubitzen erst seit der Ausführung M109A7 vorhanden, also seit 2012, dem Jahr der Indienststellung. Auf sechs Schuss pro Minute konnte die Feuerrate damit erhöht werden – immer noch zu wenig, verglichen mit der „Msta-S“. Die russische Haubitze (dient seit 1989) verschießt in der gleichen Zeit vier Geschosse mehr. Aber auch bei Motorleistung, Reichweite auf befestigten Straßen und bei der Schussweite mit Sprengbrandmunition ist die M109A7 schwächer als die genannten Geschütze der russischen Streitkräfte.

Laut dem jährlichen Bericht „The Military Balance“ verfügt die US-Armee heute über 900 Panzerhaubitzen in der Ausführung M109A6 und über 47 Exemplare der M109A7. Weitere M109A6 sind als Reserve eingemottet: circa 500 Stück.

Unterstellt sind die Haubitzen den Panzerbrigaden des Heeres. Das waren im laufenden Jahr in Summe elf Einheiten. Laut dem Pentagon soll die M109 in absehbarer Zukunft die Standardhaubitze der US-Streitkräfte bleiben – eine Alternative ist schlicht nicht vorhanden.

Mehrmals versuchten die Amerikaner einen grundlegend neuen Ersatz für die M109 zu entwickeln. Ende der 1980er Jahre begann der General Dynamics-Konzern mit der Konzipierung einer Zukunftskanone. Eine hochmobile, effektive und auf lange Distanzen wirkende Haubitze, besser als die M109A6 – das war der Auftrag der Konstrukteure.

1994 präsentierte der Rüstungskonzern die XM2001 „Crusader“, vollgespickt mit der fortschrittlichsten Elektronik, die damals verfügbar war. Die Besatzung war mit elektronischen Navigations- und Zielsystemen ausgerüstet, der technische Zustand des Geräts und seiner Aggregate wurde elektronisch überwacht.

Die XM2001 war mit einem Ladeautomat ausgerüstet. Der automatisierte Munitionssatz enthielt 48 Geschosse unterschiedlichster Art und 208 Treibladungsmodule. Eine Kadenz von zehn Schuss pro Minute konnten die Entwickler erreichen. Im Salven-Modus konnte die amerikanische Haubitze acht Schuss aufeinander folgend abfeuern.

Mit Standardmunition wirkte die XM2001 auf 40 Kilometer Entfernung. Geplant war jedoch, Lenkmunition vom Typ „Excalibur“ in der Kampfsatz der Haubitze aufzunehmen. Damit wäre die Schussweite auf 57 Kilometer erhöht worden. Bei diesen Parametern war die XM2001 den Panzerhaubitzen ihrer Zeit weit voraus.

Ende 1999 wurde der erste Prototyp der „Crusader“ getestet. Die veranschlagten Leistungsmerkmale wurden gänzlich bestätigt, die Truppeneinführung wurde auf 2008 angesetzt. Im Mai 2002 stellte das Pentagon das Programm jedoch ein: Die übermäßigen Stückkosten von 25 Millionen Dollar pro Serienexemplar wollte das US-Verteidigungsministerium nicht tragen. Zum Vergleich: Die PzH2000 der Bundeswehr kostet bei vergleichbaren Leistungswerten circa 4,5 Millionen.

Eine andere Panzerhaubitze der Zukunft – die XM1203 NLOS „Cannon“ – war Teil des US-Waffenprogramms „Future Combat Systems“ zur Umrüstung der amerikanischen Bodentruppen. Der größte Unterschied dieses Kampfgeräts im Vergleich zur M109A6 war das fast halbierte Einsatzgewicht von 18 Tonnen (32 Tonnen bei der M109), was die Luftverlegung der Haubitze vereinfachte.

Die XM1203 NLOS „Cannon“ verfügte unter anderem über einen Hybridantrieb, ein Rohr samt Verschluss in Leichtbauweise, eine effektivere Mündungsbremse, eine abnehmbare Keramikpanzerung, ein aktives Selbstschutzsystem und über Treibladungsmodule mit Laserzündung.

Der Ladeautomat ließ eine Feuerrate von sechs Schuss pro Minute zu. Selbstverständlich verfügte die XM1203 über die allerneuste Elektronik und war hochgradig automatisiert: die Besatzung bestand aus zwei Mann. 2009 wurde das „Future Combat Systems“-Programm allerdings eingestellt, weil das Pentagon im Zuge einer veränderten Rüstungsstrategie beschlossen hatte, weiter auf die altgediente M109 zu setzen.

Im vergangenen Sommer hat das Pentagon einen Vertrag mit der BAE Systems über die Modernisierung der M109A7 unterzeichnet. XM1299 heißt das Upgrade-Programm. Die Alt-Haubitze soll unter anderem ein neues Geschütz erhalten. Die Rohrlänge steigt von 39 auf 58 Kaliber, wird gesagt. Damit würde die Schussweite auf bis zu 70 Kilometer erhöht.

Mit dem neuen Rohr soll auch ein neues Projektil verschossen werden: Das hochpräzise Versuchsgeschoss XM113 mit Booster-Antrieb. Die Kadenz der allerneusten M109 (XM1299) soll dank einer Ladeautomatik auf zehn Schuss pro Minute gesteigert werden.

Die Amerikaner erklären die XM1299 zur direkten Rivalin der neuesten russischen Panzerhaubitze „Koalizija“. Ein zweifelhafter Vergleich. Die Kanone aus Russland feuert 11 bis 16 Geschosse pro Minute ab und kann (mit Lenkgeschossen) auf Ziele in bis zu 80 Kilometern Entfernung einwirken.

Allerdings erhält die amerikanische Panzerhaubitze ein neues Feuerleit- und ein Navigationssystem, das auch in starkem Störumfeld funktioniert. Alle weiteren Merkmale des künftigen Kampfgeräts werden geheim gehalten.

sputniknews


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