Türkischer Vormarsch in Afrika

  28 April 2017    Gelesen: 846
Türkischer Vormarsch in Afrika
Nicht nur China drückt Afrika den Stempel auf. Auch die Türkei steigt zu einem wichtigen Geberland auf dem Kontinent auf. Nirgendwo ist dies so deutlich wie im Krisenland Somalia.
Wer glaubt, afrikanische Staaten erwiesen sich oft als undankbar, sollte sich anhören, was der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud letzte Woche über die Türkei sagte. Die Zurückdrängung der islamistischen Aufständischen von al-Shabab sei vor allem türkischer Hilfe zu verdanken, heisst es in einem Communiqué aus Anlass eines Besuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Mogadiscio. Die Türkei warte nicht auf stabile Verhältnisse, sondern packe auf allen Ebenen an, um sie zu schaffen. Nur türkische Fachleute wagten es, in Somalia zu arbeiten; ihr Beistand sei «wie eine Naturkraft», schwärmte Mohamud.

Flughafen und Musterspital

Die türkische Entwicklungshilfe für Somalia, die direkt geleistet wird, ist in der Tat sichtbarer als die Unterstützung westlicher Geber, die meist über multilaterale Organisationen verteilt wird. In den letzten drei Jahren setzte Ankara über 400 Millionen Dollar in Somalia ein, etwa zehnmal mehr als die Schweiz. Während sich Bern auf humanitäre Hilfe beschränkt, finanziert die Türkei Infrastrukturen und den Aufbau von Institutionen und bildet somalische Soldaten und Polizisten aus.

Die türkische Zusammenarbeit gleicht der frühen europäischen Entwicklungshilfe in den siebziger Jahren, als etwa Schweizer Entwicklungshelfer in Kenya eine Hotelfachschule aus dem Boden stampften und diese jahrelang unter Schweizer Regie führten. Nach dem gleichen Muster stellte die türkische Agentur für internationale Zusammenarbeit letztes Jahr in der somalischen Hauptstadt Mogadiscio ein Ausbildungsspital mit 200 Betten fertig. Auch der Flughafen von Mogadiscio wurde von türkischen Firmen gebaut und wird unter türkischer Regie betrieben. Gleichzeitig vergibt die Türkei jährlich Hunderte von Stipendien für einen Lehrgang in der Türkei.

Somalia ist kein Sonderfall. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat kein anderes Geberland die humanitäre und technische Hilfe so intensiv verstärkt wie die Türkei. In Dollars gemessen nahm sie zwischen 2008 und 2013 von 780 Millionen auf 3,3 Milliarden zu; Tendenz weiter steigend. Rund ein Drittel der Mittel wird in Afrika inklusive Nordafrika eingesetzt (letztes Jahr fiel der Anteil wegen der Hilfe für syrische Flüchtlinge auf ein Viertel zurück). Bemerkenswerterweise erhält die Türkei als Beitrittskandidat der EU ihrerseits Anpassungshilfen aus Brüssel in dreistelliger Millionenhöhe.

Laut einem türkischen Diplomaten gestaltete der frühere türkische Aussenminister und jetzige Ministerpräsident Ahmet Davutoglu die Entwicklungspolitik Ankaras massgeblich. Nach seiner Doktrin soll sich die Türkei nicht nur zwischen Okzident und Orient, sondern auch entlang der Nord-Süd-Achse zentral positionieren. Seit 2008 eröffnete Ankara in 27 afrikanischen Ländern Botschaften und ist nun in 39 Staaten auf dem Kontinent vertreten. Die halbstaatlichen Turkish Airlines fliegen 46 Destinationen in Afrika an. Wenn man etwa in Kenya Besucher und Neuankömmlinge aus der nördlichen Hemisphäre trifft, stehen die Chancen gut, dass sie via Istanbul eingereist sind.

Das Engagement Ankaras ist nicht selbstlos. Seit den Privatisierungen und dem hohen Wirtschaftswachstum der neunziger Jahre sind türkische Unternehmer auf der Suche nach neuen Märkten. Das Handelsvolumen der Türkei mit Afrika verzehnfachte sich im vergangenen Jahrzehnt auf 23 Milliarden Dollar; laut Ankara soll es bis 2018 auf 50 Milliarden anwachsen. Auch Investitionen nehmen zu. Türkische Bauunternehmen betätigen sich emsig beim Bau von Strassen, Konferenzzentren und Flughäfen und nehmen in Afrika den zweiten Rang hinter chinesischen Auftragnehmern ein.

Auf Augenhöhe

Türkischen Unternehmern eilt, wie den Entwicklungshelfern, der Ruf voraus, unbürokratisch zu sein. Als Äquatorialguinea vor vier Jahren einen Gipfel der Afrikanischen Union abhielt, gefiel Präsident Teodoro Obiang das von Chinesen erbaute Konferenzzentrum nicht so gut. Ein türkisches Unternehmen anerbot sich, für 100 Millionen Dollar ein Gebäude anzubauen. In aller Eile wurden 13 000 Tonnen Stahl, Holz und Glas in 5 Containerschiffe und 12 Frachtflugzeuge geladen und 600 türkische Arbeiter zur Baustelle in der äquatorialguineischen Hauptstadt Malabo eingeflogen. Besonders sinnvoll war das sicher nicht, aber türkische Unternehmer stellen keine solchen Fragen. «Wir benötigten fünf Monate, und dabei verloren wir sogar noch einen Monat, weil uns der Zement ausging», sagte der verantwortliche Ingenieur.

Afrikanische Regierungen schätzen die schnörkellose Einstellung von Partnern, die den Übergang vom Entwicklungs- zum Schwellenland selbst erlebt haben. Die Türkei gehört zum Kreis dieser Länder und somit auch zu den Gewinnern im Wettbewerb um afrikanische Märkte.

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