Rekordverlust erhöht Druck auf Air Berlin

  28 April 2017    Gelesen: 642
Rekordverlust erhöht Druck auf Air Berlin
Die zweitgrößte deutsche Fluglinie gab am Freitag für das vorige Jahr einen Rekordverlust von 782 Millionen Euro bekannt - jeden Tag macht die Gesellschaft also mehr als zwei Millionen Euro Miese. Bisher hat der Großaktionär Etihad Air Berlin mit Finanzspritzen in der Luft gehalten. Doch wie lange die Golf-Airline und deren Eigentümer, die Herrscherfamilie des ölreichen Emirates Abu Dhabi, das noch tun, ist unklar. Deshalb läuft die Suche nach einer Lösung für die hochverschuldete Berliner Fluglinie auf Hochtouren. "Nichts ist in Stein gemeißelt, es gibt keine Tabus", sagte der neue Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann in einer Telefonkonferenz.
Als möglicher Retter der schwächelnden Airline wird die Lufthansa gehandelt. Deren Chef Carsten Spohr fliegt nächste Woche mit Kanzlerin Angela Merkel nach Abu Dhabi. "Natürlich wird dort über die Zukunft von Air Berlin gesprochen", sagte ein Lufthansa-Insider. Es werde aber dauern, bis man sich handelseinig werde. In Kreisen der Bundesregierung hieß es, man nehme die Überlegungen zu einer Übernahme von Air Berlin durch die Lufthansa zur Kenntnis, sei aber nicht an Gesprächen beteiligt.

CHEF WEIST PARALLELEN ZU ALITALIA VON SICH

Den Jahresabschluss bezeichnete Winkelmann als "hochgradig unbefriedigend". Der ehemalige Lufthansa-Manager steht erst seit Februar an der Spitze von Air Berlin. Der 57-jährige betonte, die Firma habe genug Geld, um die Restrukturierung fortzusetzen. Schuld an der Misere sei das alte Geschäftsmodell mit einem stark saisonabhängigen Streckennetz und einer unklaren Marktposition zwischen Tourismus-Airline, Billigflieger und Langstreckenanbieter. "Air Berlin war eine eierlegende Wollmichsau der Lüfte, die es allen Recht machen wollte."

Die schnell wachsende Golf-Airline Etihad war 2011 bei Air Berlin mit 29 Prozent eingestiegen, will Eingeweihten aus ihrem Umfeld zufolge aber eigentlich kein frisches Geld mehr in Europa versenken. Zu spüren bekam das bereits die zweite namhafte europäische Etihad-Beteiligung Alitalia, die nun am Rande der Pleite steht.

Die Situation südlich der Alpen hatte sich Anfang der Woche zugespitzt, als die Alitalia-Angestellten mehrheitlich gegen harte Einschnitte gestimmt hatten. Das gleiche Schicksal droht der Hauptstadt-Fluglinie Winkelmann zufolge nicht. "Hinter der Sanierung von Air Berlin stehen nicht nur das Management, sondern auch unsere Gewerkschaften, also Verdi und die Pilotenvereinigung Cockpit." Auch Etihad ist vorerst offenbar noch mit im Boot: "Wir sehen die ersten Strukturveränderungen, die nötig sind, um eine nachhaltige Zukunft für Air Berlin zu schaffen", sagte Etihad-Chef James Hogan.

DER UMBAU VON AIR BERLIN KOSTET VIEL GELD

Air Berlin mit seinen 8000 Mitarbeitern befindet sich mitten in einem tiefgreifenden Umbau. Das bisherige Geschäft wird derzeit in drei Teile aufgeteilt. Etwa 40 Flugzeuge werden an die Lufthansa vermietet, weitere gehen an ein Ferienflug-Gemeinschaftsunternehmen mit TUI. Die Kosten dafür summierten sich 2016 zusammen mit Wertminderungen auf 335 Millionen Euro. Der Umsatz fiel auf 3,8 Milliarden Euro von 4,1 Milliarden Euro im Vorjahr. Künftig will sich die Fluglinie, die mit ihrem "Mallorca-Shuttle" bekannt wurde, mit den verbleibenden 75 Flugzeugen auf die Drehkreuze Berlin und Düsseldorf sowie auf Flüge nach Übersee konzentrieren. "Ich bin angetreten, um aus dem defizitären Hybrid-Carrier eine fokussierte, kosteneffiziente Netzwerk-Airline zu gestalten", sagte Winkelmann.

Vor dem neuen Chef, der für die Lufthansa den Billigflieger Germanwings aufbaute, liegt viel Arbeit: Air Berlin steckt seit Jahren in der Krise. Auch mehrere Sanierungsrunden und Chefwechsel brachten keine Besserung. Auslöser der Schieflage waren ein zu rascher Expansionskurs und zahlreiche Strategiewechsel.

In den vergangenen neun Jahren flog Air Berlin nur einmal einen Konzernüberschuss ein. Die finanziellen Probleme verschärften sich voriges Jahr noch: Die Schulden liegen mittlerweile bei 1,2 Milliarden Euro, und im Eigenkapital - üblicherweise ein Puffer für schlechte Zeiten - klafft ein Loch von 1,5 Milliarden Euro. Wie die Bilanz saniert werden soll, verriet Winkelmann am Freitag nicht. Im ersten Quartal, dessen Zahlen Air Berlin gleichzeitig vorstellte, weitete sich der Fehlbetrag auf 293 Millionen Euro aus, von 182 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

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