"Der Standard", Österreich: Jahrhundertentscheidung, aber nicht bindend
"Die Entscheidung des britischen Volkes ist zu respektieren. Aber das Referendum ist rechtlich nicht bindend. Es ist noch nicht klar, ob das Parlament in London diese Jahrhundertentscheidung – mit tragischen ökonomischen und politischen Folgen – bestätigt. So lange sollten die EU-Partner nicht drängen. …: Es gilt, was in den Verträgen steht. Warten wir ab, was die Briten tun. Sie brauchen eine andere Partnerrolle."
"Tages-Anzeiger", Schweiz: Merkel hat nun eine Aufgabe
"Nach dem Austritt Großbritanniens dürfte Europa unter dem Druck der südlichen Peripherie etatistischer und solidarischer werden, gewissermaßen französischer, ohne dass die Zentralmacht Deutschland dem viel entgegenzusetzen hätte. Welche Richtung die Entwicklung auch einschlägt, gewiss ist eines: Vor allem Deutschland wird nun die Aufgabe zukommen, Europa neu zu einen und wieder zukunftsfähig zu machen.
Angela Merkel, die Dinosaurierin Europas, ist für diese Aufgabe geeignet und ungeeignet zugleich. Als Krisenmanagerin hat sie mehrfach bewiesen, dass sie mit ruhiger Hand entschieden führen kann und dabei europäischer denkt und handelt als alle anderen Staats- oder Regierungschefs des Kontinents. …
Gleichzeitig fehlt es ihr an Vision und Leidenschaft. Sie weiß, dass Europa Deutschlands Horizont bildet, und sie ist eine überzeugte Europäerin – aber die Bürger des Kontinents von der Zukunft ihrer Union zu überzeugen, gelingt ihr nicht. Das liegt nicht nur an ihrer fehlenden Ausstrahlung, sondern auch an der Politik, für die sie steht. Ihr schlägt in Europa heute mehr Misstrauen entgegen als jemals zuvor in ihrer Amtszeit."
"De Telegraaf", Niederlande: Großbritannien kommt nun in eine Lage wie Norwegen
"Bestenfalls kommt Großbritannien nun in eine ähnliche Lage wie die Schweiz oder Norwegen, die die Regeln des europäischen Binnenmarktes befolgen müssen, aber kein Mitspracherecht haben. Egal, welcher Weg zum Umgang mit dem Referendum gefunden wird, die Engländer sind dann Bittsteller und es wird heißen Mund halten und bezahlen.
Alles in allem macht es kaum einen Unterschied, ob die Briten nun darüber verhandeln, was innerhalb von zwei Jahren ohnehin kaum zu schaffen ist (und dem sich noch fünf Jahre dauernde Gespräche über neue Handelsverträge anschließen), oder ob sie noch einen anderen Weg finden – in beiden Fällen werden sie schlechter dastehen als bisher. Und die Rechnung wird wieder den Schwächsten präsentiert – der politisch enttäuschten, fremdenfeindlichen und das Establishment hassenden älteren Bevölkerung in den ländlichen Regionen."
"Jyllands-Posten", Dänemark: Wird Großbritannien wirtschaftlich besser dastehen?
"Es ist viel zu früh, um zu sagen, inwiefern Großbritannien außerhalb der EU wirtschaftlich besser dastehen wird, wie es die Sieger der Volksabstimmung behauptet haben. Solange die britische Regierung den Schritt nicht unternommen hat, das Austrittsverfahren in Gang zu setzen, was kaum passieren wird, bevor ein Nachfolger für Premierminister David Cameron gefunden und eine neue Regierung gebildet ist, bleibt Großbritannien Mitglied der EU.
Manche im EU-System und in den EU-Ländern werden gekränkt sein, dass Großbritannien sich gegen die EU entschieden hat, aber die Briten bleiben wichtige Mitglieder in der europäischen Familie, und der große Handel zwischen den EU-Ländern – nicht zuletzt Dänemark – und Großbritannien darf nicht ausgesetzt werden; zumal viele Briten sich wahrscheinlich getraut haben, Nein zur EU zu sagen, weil sie hofften, dass sich eine Form der Bindung an den Binnenmarkt bewahren lässt."
"The Telegraph", Großbritannien: Vollzug des EU-Austritts nicht überstürzen
"Wenn sich der Staub erst mal gelegt hat, gibt es potenziell eine große Dividende des Brexit, die erschlossen werden muss. Natürlich wird es nicht leicht sein, eine 43 Jahre alte Beziehung mit Europa aufzulösen. Doch es wird Chancen geben, nicht nur für Großbritannien, sondern auch für Europa, wenn dessen Führer die richtigen Schlussfolgerungen aus dem Geschehenen ziehen. Sollten sie denken, es sei allein in Großbritannien zu einem Zerwürfnis gekommen, würden sie damit ignorieren, was in ihren eigenen Ländern vor sich geht.
Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, dass ein Land, das eine schon lange nur noch halbherzige politische Beziehung gekappt hat, nicht aufblühen sollte – es sei denn, wir reden uns jetzt selbst in eine Krise hinein oder es wird uns eine Krise aufgezwungen.
Die Beamten in Brüssel würden den Austritt Großbritanniens gern beschleunigen. Aber ihnen wurden die Hände gebunden durch gewählte Regierungschefs wie Angela Merkel, die erkennen, welche Gefahren von überstürzten Aktionen für das gesamte europäische Projekt ausgehen. … Es liegt im Interesse Großbritanniens, die Sache langsam anzugehen und den EU-Austrittsartikel 50 erst zu aktivieren, nachdem dafür in informellen Gesprächen der Boden bereitet wurde. Aber das entspricht auch dem Interesse Europas."
"Nepszabadsag", Ungarn: Was wollen die Briten?
"Welche britische Entscheidung sollen wir denn respektieren? Jene, die aus dem Referendum hervorgegangen ist, oder die Tatsache, dass sehr viele (Briten) jetzt, erschrocken über das Ergebnis und über seine Folgen, alles im Grunde rückgängig machen wollen?"
"Berlingske", Dänemark: Nein der Briten bestärkt Amerikaner in Politikerskepsis
"Das Nein der Briten zur EU hat die Amerikaner in einer Sache bestärkt: Sie stehen mit ihrer Angst und Sorge um die Zukunft nicht alleine da. Sie stehen mit dem Gefühl nicht alleine da, dass die Politiker, die über ihr Leben bestimmen, ihren eigenen Interessen und nicht denen des Volkes folgen. Sie stehen nicht alleine, wenn sie fordern, dass die Politik in Zukunft näher am Volk und nicht von Bürokraten im fernen Washington oder im genauso fernen Brüssel entschieden werden soll."
Quelle : welt.de
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