Der geordnete Austritt ist in Artikel 50 des EU-Vertrags klar geregelt. Nach offizieller Mitteilung des Austrittswunsches beginnen Verhandlungen, die auf zwei Jahre begrenzt sind. Sie regeln allerdings nicht das künftige Verhältnis, sondern nur die Modalitäten der Trennung. Großbritannien könnte daher gezwungen sein, die EU zu verlassen, ohne seinen Zugang zum EU-Markt geklärt zu haben. Brexit-Verfechter in Großbritanniens Regierung suchen deshalb nach anderen Wegen aus der EU.
Zollfreiheit könnte abrupt enden
Mit Befremden aufgenommen wurde in Brüssel ein Plan des Fraktionsvorsitzenden der Konservativen im Unterhaus, Chris Grayling. Er sieht vor, schon vor dem Austritt EU-Recht schrittweise außer Kraft zu setzen. Er wolle die nach Artikel 50 vorgeschriebene Mitteilung hinauszögern und zunächst einen "informelleren Prozess" anstreben, sagte Grayling, ein Vertreter des Brexit-Lagers, der "Financial Times". Ziel sei ein Austritt bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Handelsabkommens bis Ende 2019.
Dies widerspricht laut "Süddeutscher Zeitung" diametral der Auffassung der EU-Kommission. Sie bestehe darauf, dass Großbritannien bis zum Abschluss der Trennungsverhandlungen seine Pflichten als EU-Mitglied voll erfüllt. Einem "wilden" Brexit wolle sie daher nicht tatenlos zusehen und habe bereits rechtliche Möglichkeiten geprüft für eine so in den Verträgen nicht vorgesehene Suspendierung der Mitgliedschaft. Ein Szenario sehe vor, das Referendum notfalls als offizielle Bekundung des Austrittswunsches zu werten.
Mit der Suspendierung würden dann auch die Binnenmarktregeln wie Zollfreiheit abrupt nicht mehr auf Großbritannien angewendet. Zu erwarten wären dadurch äußerst negative Folgen für die britische Volkswirtschaft. Man halte so ein Szenario aber für unwahrscheinlich, weil eine britische Regierung ein solches Risiko kaum eingehen werde, hieß es in Brüssel so das Blatt.
Die offizielle Austrittsmitteilung würde demnach in Brüssel spätestens bis zum EU-Gipfel am 28. Juni erwartet. Dann müssten die Staats- und Regierungschefs der 27 verbleibenden EU-Staaten über das weitere Vorgehen beraten. Es werde erwartet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande die Führung übernehmen, aber auch Unterstützung suchen bei der polnischen Regierungschefin Beata Szydlo und womöglich dem Italiener Matteo Renzi. Mit Signalen für einen Ausbau etwa der Eurozone werde nicht gerechnet. Betont werden sollte vielmehr die Rolle der EU für die Sicherheit der Bürger.
Quelle: n-tv.de
Tags: