Neue Eskalation des alten Konflikts um Berg-Karabach

  09 Mai 2016    Gelesen: 973
Neue Eskalation des alten Konflikts um Berg-Karabach
Von Yunis Gurbanov

Die Verschärfung der Lage in Berg-Karabach ist die ernsteste und härteste Auseinandersetzung für die ganze Zeit seit dem Abschluss des Waffenstillstandsabkommens zwischen Aserbaidschan und Armenien im Mai 1994. Die neue Eskalation zwischen zwei südkaukasischen Länder bzw. die mögliche Erneuerung des dauerhaften Konflikts muss als eine große Gefahr für die ganze Region betrachtet werden.

Infolge der neuen Spannung, die vom 2. April bis 5. April 2016 zwischen aserbaidschanischen und armenischen Streitkräften stattgefunden hat, sind dutzende Soldaten sowohl von der aserbaidschanischen als auch von der armenischen Seite ums Leben gekommen. Von beiden Seiten wurden die verschiedenen Munitionsarten, schwere Militärtechnik usw. verwendet.
Hintergrund des Konflikts

Die Ursachen des Konfliktes zwischen Aserbaidschan und Armenien, der seit vielen Jahren ungelöst bleibt, müssen in der sowjetischen Vergangenheit der beiden Staaten gesucht werden. Ursprünglich hatten Perestroika und Glasnost eine aktive Rolle in der "Stimulierung" der ethno-territorialen Konflikte in diesem Raum gespielt.

Es kann sicher definiert werden, dass bei diesem Konflikt sowohl ökonomische als auch religiöse Faktoren keine wichtige Rolle spielen. Seit der neuen Eskalation der Lage im Berg-Karabach berichten die westlichen Medien noch öfter über den Konflikt zwischen dem christlichen Armenien und dem muslimisch geprägten Aserbaidschan. Z.B. wurden im Spiegel derartige Artikel nach der Eskalation des Konflikts veröffentlicht.

Es ist sehr schwierig zu verstehen, wozu diese Information veröffentlicht wird, wenn die Religion überhaupt keine Rolle in diesem Konflikt spielt. Der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien, der während der Perestroika seinen Höhepunkt erreicht hatte, muss in Rahmen des ethno-territorialen Streites betrachtet werden.

Neben dem Karabach-Konflikt werden im Post-Sowjetischen Raum andere Konflikte auch beobachtet. Aber der blutigste Krieg hat zwischen Aserbaidschan und Armenien um das Berg-Karabach Gebiet stattgefunden. Als Ergebnis des Krieges, der zwischen diesen Staaten von 1988 bis 1994 stattgefunden hat, sind etwa 30 000 Menschen ums Leben gekommen.

Infolge des Krieges mussten über eine Millionen Aserbaidschaner ihr Gebiet verlassen. Während des Krieges wurde nicht nur Berg-Karabach, sondern auch umliegende aserbaidschanischen Bezirke von armenischen Streitkräften okkupiert. Infolge der Aggression Armeniens hat Aserbaidschan ca. 20 Prozent seines Territoriums verloren. Offiziell wird seit Mai 1994 ein Waffenstillstand zwischen Aserbaidschan und Armenien beobachtet.

Komplexität bei der Lösung des Konflikts

Um die Komplexität der Situation in der Lösung des Konflikts zu verstehen, muss Folgendes verstanden werden. Wenn offiziell Baku die Lösung des Konflikts im Rahmen seiner territorialen Integrität fördert, die von der internationalen Organisationen als Bestandteil Aserbaidschans akzeptiert ist, sieht die armenische Regierung nur zwei Möglichkeiten zu der Beilegung des Konflikts, entweder die Anerkennung der Unabhängigkeit des Gebiets oder die Eingliederung des Berg-Karabachs in Armenien.

Aufgrund der Abwesenheit des Vertrauens, nicht nur zwischen der Regierungen, sondern auch zwischen den Nationen der beiden Staaten, wurde kein Fortschritt in der Beilegung des Konflikts erzielt. Da beide Staaten nur auf die Hilfe und das Engagement der internationalen Gemeinschaft hoffen bzw. keine zwischenstaatliche direkte Kommunikation beobachtet wird, wird die Lösung des Konflikts und die Gestaltung der dauerhaften Stabilität in der Region noch erschwert.

Madrid Prinzipien

Die internationale Gemeinschaft beharrt auf die friedliche Beilegung des Konflikts im Rahmen der internationalen Rechtsakte. Der Konflikt muss auf der Basis der sogenannten Madrid-Prinzipien beigelegt werden. Diese Prinzipien wurden in 2007 von der Minsk-Gruppe der OSZE eingerichtet. USA, Russland und Frankreich sind die Staaten der Minsk-Gruppe, die sich für die friedliche Regulierung des Karabach-Konflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien engagieren.

Die Madrid-Prinzipien wurden von beiden Konfliktseiten als die Grundlage in der Regulierung des Konflikts akzeptiert. Auf dem G8 Treffen 2009 in L`Aquila, Italien haben die Staatspräsidenten der USA, Russlands und Frankreichs die letzte Form der Madrid-Prinzipien bestätigt und der aserbaidschanischen und armenischen Regierungen zur Verfügung gestellt. Diese Prinzipien schließen die folgenden Punkte ein:

• Die Rückgabe der umliegenden Gebiete an Aserbaidschan.
• Das Rückkehrrecht aller Vertriebenen und Flüchtlinge.
• Ein Übergangsstadium für Berg-Karabach, das die Sicherheits- und Selbstverwaltungsgarantien gibt.
• Sicherheitsgarantien für Berg-Karabach über eine internationale Friedenswahrungsmission.
• Die Entscheidung über den zukünftigen Status von Berg-Karabach über ein rechtlich bindendes Referendum der Bevölkerung.

Es muss wieder betont werden, dass der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien nur im Rahmen der vier Resolutionen des UN-Sicherheitsrats beigelegt werden kann. Laut dieser Resolutionen akzeptiert die internationale Gemeinschaft das von den armenischen Streitkräften okkupierte Territorium als einen Bestandteil Aserbaidschans und fördert unverzügliche und bedingungslose Freigabe der aserbaidschanischen Gebiete.

Rolle Russlands

Ohne die Betrachtung der Rolle Russlands in diesem Konflikt können wir keine logische Antwort auf die Frage finden, warum der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien seit vielen Jahren ungelöst bleibt bzw. die Staaten der Konfrontation keinen Durchbruch in der friedlichen Beilegung des Konflikts erreichen können. Russland trägt eine besondere Rolle in der Region.

Obwohl Russland einer der drei Mitgliedstaaten der Minsk-Gruppe ist, die sich für die friedliche Lösung des Konflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien engagieren, ist Russland der größte Waffenlieferant sowohl für Aserbaidschan als auch für Armenien.

Der ungelöste Karabach-Konflikt schafft gute Möglichkeit für die Einmischung Russlands in die Politik der beiden Staaten. Die mögliche Beilegung des Konflikts ist der potentielle Verlust der Einflussmöglichkeit bzw. des Druckmittels Russlands auf beide Staaten.

Da im Fall der Lösung des Konflikts Russland sein wichtiges Mittel des Einflusses auf die Politik von Aserbaidschan und Armenien verliert, ist die Lösung des Konflikts kein gewünschtes Szenario für den Kreml.

Sowohl die politische als auch die militärische Partnerschaft zwischen Russland und Armenien ist noch ein entscheidender Faktor, warum der Konflikt seit vielen Jahren nicht gelöst werden kann, z.B. gibt es in Armenien die Militärbasis Gumri, wo die russischen Streitkräfte stationiert sind.

Gemäß der Information aus dem Dezember 2013 betrug die gesamte Zahl der russischen Truppen auf dem Territorium von Armenien mehr als 13000 Personen. Laut des Abkommens, das zwischen der russischen und armenischen Regierung unterzeichnet wurde, dürfen die russischen militärischen Truppen mindestens bis 2044 in Gumri, Armenien bleiben.

Die Gefahr der weiteren Eskalation

Obwohl am 5. April 2016 Baku und Eriwan schon ein zweites Mal offiziell eine neue Feuerpause vereinbart haben, gibt es keine Garantie auf eine weitere Eskalation des Konflikts. Die aserbaidschanische Regierung betont ständig, falls keine friedliche Regulierung des Konflikts möglich sei bzw. die armenischen Okkupanten die aserbaidschanischen Gebiete nicht verlassen werden, die aserbaidschanische Armee in der Lage sei, das aserbaidschanische Territorium zurückzuerobern.

Die Eskalation des Konflikts ist eine große Gefahr, nicht nur für beide Staaten, sondern auch für die ganze Region. Aufgrund dieses Konflikts wird keine zwischenstaatliche Kooperation zwischen Aserbaidschan und Armenien beobachtet.

Um die Gefahr der Eskalation zu vermeiden, muss der Western und insbesondere die Minsk-Gruppe mehr Verantwortung übernehmen. Die Annahme Russlands durch Aserbaidschan und Armenien als eine absolute und unbegrenzte Macht dieser Region, die willkürlich handelt, ist noch ein guter Indikator dafür, dass die Verhandlungen in Rahmen der Minsk-Gruppe, die bis heute stattfanden, als effektivlos klassifiziert werden müssen.

Die Minsk-Gruppe muss mehr Verantwortung übernehmen, damit sie das Vertrauen der Konfliktseiten in die Glaubwürdigkeit der friedlichen Verhandlungen in Rahmen dieser Organisation zurückgewinnen kann. Ansonsten wird die Gefahr des Kriegs unvermeidbar.

Yunis Gurbanov - PhD Kandidat, Universität zu Köln

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