Uno rechnet mit 168 Millionen Hilfsbedürftigen

  05 Dezember 2019    Gelesen: 1054
Uno rechnet mit 168 Millionen Hilfsbedürftigen

Denguefieber, Kriege, Klimaschock: Zahlreiche humanitäre Krisen werden sich im kommenden Jahr verschärfen, warnt die Uno. Die Zahl der Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, steige um gut ein Viertel.

Vor einem Jahr ging die Uno noch davon aus, 2019 werde, was humanitäre Krisen angeht, in etwa so verlaufen wie das Jahr zuvor. Jetzt sagt die Uno: Das war falsch. Und dieser Fehler soll kein zweites Mal passieren.

Die neue Prognose für 2020, welche die Uno heute vorstellt und die dem SPIEGEL vorliegt, lautet: Weil sich mehrere Krisen weltweit zugleich dramatisch zuspitzen, wird im kommenden Jahr erneut eine Aufstockung der Nothilfeeinsätze nötig.

"Der Bedarf an humanitärer Hilfe wird aufgrund einer Kombination von Krieg, Gewalt, Klimaschocks und wirtschaftlichen Probleme steigen", sagte die assistierende Generalsekretärin der Uno für Nothilfe, die Deutsche Ursula Müller.

Rund 168 Millionen Menschen werden demnach auf Hilfe angewiesen sein - gut ein Viertel mehr als für das abgelaufene Jahr erwartet worden war. Um den Bedürftigsten in 55 Ländern zu helfen, werden rund 29 Milliarden Dollar benötigt, hat die Uno-Nothilfeorganisation Ocha berechnet.

Im Fokus des Berichts "Global Humanitarian Overview 2020" stehen die bekannten Unruheregionen - die Sahelzone, die Demokratische Republik Kongo sowie die Kriegsgebiete im Jemen, in Syrien und im Südsudan.

Die Lage wird sich in 9 von 22 Krisenregionen dem Bericht zufolge verschlechtern. Mehrbedarf zeichnet sich etwa in Venezuela ab, dort dauert die wirtschaftliche Krise unter Machthaber Nicolás Maduro an. Im Sudan tritt nach dem Sturz des Regimes von Umar al-Baschir das Wirtschaftschaos offen zutage. In Burkina Faso verschärft sich die Krise im muslimischen Norden durch Dürre und die Ausbreitung radikalislamischer Milizen. Die Finanzbedarfe steigen darum zum Teil drastisch - im Falle Venezuelas sogar um 237 Prozent (siehe Tabelle).

Bei extremen Notlagen kommen in der Regel mehrere Faktoren zusammen, meist sind es mindestens zwei: Krieg und Überschwemmungen im Südsudan, Krieg und Seuchen im Jemen oder Wirtschaftskrise und Dürre in Simbabwe. Mitunter sind es sogar drei Katastrophen gleichzeitig, wie in Nordnigeria oder Somalia.

Vier Trends hat Ocha ausgemacht, die zur weltweiten Zuspitzung der Lage beitragen:

Der Klimawandel sorgt weltweit dafür, dass sich ohnehin bestehende Krisen durch Extremwetterereignisse verschlimmern. Aktuell sichtbar machen das die gleichzeitige Rekorddürre im südlichen Afrika (nach Überflutungen durch Zyklon Idai vor wenigen Monaten), und die ebenso katastrophalen Überschwemmungen in Ostafrika.

Durch Missachtung des Völkerrechts wurde zuletzt in bewaffneten Konflikten eine Rekordzahl von Kindern vertrieben, versehrt und getötet. Die Uno warnt vor einer "verlorenen Generation".

In 41 Kriegen weltweit sorgt extreme Gewalt und der Einsatz schwerer Waffen für eine große Zahl von Todesopfern. 90 Prozent der Menschen, die in Kriegen bei Explosionen getötet wurden, waren Zivilisten.

Helfer werden vermehrt zu Zielscheiben: Allein im ersten Dreivierteljahr 2019 verzeichnet der Uno-Bericht 791 Angriffe auf humanitäre Helfer, 171 starben. Das waren schon zu diesem frühen Zeitpunkt weitaus mehr als im Vorjahr.

Wo Märkte und Volkswirtschaften kollabieren - wegen Krieg oder einfach wegen Politikversagen - , wo staatliche Ordnung fehlt und Infrastruktur wie etwa Straßen nicht vorhanden ist, werden Menschen von lebenswichtiger Nahrungs- und Gesundheitsversorgung abgeschnitten.

Wenn im Jemen, in und um Syrien oder beispielsweise in Äthiopien sauberes Wasser fehlt und Hunderttausende in Lagern leben, sind Ausbrüche von Cholera wahrscheinlich.

Dass Ebola wohl auch 2020 weiter im Ostkongo grassieren wird, liegt auch an der Unsicherheit in der Region. Nach einer weiteren Attacke auf einen Uno-Stützpunkt hat die Weltgesundheitsorganisation WHO - erneut - Helfer abziehen müssen. Die Regierung in Kinshasa hat die entlegene Region seit Jahren nicht im Griff.

Überschwemmungen und steigende Temperaturen weltweit haben 2019 außerdem dafür gesorgt, dass sich Malaria ausbreitet und dass auch das ebenfalls von Mücken übertragene Denguefieber inzwischen 3,9 Milliarden Menschen in hundert Ländern bedroht.

Im Jemen gab es jüngst einen großen Dengue-Ausbruch mit mehr als 3500 Betroffenen.

"In diesen Kontexten ist humanitäre Hilfe entscheidend für das Retten von Leben und für die Linderung von Leid", sagt die deutsche Uno-Funktionärin Müller. Und sie betont, wie viele im humanitären Sektor, was ihr lieber wäre: Wenn die "grundsätzlichen Ursachen der Krisen von politischen und entwicklungspolitischen Lösungen" begleitet würden, um sie zu bewältigen.

Quelle : spiegel.de


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