"Es ist ein Wettlauf mit dem Tod, und man weiß nicht, wer schneller sein wird"

  16 Januar 2020    Gelesen: 991
"Es ist ein Wettlauf mit dem Tod, und man weiß nicht, wer schneller sein wird"

Marc Bargmann bekam vor elf Jahren ein neues Herz. Von wem, weiß er bis heute nicht. Hier erzählt er, wie er die Zeit damals erlebt hat - und was er über die aktuelle Organspende-Debatte denkt.

Der erste Kontakt zu Marc Bargmann ist mehr als elf Jahre her. In seiner ersten Mail im Herbst 2008 schrieb er: "Da ich im Moment auf einer Halbintensivstation liege und diese nicht verlassen darf, müssten wir uns dann quasi an meinem Krankenbett kennenlernen. Ich hoffe, das ist Ihnen nicht unangenehm. Sie können versuchen, mich mobil zu erreichen, aber mein Empfang in diesem Bunker ist manchmal ziemlich schlecht." Der Bunker war die Uniklinik Hannover; Bargmann, zweifacher Vater, damals 37 Jahre alt, wartete dort auf ein neues Herz und eine neue Lunge, und seine Chancen waren schlecht. Wir trafen uns mehrmals in der quälenden Zeit des Wartens und nach der Transplantation, der Text erschien 2009. Hier blickt Bargmann zurück:

"Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als mir die Ärzte 2008 sagten: 'Wenn Sie leben wollen, kommen sie um eine Herz-Lungen-Transplantation nicht herum.'

Damals war ich sehr schnell dabei: 'Dann soll es so sein', dachte ich. Einige Tage zuvor hatte ich diese Welt bereits um ein Haar verlassen, mein Herz stand still, nur dank eines umsichtigen Pflegers hatte ich überlebt. Das hatte mich damals schon irgendwie erschreckt. 

Im Krankenhaus machte ich mir bewusst, was das für ein Kampf werden würde. Und ich habe mich auch gefragt, warum das überhaupt so ein Kampf sein musste. Warum waren die Wartelisten so lang? Warum konnte man das nicht verkürzen?
Die Ärzte und Pfleger klärten mich darüber auf, dass in Deutschland, im Gegensatz zum europäischen Ausland, jeder Bürger explizit einer Organspende zustimmen muss. Das heißt, er braucht einen Spenderausweis. Hat er oder sie keinen, wäre aber aufgrund seines Zustandes geeignet, seine Organe zu spenden und damit mehrere Leben zu retten, geht ein langwieriger Prozess los, oft müssen die Angehörigen entscheiden. Eine zugegebenermaßen unglückliche Konstellation.

Ich habe damals extrem viel Zuspruch bekommen, von allen Seiten, auch von Menschen, die mich quasi nicht kannten. Alle sagten mir, sie würden sofort ihre Organe spenden. Trotzdem hatten die wenigsten einen Spenderausweis. Was daran lag, dass es sie nicht überall gab, man also selbst sehr dahinter her sein musste, einen solchen Ausweis zu bekommen. Menschen, die auf ein Organ warteten, starben, weil der bürokratische Akt vielen Gesunden eine zu große Hürde war. 

spiegel


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