Gegen diesen Trend verbuchte die sozialdemokratische Schottische Nationalpartei in der vergangenen Woche bei den Regionalwahlen einen klaren Sieg. Die seit neun Jahren in Edinburgh regierende SNP holte in einem als historisch gefeierten Sieg 63 von 129 Sitzen und verpasste so nur ganz knapp die absolute Mehrheit. Wahlverlierer ist die Labour-Partei. Sie wurde von den Konservativen auf einen erniedrigenden dritten Platz verwiesen.
Die Pulverisierung Labours im einstigen roten Stammland hat gravierende Folgen. Nicht nur auf die Regierungsperspektiven der britischen Linken insgesamt, sondern auch auf ein mögliches zweites Schottlandreferendum im Falle eines Brexit. Zugleich aber liefert der anhaltende Erfolg der SNP durchaus übertragbare Hinweise darauf, wie europäische Parteien der linken Mitte die wachsende Kluft zwischen ihnen und breiten Wählerschichten zumindest ein Stück weit schließen können.
Das Erfolgsrezept der SNP beruht auf einem Dreiklang aus traditionellen Mitte-links-Positionen, einer populären Führungsriege und einem für linke Bewegungen ungewöhnlichen progressiven Patriotismus. Während die britische Labour-Partei unter Tony Blair ihren Schwenk Richtung Neoliberalismus mit einer anschließenden politischen Sinnkrise bezahlen musste, ist die SNP sozialdemokratischen Kernwerten stets treu geblieben. New Labour fand bei ihr schlicht nicht statt. So ist die Privatisierung der Infrastruktur in Schottland ebenso undenkbar, wie es Studiengebühren an Universitäten oder gar militärische Abenteuer im Nahen Osten sind.
Im Kampf um das als "Holyrood" bezeichnete schottische Parlament setzte die SNP daher überzeugend auf Kontinuität: Ihr Wahlmanifest forderte eine Ausweitung des Mindestlohns, die Reduzierung klimaschädlicher Emissionen um mehr als 50 Prozent und den Ausbau weitgehend kostenfreier Kinderbetreuungsangebote. Abgerundet wurde das Portfolio durch die Zusage, das umstrittene Handelsabkommen TTIP mit den USA nachzubessern und Öl- und Gasförderung mittels Fracking weitgehend zu unterbinden.
Vermittelt werden diese Positionen durch eine kompetente, relativ junge und auch weibliche Führungsriege um Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon. Sie steht nicht zuletzt für einen Pragmatismus der Macht, der auch die Interessen der schottischen Wirtschaft durch einen gemäßigten Kurs in Steuerfragen bedient. Spätestens seit Sturgeon im vergangenen Westminster-Wahlkampf Labour-Chef Ed Miliband per TV-Duell mit authentischen Mitte-links-Positionen deklassierte, gilt sie nicht nur als vertrauenswürdige Anwältin schottischer Interessen im Vereinigten Königreich, sondern auch als Leitfigur einer überzeugend bürgernahen linken Mitte.
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