Octavia RS - vernünftig, aber nicht langweilig

  27 Mai 2021    Gelesen: 493
  Octavia RS - vernünftig, aber nicht langweilig

Sportliche Autos erfreuen sich immer noch einiger Beliebtheit. Einmal mehr, wenn sie nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind und wenn ihr Image so clever ist, dass Neid und Missgunst weitgehend ausbleiben. Ein solches Auto ist der Skoda Octavia RS. Und langweilig ist der Tscheche nicht.

Skoda ist bekannt für seine vernünftig unspektakulären Autos. Mit einem Tschechen wird man keinen Neid erzeugen, sondern eher Anerkennung für seine kluge Wahl. VW-Technik in einem unprätentiösen Kleid, aber mit ganz vielen cleveren Lösungen für den Auto-Alltag. Das hört sich vielleicht langweilig an, ist aber auch verlockend. Und so ganz ohne sportlichen Ehrgeiz sind die Jungs und Mädels bei Skoda ja auch nicht, denn es gibt da noch das Label RS. Und dieses Zeichen des dynamischen Ritterschlags bekommt nicht jedes Fahrzeug aus Mláda Boleslav. Bis dato ist es nur dem Octavia und dem Kodiaq zuteilgeworden. Vielleicht sind die beiden deswegen ja auch absolute Bestseller.

Vor allem der Mittelklasse-Kombi in Form des Octavia erfreut sich seit Jahren besonders in Deutschland größter Beliebtheit. Und das aus gutem Grund: Hat der Sportfreund doch seit seiner vorletzten Neuauflage satte 245 Pferdchen im Stall. Bereitgestellt werden die von einem Reihen-Vierzylinder mit 1984 Kubikzentimetern Hubraum und Abgasturbolader, was ihm das bekannte Kürzel TSI an die Heckklappe zaubert. Bei Bedarf schaufelt der Treibsatz dann auch noch 370 Newtonmeter maximales Drehmoment auf die Vorderräder. Kurz, wer hier an der Ampel mal richtig aufs Gaspedal tritt, der kann die ESP-Kontrollleuchte stroposkopartig flackern sehen.

Der kann auch mal durchdrehen

Andererseits kann der, der es kontrolliert im Sportmodus angeht, auch ohne durchdrehende Reifen in 6,7 Sekunden auf Landstraßentempo schaffen. Nachhaltiger Druck mit dem rechten Fuß führt dazu, dass sich der RS locker bis 245 km/h beschleunigen lässt und mit etwas Geduld und der richtigen Topografie sogar bis Tempo 268 geht. Da es hier aber keine Reserven mehr gibt und die Ingenieure peinlich darauf geachtet haben, dass das Raumwunder Octavia Combi auch weiterhin ein echtes Familienauto bleibt, ist die Applikation der Dämpfer so, dass den Reisenden niemals aufgrund zu kurzer Federwege Ungemach bereitet wird.

Anders ausgedrückt: Obwohl der Octavia RS verglichen mit seinen normalen Brüdern 15 Millimeter Richtung Asphalt verschoben wurde, bleibt er in allen Lebenslagen oder Fahrprogrammen (Normal, Comfort, Sport, Individuell) ein Schlechte-Wege-Fresser. Leider ist das auch die Verhinderung für den Extremsport. Zwar beißen die Zangen im Ernstfall ordentlich zu, so dass der RS auch aus der Höchstgeschwindigkeit ganz famos verzögert, aber eine zusätzliche Eigenbewegung des Wagens durch Lenkbewegungen sollte vermieden werden, weil die das Fahrwerk nur noch mit Versatz bewältigen kann.

Echter Preisknaller

Nun ist der Octavia RS aber per se nicht für die Rennstrecke gebaut, sondern als freudvoller Alltagssportler konzipiert und dafür ist sein dynamisches Vermögen mehr als ausreichend. Die Lenkung strafft sich im Modus Sport zusehends, was den RS dazu zwingt, noch direkter den Lenkbefehlen des Piloten zu folgen, die Gaskennlinie reagiert spontaner, wenn auch nicht spitz auf entsprechende Bewegungen des rechten Fußes und das Fahrwerk gibt sich sportlich komfortabel, tut keinem weh, knickt aber in wirklich schnell gefahrenen engen Kurven etwas ein. Aber bitte, so bestückt fährt man mit dem Tschechen immer noch 90 Prozent aller anderen Verkehrsteilnehmer davon.

Und auch vor den ganz Großen muss sich der RS-Pilot auf den freien Passagen der Autobahn nicht verstecken. Der Turbo könnte zwar etwas spontaner ansprechen, aber wenn er durchgeladen hat, dann geht die Fuhre ohne Verzug nach vorne und AMG und Co. gucken nicht schlecht, wenn man wieder auf Augenhöhe ist und sich auch nicht mehr abschütteln lässt. Und das mit dem guten Gefühl, deutlich weniger für die Alltagssportsfreuden gezahlt zu haben als der Konkurrent in der Nebenspur. Denn der Octavia Combi RS steigt mit 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe ab 40.410 Euro ein. Wer abseits der immer noch recht kleinen Schaltwippen hinter dem Lenkrad die Gänge lieber selber wechseln möchte, der kann den Handschalter bereits für 39.810 Euro bekommen.

Doch ganz ehrlich, wer nicht zwingend den sportlichen Ehrgeiz besitzt, das linke Bein mit dem Kupplungspedal und den rechten Arm beim Schalten zu trainieren, der sollte die 600 Euro investieren und den RS mit DSG ordern. Wie nämlich bekannt, hat das auch den Charme, dass wichtige Assistenzsysteme wie zum Beispiel der adaptive Spurhalteassistent mit Abstandsradar und Tempomat, kurz ACC, nur dann über alle Geschwindigkeitsbereiche entspannt und ohne Fremdeingriff funktionieren. Und da gibt es beim Skoda kein Vertun. Lediglich in Baustellen mit weißen und gelben Linien verliert das System ab und an die Übersicht und fordert den verdutzen Fahrer auf, doch bitte in der Mitte der Spur zu fahren.

Unnötiges V8-Getöse

Auch der natürlich für echte Sportfahrer unzumutbar erscheinende Parkassistent ist eine Überlegung wert. Im Test brachte er den Octavia Combi in Lücken, die der Autor auf den ersten Blick nicht angesteuert hätte. Und überhaupt kann das ja auch hilfreich sein, wenn die bessere Hälfte mal mit dem Sportfreund unterwegs ist. Ebenfalls hilfreich ist die Verkehrszeichenerkennung, die sehr bestimmt die Vorgaben umsetzt und so verhindert, dass das Bankkonto belastet wird oder der Führerschein für einige Zeit unter Verschluss kommt. Das "Reisepaket" kostet natürlich. 1060 Euro müssen zusätzlich investiert werden, aber die lohnen sich, zumal darin auch das adaptive Fahrwerk enthalten ist, das die Fahrt nicht nur ein bisschen komfortabler ausfedert, sondern vor allem das künstliche V8-Getöse beendet.

Ja, auch beim TSI konnte sich Skoda nicht verkneifen, die Insassen des RS mit einem künstlichen Sportmotorensound zu malträtieren. Prinzipiell startet der Octavia im Modus Normal und knurrt den Fahrer giftig aus den Lautsprechern zu seinen Füßen an. Beim Betätigen des Gaspedals schwingt sich das Ganze dann auf, um im Dauerlauf zu einem indifferenten Gedröhne zu verkommen. Im Modus Sport nimmt das Brummen dann noch etwas mehr Fahrt auf und nur in Eco und Comfort kann es unterbunden werden. Das Schlimme ist, dass diese Geräuschkulisse nichts mit den Fahreigenschaften oder der Motorleistung zu tun hat, sondern einfach künstlich hinterlegt ist. Warum der Fahrer eines RS übrigens nicht entscheiden kann, wann er den Sound haben will, sondern nur, dass er ihn nicht haben möchte, wird wohl ein Geheimnis der Tschechen bleiben.

Der hat keine Scheibe

Abseits davon bietet der RS all das, was man von ihm erwartet: viel Platz für Mensch und 640 bis 1700 Liter für Gepäck. Hinzu kommen ein Brillenfach im Himmel, auf Wunsch ein induktives Ladefeld für das Smartphone und ein volldigitales Zentralinstrument, auf dem entweder ganz klassisch Tacho und Drehzahlmesser zu sehen sind oder sogar die displayfüllende Karte des Navigationssystems. Vorausgesetzt, man hat hier vorher ein Kreuz in der Optionsliste gemacht und die 2390 Euro hinterlegt. Dafür gibt es dann auch noch ein brillantes Head-up-Display, das seine Daten in die Frontscheibe projiziert und nicht wie beim neuen VW Arteon in ein ausfahrbares Plastikscheibchen auf dem Dashboard.

Nicht im Head-up-, aber im Zentral- oder im Infotainmentdisplay kann dann auch der Verbrauch abgelesen werden. Ist ja für den einen oder anderen nicht ganz unwichtig, zu wissen, wie viel Sprit über 100 Kilometer aus dem 51,5 Liter fassenden Tank entweicht. Wie immer hängt das nicht zuletzt mit der Fahrweise zusammen. Wer es auf den freien Strecken der Autobahn richtig krachen lässt, der kann mit bis zu 14 Litern bestraft werden. Wer sich zurückhält und nur ab und an stark beschleunigt, der wird mit 8,9 Litern belohnt. Im Schnitt ließ sich der Sportfreund mit knapp 8,0 Litern im Drittelmix bewegen. Das ist zwar Abseits der 6,6 Liter, die Skoda hier vermerkt hat, ist aber für einen flotten Alltagsbetrieb durchaus akzeptabel.

Fazit: Wer lange Strecken sportlich, aber ohne großen Komfortverlust zurücklegen will, der ist mit dem 245 PS starken Skoda Octavia RS Combi gut bedient. Zumal er für knapp 40.400 Euro nicht nur ein solides, sondern auch schickes Auto mit viel Platz und sehr praktischen Zutaten bekommt. Wer natürlich alle Begehrlichkeiten aus der Optionsliste einpreist, der landet am Ende bei etwa 49.300 Euro. Der RS ist in seiner Kombination aus Komfort, Cleverness und Sportlichkeit kein Rennwagen. Dafür aber ein dynamischer Begleiter auf allen Alltagstouren. Und wenn den Fahrer der Hafer sticht, dann kann er auch einem Porsche zeigen, wo der Geschwindigkeits-Hammer hängt.

Quelle: ntv.de


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