Schäuble hält Bild von Spaltung in Ost und West für überzeichnet

  08 November 2019    Gelesen: 735
 Schäuble hält Bild von Spaltung in Ost und West für überzeichnet

Berlin (Reuters) - Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hält mit Blick auf den 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer die Diskussion über eine Spaltung Deutschlands in Ost und West für überzeichnet.

“40 Jahre Teilung, 40 Jahre so unterschiedlicher Entwicklungen sind gar nicht so schnell auch objektiv abzubauen”, sagte Schäuble in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit Reuters TV. Fast niemand wolle die DDR zurück, den Deutschen gehe es heute so gut wie keiner Generation zuvor. Man müsse die Probleme lösen. “Aber man sollte die Schwierigkeiten nicht überschätzen.” Den Mauerfall am 9. November 1989 und die folgende Einheit bezeichnete Schäuble als “Wunder der deutschen Geschichte”. Er habe damals die Sorge gehabt, “hoffentlich geht es nicht schief”. Ihm sei aber sofort klar gewesen: “Wenn die die Mauer aufmachen, ist das das Ende der DDR.”

Es gebe heute im Osten Gegenden, die leistungsstärker als viele im Westen seien, sagte Schäuble. Im übrigen stammten viele der führenden Politiker etwa in der ostdeutschen AfD, aber auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), aus Westdeutschland. “Da mischt sich so viel.” Das Phänomen, dass die Ränder des politischen Spektrums stärker würden, sei nicht nur in Ostdeutschland, sondern überall in der westlichen Welt zu beobachten, sagte der Bundestagspräsident mit Blick auf die Ergebnisse der drei ostdeutschen Landtagswahlen in diesem Jahr. “Aber das kann sich auch wieder ändern. Demokratie ist nichts Statisches.” In einer Demokratie müsse man permanent um die Zustimmung und das Vertrauen der Wähler werben. “Wenn uns Entscheidungen nicht gefallen, können wir uns bemühen, dass die Entscheidungen das nächste Mal mehr unseren Vorstellungen entsprechen.”

“ES GING NICHT SCHIEF”

Am Tag des Mauerfalls am 9. November 1989 sei er als damaliger Innenminister zusammen mit den Fraktionschefs im Kanzleramt gewesen, um die Unterbringung von DDR-Übersiedlern zu besprechen. “Denn wir hatten schon vor dem Fall der Mauer so viele Übersiedler, dass wir Turnhallen und ähnliche Einrichtungen beschlagnahmen mussten, um vorübergehend Übersiedler unterzubringen.” Dann sei der damalige Regierungssprecher mit der Nachricht des bevorstehenden Mauerfalls hereingekommen. Man sei in den Bundestag gegangen. Dort hätten Kanzleramtschef Rudolf Seiters und die Fraktionsvorsitzenden kurze Erklärungen verlesen. “Dann haben ein paar Kollegen der CDU/CSU angefangen, das Deutschlandlied zu singen, andere haben eingestimmt, andere haben protestiert, sind raus”, sagte Schäuble.

“Dann haben alle ferngesehen - und wir haben uns die Augen gerieben”, erinnerte sich Schäuble, der danach den Einigungsvertrag mit ausgearbeitet hatte. Er sei überrascht gewesen von der friedlichen Entwicklung. “Ich hatte gelernt: Ohne das Risiko eines Krieges ist die Demarkationslinie zwischen Ost und West nicht zu verändern.” Deshalb habe man sich nach dem Mauerfall zunächst Sorgen gemacht, ob es friedlich bleiben würde. “Das Wunder der deutschen Geschichte ist - es ging nicht schief”, sagte Schäuble.


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