Die Energiekosten könnten für die Bundesbürger möglicherweise noch deutlicher steigen als bisher angenommen. Darauf hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen am Mittwochabend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" hingewiesen. Möglich mache dies das Energiesicherungsgesetz, das der Bundestag im Mai angenommen hatte. Es dient laut Bundestag dazu, "die Krisenvorsorge und die Instrumente der Krisenbewältigung" zu stärken. Habeck erklärt es bei Markus Lanz verständlicher: "Wir haben uns eine Möglichkeit geschaffen, die Verluste der Gasversorger an die Kunden weiterzugeben."
Verluste entstehen zum Beispiel, wie aktuell bei dem Gasversorger Uniper, durch höhere Gaspreise und deutlich gesunkene Liefermengen. Uniper soll deswegen jetzt von der staatlichen KFW-Bank unterstützt werden. "Wir werden dafür sorgen, dass nicht der gesamte deutsche Energiemarkt durch ein solches Unternehmen infiziert wird", so Habeck.
"Brandgefährliches Instrument"
Das Energiesicherungsgesetz stammt ursprünglich aus den 1970er Jahren und sollte mögliche wirtschaftliche Folgen der damaligen Ölkrise abwehren. Nun hat es die Bundesregierung ausgeweitet, sagt Habeck: "Wir haben die Möglichkeit geschaffen, nicht nur die Preisweitergabe, sondern auch ein Umlagesystem zu etablieren, damit höhere Preise weitergetragen werden." Theoretisch könnten damit auch die Endkunden zur Kasse gebeten werden, wenn sich die Energiekrise verschärfen sollte.
Warum das so wichtig ist, erklärt Habeck auch: "Die Möglichkeit von Energie- und Versorgungsunternehmen, die Preise außerhalb der Verträge direkt an die Kunden weiterzugeben, verhindert, dass die Unternehmen umkippen und wir einen zerstückelten Energieversorgungsmarkt in Europa haben. Aber sie ist eine krasse Belastung für die Menschen, die es dann tragen müssen, das ist nicht wegzureden. Es ist ein mächtiges und brandgefährliches Instrument."
Zwar hofft Habeck, dass dieses Instrument nie eingesetzt werden muss. Doch er sagt: "Wir brauchen eine Vielfalt von Reaktionsmöglichkeiten." Deutschland sei aber noch nicht so weit, dass der Himmel immer düsterer werde, meint Habeck. "Und da müssen wir auch nicht hin."
"Keine sonnigen Aussichten"
Im vergangenen halben Jahr hätten die Bundesbürger deutlich weniger Gas verbraucht, so der Wirtschaftsminister. "Und das muss ich hier auch mit einer großen Dankbarkeit sagen." Der Bundestag werde am heutigen Donnerstag darüber abstimmen, ob Kohlekraftwerke wieder hochgefahren werden. Man habe Liefervereinbarungen mit anderen Ländern abgeschlossen, im Winter käme LNG-Gas dazu. "Niemand, der bei Sinn und Verstand ist, würde behaupten, dass dies gerade eine sonnige Aussicht ist", sagt Habeck. "Aber es muss jetzt auch nicht zappenduster werden."
Am Montag kommender Woche wird Russland die Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 stoppen, wegen angeblicher Wartungsarbeiten. Auf diesen Termin blickt Habeck mit gemischten Gefühlen. "Man müsste lügen, würde man sagen, das ist sorgenfrei", so der Minister. Spannender als der kommende Montag sei jedoch der 22. Juli, wenn die Gaspipeline wieder starten solle.
"Bliebe der Gashahn zu, sind wir aber nicht passiv", so Habeck weiter. "Wir müssen nicht staunend daneben stehen und warten, was dann passiert." Die Gasspeicher würden weiter gefüllt, wenn auch langsamer. Aber: "Wir zahlen einen hohen Preis. Und das ist nicht gesund." Von einer Gastriage, bei der Gasmengen den Unternehmen zugeteilt werden, sei man auch dann weit entfernt, wenn Russland die Gaslieferungen völlig einstelle. Das werde frühestens im Winter der Fall sein, wenn überhaupt.
Habeck wies damit eine entsprechende Warnung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder zurück. "Wir sind nicht machtlos oder wehrlos", stellte der Minister klar.
Am Ende des Gesprächs stellt Moderator Lanz eine Frage, die Habeck erst nach kurzem Zögern beantwortet: Was würde passieren, wenn Russlands Präsident Putin am 22. Juli weitere Gaslieferungen in Aussicht stellen würde, aber nur über die Ostseepipeline Nord Stream 2? Nach kurzem Zögern gibt Habeck die wohl einzig mögliche Antwort: "Dann wären wir als politische Kraft gegenüber Putin gescheitert."
Quelle: ntv.de
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