Trump im Nato-Hauptquartier: Er will alles, und er will es jetzt

  26 Mai 2017    Gelesen: 721
Trump im Nato-Hauptquartier: Er will alles, und er will es jetzt
Das erste Nato-Treffen mit Donald Trump sollte Einigkeit demonstrieren. Herausgekommen ist das Gegenteil: Der US-Präsident brüskiert seine Partner vor laufender Kamera.
Alles war so schön vorbereitet. Donald Trump besucht das neue Nato-Hauptquartier und darf gleich zu Beginn eine Skulptur einweihen, die aus Metallteilen des World Trade Center besteht. Sie soll daran erinnern, dass das Bündnis nach den Terroranschlägen vom 11. September zum ersten Mal den Bündnisfall nach Artikel 5 ausgerufen hat.

Das würden sie jetzt von Trump hier auch gerne hören: dass die USA zu ihrer Verpflichtung stehen, angegriffene Nato-Mitglieder ohne Wenn und Aber zu verteidigen. Minuten vor Trumps Rede meldet eine Nachrichtenagentur sogar, Trump werde genau das sagen.

Doch Trump hat offenbar keine Lust auf versöhnliche Worte.

Er erinnert kurz an die Toten des Terroranschlags von Manchester, er bittet die anderen Staats- und Regierungschefs zu einer Schweigeminute für die Opfer. "Schreckliche Sache", sagt er noch - und dann legt er so los, dass ein Nato-Diplomat am Ende nur ein in diesen Kreisen eher unüblicher Vergleich einfällt: "Der hat uns einfach den Stinkefinger gezeigt."

Wie eine Standpauke vor ungezogenen Kindern

Monatelang hatten die Regierungen der Nato-Länder über die Frage verhandelt, wie man künftig die Lasten im Bündnis verteilt und wer wie viel bezahlen solle. Zu Anfang des Nato-Treffens spielte selbst Trump noch mit: Man bekräftigte einstimmig das 2014 beschlossene Ziel, dass alle Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben bis zum Jahr 2024 auf zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung steigern.

Dann aber stellte sich Trump ans Rednerpult - und es war, als hätte es die Einigung nie gegeben. "23 von 28 Ländern zahlen noch immer nicht, was sie zahlen sollten", sagt der US-Präsident. "Das ist nicht fair gegenüber dem Volk und den Steuerzahlern der USA." Die säumigen Zahler seien aus den vergangenen Jahren "eine ungeheure Menge an Geld schuldig". Der US-Präsident wirkt in diesem Moment, als habe er eine Horde ungezogener Kinder zur Standpauke antreten lassen.

Das 9/11-Mahnmal, mit dem die Nato an das Prinzip "Einer für alle, alle für Einen" erinnern will, scheint Trump eher als Symbol für das aktuelle Versagen der Nato zu interpretieren. Selbst zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts seien "unzureichend", um die Streitkräfte der Allianz zu modernisieren, zu vergrößern und ihre Einsatzbereitschaft zu erhöhen, sagt Trump. Ein paar Sätze weiter erklärt er die zwei Prozent zum "absoluten Minimum", um die "realen und teuflischen Bedrohungen" der Gegenwart anzugehen, insbesondere den Terrorismus.

Merkel wirkt nun beinahe fassungslos, kurzzeitig entglitten der Kanzlerin die Gesichtszüge.

Kein explizites Bekenntnis zu Artikel 5

Auch US-Diplomaten, die sich die Rede ihres Chefs auf dem Fernseher anschauen, sind überrascht. Offenbar hat Trump selbst den Redetext am Ende nochmal verschärft, ganz so geplant war die Standpauke für die Nato offenbar nicht. Das allseits erwartete Bekenntnis zu Nato-Artikel 5 legte Trump nicht ab. Am Ende musste ein anonymer US-Beamter gegenüber einer Nachrichtenagentur erklären, dass Trump natürlich trotzdem zur Beistandsgarantie stehe. Das sei der "Kern der Allianz".

Europas Staats- und Regierungschef und nicht zuletzt die deutsche Kanzlerin müssen sich an diesem Donnerstagnachmittag einige unschöne Eingeständnisse machen: Monatelang haben sie versucht, Trump einzuhegen, sich sogar abgestimmt, wer ihm in Washington was beibringen solle:

Merkel machte Trump klar, dass er Handelsdeals nur mit der EU insgesamt abschließen kann.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg flüsterte ihm ein, dass auch er die Partnerländer zum Zwei-Prozent-Ziel drängen wolle.
Und die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen redete sich die Lage schön, indem sie erklärte, wie nett es mit Herrn Mattis sei, dem neuen Chef im Pentagon.
In der Bundesregierung hatte man Trump klarzumachen gehofft, dass die zwei Prozent des BIP nicht alles seien - man müsse auch die Beiträge zu Militärmissionen und die Fähigkeiten mit einrechnen, die ein Land einbringe. Und da sehe Deutschland besonders gut aus.

Doch nach Trumps Rede erscheint es eher zweifelhaft, dass sich der US-Präsident derartigen Rechenspielen hingeben wolle.

Lieber Saudi-Arabien als Europa

Stattdessen scheint klar: Trump bleibt Trump, und mit einem gewissen Grausen muss sich die politische Klasse des alten Kontinents eingestehen, dass sich der neue Mann im Weißen Haus in Saudi-Arabien wohler fühlt als bei seinen alten europäischen Verbündeten.

Ausgerechnet vor dem Trümmerdenkmal des World Trade Center singt Trump das hohe Lied auf die Bereitschaft der Saudis, den Terroristen nun die Gelder zu entziehen. Den saudischen König Salman ibn Abd al-Aziz - aus dessen religiöser Diktatur die meisten Attentäter von 9/11 stammten - preist er als "weisen Mann". Für Merkel und Co. muss es sich wie Hohn anhören.

Eine Botschaft aus eigener Kenntnis hatte der Präsident am Ende dann auch noch für die Europäer. Er wolle ja gar nicht wissen, was dieses neue Hauptquartier eigentlich gekostet habe, sagte Trump. "Aber es ist schön geworden."

Die Antwort kann dem einstigen Baulöwen aus Manhattan nachgereicht werden: 1,1 Milliarden Euro, rund zweieinhalb Mal so viel wie ursprünglich geplant. Manch einer wird froh sein, dass der Immobilienmann Trump erst jetzt US-Präsident ist.

Zusammengefasst: Donald Trumps erster Besuch bei der Nato wird noch lange in Erinnerung bleiben. Der US-Präsident stauchte die Staats- und Regierungschefs der anderen Mitgliedsländer vor laufenden Kameras zusammen - und forderte mehr Geld für das Verteidigungsbündnis. Aus dem Signal von Einigkeit, das von dem Treffen ausgehen sollte, wurde nichts.

Quelle: spiegel

Tags:


Newsticker