Staatsanwalt vor Prozessauftakt offenbar massiv bedroht

  27 April 2017    Gelesen: 520
Staatsanwalt vor Prozessauftakt offenbar massiv bedroht
Vier Männer fesselten einen Flüchtling in Sachsen an einen Baum. Den Prozess stellte das Amtsgericht überraschend ein. Kurz zuvor hatte der zuständige Staatsanwalt offenbar Morddrohungen erhalten.
Im Zusammenhang mit dem Verfahren um die Fesselung eines irakischen Flüchtlings im sächsischen Arnsdorf sollen Unbekannte den zuständigen Staatsanwalt vor dem Prozessauftakt massiv bedroht haben. Der Jurist war wenige Tage vor dem Termin am Amtsgericht Kamenz von einer Männergruppe abends auf dem Heimweg verfolgt, beleidigt und bedroht worden, wie der MDR berichtet.

Dem Juristen wurde laut dem Bericht zudem schriftlich der Tod angedroht, sollte er tatsächlich zum Prozess erscheinen. Er werde daher nun von Beamten des Landeskriminalamts beschützt. Eine Sprecherin des sächsischen Innenministeriums bestätigte auf SPIEGEL-Anfrage, dass im Zusammenhang mit dem Arnsdorf-Prozess ein Prozessbeteiligter bedroht worden sei.

Wegen des Vorfalls habe nun das Operative Abwehrzentrum (OAZ) der sächsischen Polizei strafrechtliche Ermittlungen übernommen. Dies deutet darauf hin, dass die Ermittler die Täter in der rechten Szene vermuten: Das OAZ ist laut Darstellung des sächsischen Innenministeriums für die Bekämpfung des Rechtsextremismus zuständig. Die Ministeriumssprecherin sagte lediglich, dass es den Verdacht einer politischen Straftat gebe.

Ob es sich bei dem Bedrohten tatsächlich um den für das Verfahren zuständigen Staatsanwalt handelt, bestätigte die Sprecherin nicht. Auch zum Personenschutz äußerte sie sich nicht - "sowohl um die Sicherheit betroffener Personen nicht zu gefährden, als auch um künftige Maßnahmen nicht zu erschweren."

In dem Verfahren ging es um einen Vorfall aus dem vergangenen Mai. Damals hatten vier Männer in Arnsdorf bei Dresden einen irakischen Asylbewerber aus einem Supermarkt gezerrt, nachdem der psychisch kranke Mann dort wiederholt aufgetaucht war und Ärger gemacht hatte. Laut Anklage fesselten die Männer den inzwischen verstorbenen Iraker und fixierten ihn an einen Baum. Die Staatsanwaltschaft klagte die Gruppe wegen Freiheitsberaubung an.

Am Montag stellte das Amtsgericht im sächsischen Kamenz das ursprünglich auf zehn Verhandlungstage angelegte Verfahren nach wenigen Stunden ein, noch vor Beginn der Beweisaufnahme - nachdem dies mit den Verteidigern der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft so verabredet worden war. Die vier Männer sind damit nicht vorbestraft, die Kosten des Verfahrens trägt der Staat.

Der Richter begründete die Entscheidung mit einem geringen öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung. Zudem hätte es selbst im Falle einer Verurteilung für die Arnsdorfer Männer wohl lediglich "eine ganz geringe Geldstrafe" gegeben. Es sei aber auch möglich, dass die Männer völlig rechtskonform gehandelt hätten: Auch gewöhnliche Bürger dürften jemanden bis zum Eintreffen der Polizei festhalten, der auf frischer Tat ertappt worden sei. Der Iraker habe sich wohl des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht.

Der Fall hatte bundesweit Empörung ausgelöst - und rechte Aktivisten auf den Plan gerufen. Unter anderem wetterten einschlägige Portale wie die Seite "einprozent" oder "Politically Incorrect" gegen den "Skandal von Arnsdorf" und behaupteten, dass "vier Deutsche für ihre spontane Zivilcourage gegenüber einem 'Flüchtling' mit Paschakomplex an den Pranger gestellt werden". Der Prozess, so tönte jüngst "einprozent"-Chef Philipp Stein, sei ein "absurdes Schmierentheater" mit einem einzigen Ziel: "die Repression gegen oppositionelle Kräfte voranzutreiben".

Quelle : spiegel.de

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