Pablo Casado vor der Wahl in Spanien - Doppeltes Spiel, zweite Chance

  08 November 2019    Gelesen: 970
Pablo Casado vor der Wahl in Spanien - Doppeltes Spiel, zweite Chance

Im April war Pablo Casado am Boden, nun könnte der Spitzenkandidat der konservativen PP sogar Spaniens Premier werden. Klare Aussagen meidet er vor der Wahl aber - denn er braucht die Unterstützung von Rechtsextremen.

Im April schien Pablo Casado politisch erledigt. Er holte bei der Wahl als Spitzenkandidat der konservativen Partido Popular (PP) gerade einmal 16,7 Prozent. Ins Madrider Parlament zogen nur noch 66 PP-Abgeordnete ein, kaum halb so viele wie zuvor.

Sieben Monate später hat Casado trotzdem eine Chance, Spaniens neuer Regierungschef zu werden. Demoskopen halten es nicht mehr für ausgeschlossen, dass eine Mitte-rechts-Koalition die absolute Mehrheit erringt.

Casado hat seine plötzliche Stärke zum einen den Fehlern seiner Gegner zu verdanken. Premier Pedro Sánchez war es nach seinem Wahlsieg nicht gelungen, eine Regierung zu bilden. Er wollte die Linkspopulisten von Podemos nicht zu deren Bedingungen ins Kabinett aufnehmen. Und die Liberalen hatten es abgelehnt, eine sozialistische Minderheitsregierung zu tolerieren.

Aus seinen eigenen Fehlern hat Casado gelernt. Lange Zeit gab er den Scharfmacher. Er beschimpfte Sánchez als "Verräter", "Schurken", "illegalen Besetzer des Regierungsamts". Er wetterte gegen irreguläre Einwanderung und kündigte an, das Abtreibungsrecht einzuschränken. Moderate Wähler schreckte das ab.

Nun macht Casado auf Staatsmann. Er hat seine Wortwahl gemäßigt. Im Frühjahr wollte er verhindern, dass Wähler zu Vox überlaufen, jetzt wirbt er um die Klientel der Liberalen (Ciudadanos), um Junge und Frauen. Der PP-Chef fühle sich in seiner neuen Rolle deutlich wohler, sagen Vertraute.

Casado, 38, ist als Sohn eines Arztes und einer Dozentin in Kastilien aufgewachsen. Er zog zum Jurastudium nach Madrid. Mit 22 Jahren trat er in die PP ein, deren örtliche Jugendorganisation er leitete. Die Chefin der dortigen Regionalregierung, Esperanza Aguirre, holte ihn 2007 als Sprecher der Kommissionen für Justiz, Verwaltung und Haushalt in die Abgeordnetenkammer. "Er ist mein Geschöpf, sehr liberal, ein Crack", sagte sie.

Casado profitierte von mächtigen Förderern. Der ehemalige Parteiführer José María Aznar machte ihn 2009 zu seinem Kabinettschef, dessen Nachfolger, Mariano Rajoy, ebnete ihm den Weg ins Parlament und ernannte ihn zum Vizepressesprecher. Während die PP im Korruptionssumpf versank, machte sich Casado einen Namen als furchtloser Kämpfer gegen die sozialistische Opposition.

Als Rajoy im Juni 2018 nach einem verlorenen Misstrauensvotum im Parlament von seinen Ämtern zurückgetreten war, beerbte ihn Casado als PP-Chef. Er sei zwar jung, aber "er repräsentiert am besten die alte, ehrliche PP", sagt Aznars langjähriger Mitarbeiter Gabriel Elorriaga.

Nach dem Wahldebakel im April bekommt Casado nun eine zweite Chance. Die Wiederholung sei ein "Geschenk", räumt einer seiner engsten Berater ein.

Im Moment könnte es für Casado kaum besser laufen. Premier Sánchez ging davon aus, dass seine Sozialisten von der Neuwahl profitieren würden. Nun aber sieht es so aus, als könnten etliche PSOE-Anhänger aus Enttäuschung über die politische Blockade zu Hause bleiben. Mit Más País, einer Abspaltung von Podemos, kämpft zudem eine weitere Partei um Stimmen aus dem linken Lager.

Auch die Entwicklungen in Katalonien nützen den Konservativen. Seit der Oberste Gerichtshof Mitte Oktober langjährige Haftstrafen gegen katalanische Separatistenführer verhängt hat, liefern sich unter anderem in Barcelona fast jede Nacht Jugendliche Schlachten mit den Sicherheitskräften.

Casado streut Zweifel an Sánchez' Krisenmanagement. Der Premier solle endlich der katalanischen Regierung das Kommando über die regionale Polizei, die Mossos d'Esquadra, entziehen, fordert der PP-Vorsitzende. Der Sozialist will den Konflikt nicht eskalieren lassen. Er ist auf die Wählerstimmen aus Katalonien angewiesen. Während Sánchez auf Entspannung setzt und den spanischen Staat hin zum Föderalismus nach deutschem Vorbild reformieren will, fährt die Rechte einen Konfrontationskurs. Käme sie an die Macht, würde sie die Rezentralisierung betreiben.

PP - eine Partei der Provinz

Unterdessen feilt Casado an seinem Image als Förderer der Tradition. Mehr als die Hälfte der PP-Stammwähler ist älter als 60 Jahre. Die Partei ist vor allem in der Provinz stark. Den Bürgern dort gefällt, dass Casado zwei kleine Kinder hat und sonntags in die Kirche geht.

Casado will den Liberalen Stimmen abjagen. Ciudadanos ist zuletzt nach rechts gerückt, weshalb prominente Mitglieder die Partei verlassen haben. Umfragen sagen ihr herbe Verluste voraus.

Auch seine wirtschaftliche Kompetenz betont Casado. Er hat Finanzspezialisten der Vorgänger zurückgeholt. "Spanien braucht die Volkspartei an der Regierung, um eine neue Wirtschaftskrise zu verhindern", sagt er. Die Konjunktur möchte er ankurbeln und dazu den Höchstsatz für die Einkommensteuer auf 40, die Unternehmenssteuer auf 20 Prozent senken, die Erbschaftsteuer ganz abschaffen.

Casado spielt ein doppeltes Spiel: Er hält sich mit provokanten Aussagen zurück, meidet nun gemeinsame Auftritte mit Ultrarechten. Dadurch könnten Linke wieder mobilisiert werden. Gleichzeitig weiß er, dass er die Unterstützung von Vox braucht, will er je Regierungschef werden.

spiegel


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