Bertrand Louvel, Präsident des Kassationshofes sowie der Generalstaatsanwalt der Republik, Jean-Claude Marin, äußerten sich vor der Presse erschüttert über die Kritik. „Es ist nicht anständig, unter den Franzosen eine so erniedrigende Vision der Justiz zu verbreiten“, sagte Louvel. Marin sprach von einer „Demütigung“. Hollande ließ mitteilen, dass er die beiden hohen Juristen noch am Mittwochabend im Elysée-Palast zu einem klärenden Gespräch empfangen habe.
Trierweiler ist erbost
Aber schon haben die nächsten Opfer der Präsidentenplaudereien begonnen, sich zu beschweren. Denn Hollande hat nichts ausgespart, weder sein Trennungsdrama mit Valérie Trierweiler noch seine Unfähigkeit, seine neue Geliebte Julie Gayet aus dem Schatten des Geheimnisses zu holen. „Sie leidet darunter“, lässt sich Hollande zitieren.
Auch Hollandes ehemalige Lebensgefährtin Valérie Trierweiler (rechts) ist verärgert.
Trierweiler war über die Enthüllungen so erbost, dass sie einen Tweet aus dem Jahr 2008 verbreitete, in dem Hollande über Präsidentengattin Bernadette Chirac („ich habe mal wieder um sie herumscharwenzelt“) und die „Zahnlosen“ spottet. Hollande behauptet in dem Buch von neuem, dass er sich nicht despektierlich über arme Franzosen geäußert habe, die sich keinen Zahnersatz leisten könnten. Trierweiler besteht hingegen darauf, dass der Sozialist Leute aus der Unterschicht als „Zahnlose“ verhöhnte.
Hollande plaudert
Aber die Vertraulichkeiten aus Hollandes Privatleben sind nichts im Vergleich zu den politischen Beobachtungen, die Hollande seinen Gesprächspartnern überlässt. Der 61 Jahre alte Sozialist dokumentiert auf diese Weise die Chronik seines eigenen Scheiterns, seine Unentschlossenheit und Inkohärenz. 61 Mal haben die Autoren, Gérard Davet und Fabrice Lhomme, den Präsidenten seit dem Machtwechsel im Mai 2012 getroffen, im Elysée-Palast, zum Abendessen und sogar acht Mal in ihrem Privatdomizil. „Wann arbeitet der Präsident eigentlich?“, fragte die Oppositionspolitikerin Nathalie Kosciusko-Morizet (LR) am Donnerstag.
Frankreichs Präsidenten haben stets über ihren Ruhm nach dem Ende der Amtszeit gewacht. Charles de Gaulle hatte großes literarisches Talent und hinterließ ein Dutzend politischer Werke, darunter die berühmten „Kriegsmemoiren“. Georges Pompidou verfasste eine Anthologie französischer Dichtung, Valéry Giscard d’Estaing gelang es immerhin, in den Kreis der 40 „Unsterblichen“ der Académie Française aufgenommen zu werden. Und Hollande? Er plaudert. Das jüngste Buch reiht sich in eine ganze Serie von Veröffentlichungen ein, die alle Gespräche mit dem Präsidenten zur Grundlage haben.
Der Präsident teilt aus
Der Journalist Cyril Graziani hat gerade nach einem Dutzend Unterredungen mit Hollande „Le Premier Secrétaire de la République“ veröffentlicht. Er stellt darin die These auf, dass der Präsident für das höchste Staatsamt ungeeignet sei. Die Journalisten Antonin André und Karim Rissouli beschreiben nach 32 Terminen mit Hollande ihre „Conversations privées avec les Président“, private Unterhaltungen mit dem Präsidenten mit öffentlicher Breitenwirkung.
In „Un Président ne devrait pas dire ça“ mokiert er sich über Nicolas Sarkozy („ein Mini-De Gaulle“) und nennt die Fußballer der französischen Nationalelf Idioten, „die Muskeltraining für ihr Gehirn brauchen“. Die Grünen, denen er Regierungsverantwortung übertragen hat, bezeichnet er abschätzig als „Zyniker“ und „Störenfriede“. Selbst so loyale Vertraute wie Jean-Marc Ayrault bekommen Kritik ab. Er bestätigt, dass der frühere Premierminister François Fillon im Elysée darum nachgesucht hat, die Strafverfahren gegen Sarkozy zu beschleunigen. Den umstrittenen Flughafenbau bei Nantes hält er – trotz eines gegenteiligen Referendumsergebnisses – für eine Totgeburt. Den Vorstoß über den Entzug der französischen Staatsbürgerschaft für Terroristen, ein Vorhaben, mit dem er scheiterte, habe er „persönlich nicht gewollt“. Seine Haare sind – trotz horrender monatlicher Friseurkosten – nicht gefärbt.
Emmanuel Macron, seinen Schützling, der die Regierung auf eigenen Wunsch verlassen hat und mit einer Präsidentschaftskandidatur liebäugelt, nennt er in dem Buch „einen netten Jungen“. „Emmanuel Macron, das bin ich“, sagt Hollande überraschend. Seine Amtszeit nimmt er schließlich vor Kritik in Schutz: „Ich möchte, dass man über mich sagt, weil es der Wahrheit entspricht, dass ich mutig war.“
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